Das Alte Schloss, hier im Bild, bildet mit dem Neuen Schloss das Schloss Münchingen. Foto: Simon Granville

Auf Erkundungstour in der Region – zu geheimnisvollen Burgen und Ruinen, prächtigen Schlössern und eindrucksvollen Kirchen. Heute: das Schloss Münchingen.

Das Alte Schloss und das Neue Schloss bilden das Schloss Münchingen. Die Anlage mit Schlossmauer ist denkmalgeschützt und im Land eine der wenigen ganzheitlich erhaltenen Schlossanlagen. Besonders bemerkenswert sei das Engagement der Besitzerfamilie Gehring, das den Erhalt des Ensembles gesichert habe, sagt der Stadtarchivar Alexander Brunotte.

Was weiß man über die Geschichte? Das Alte Schloss war ursprünglich ein Wasserschloss, umgeben von einem drei Meter tiefen Wassergraben, von dem noch Reste übrig sind. Erstmals wird das Schloss anno 1304 als „Burg Münchingen“ erwähnt. Erbaut wird sie wohl zwischen 1250 und 1300 – viele Fragen zur Frühzeit der Burg sind offen. Mehr bekannt ist erst, seitdem im 16. Jahrhundert die Burg zum Schloss wird, zu einer kleinen Adelsresidenz. Von 1550 bis 1558 entsteht dank Werner von Münchingen und seiner Ehefrau Ursula das Alte Schloss mit dem charakteristischen Wendeltreppenturm, der „Schnecke“. Ein weiteres Wohngebäude kommt dazu, Vorderes Gebäu genannt. Ein Gang verbindet die Gebäude, heute ist er am Steinhaus noch als Balkon übrig. 1733 erwirbt August Friedrich von Harling das Alte Schloss. Es ist „mit Schulden überhäuft und in katastrophalem baulichem Zustand“.

Warum entstand daneben ein zweites Schloss? Der neue Besitzer von Harling, der in das Münchinger Adelsgeschlecht eingeheiratet hat, bringt das Alte Schloss in Schuss, er gestaltet die Anlage aber auch grundlegend um. Er lässt anstelle des Gebäus den neuen Hauptbau errichten: ein Palais im Rokokostil mit zeittypischem Mansarddach. Das Neue Schloss ersetzt das Alte Schloss als „standesgemäßen Wohnraum“, zumal dieses schon im Kaufvertrag von 1733 den Titel „steinernes Nebengebäude“ trug. Im Jahr 1842 kauft Johann Jakob Schmalzried die Schlossanlage. Der „umtriebige, ökonomisch erfolgreiche Wirt“ habe seiner Prosperität durch ein repräsentatives Anwesen Ausdruck verleihen wollen. Als der Waldhornwirt im Jahr 1850 stirbt, wechseln die Eigentümer ein paar Mal, bis die Anlage schließlich der Familie Gehring gehört.

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Darf man in die Schlösser rein? Nein, denn sie sind bewohnt. Das Alte Schloss mit zwei Wohnungen gehört weiterhin den Gehrings, das Neue Schloss hat Frank Gehring kurz vor seinem Tod im Jahr 2020 den Lutzes verkauft. Frederike (30) und Christian Lutze (33) bewohnen mit ihren zwei Kindern eine der sechs Wohnungen, der Rest ist vermietet – „zur ortsüblichen Miete“, sagt Frederike Lutze. Das Tor zum Hof ist aber immer offen. Eine steinerne Tafel mit Inschrift am Alten Schloss am Wohnhaus verweist noch heute auf die Bauherrn, im Schlosshof sind ein Wirtschaftsgebäude mit der Inschrift von 1619 und ein Stall mit Schießscharten. Von außen erhascht man einen Blick in den prächtigen, rund 2400 Quadratmeter großen Garten des Neuen Schlosses, in dem viele Obstbäume stehen. Die 23 Kois im Teich, ein Rest des Burggrabens, dürfen Kinder füttern. „Wenn Leute draußen stehen, lassen wir sie schon mal in den Garten, sofern wir da sind und Zeit haben“, sagt Frederike Lutze. Die jüngsten Besucher dürfen dann auch schaukeln, sandeln oder Trampolin springen.

Wann ist von der Schlossanlage auf jeden Fall mehr zu sehen? Bei Veranstaltungen, von denen es künftig mehr geben soll. „Wir loten gerade aus, was möglich ist“, sagt Frederike Lutze. Neben dem Garten habe auch die zu einem Gemeinschaftsraum umgebaute Remise samt einstigem Pferdestall Potenzial. Der Gemeinschaftsraum hat unter anderem einen Kamin, ein Klavier und einen Billardtisch. Die nächste Veranstaltung, an der sich das Schloss beteiligt, ist der Münchinger Kunsttag am 11. September: Die Künstlerin Ursula Plocher, die seit mehr als 55 Jahren im Schloss wohnt, zeigt eine Puppen- und Fotoausstellung, im Hof spielt eine Band, im Garten gibt es Kaffee und Kuchen. Vom nächsten Jahr an soll immer im Frühjahr ein Flohmarkt sein, im Mai ein Picknick, im Winter wieder der Adventsmarkt. Alle paar Jahre spielt im Hof das Strohgäu-Brass-Quintett. Zurzeit sei man im Gespräch mit verschiedenen Musikgruppen, sagt Frederike Lutze. Sie öffnet den Garten auch örtlichen Vereinen und Kitagruppen für deren Feste.

Was hat es mit dem Schild am Eingang auf sich? Das Alte und das Neue Schloss sind zwei von zwölf Stationen des historischen Rundgangs durch Münchingen. An den wichtigen und interessanten Gebäuden, Kleinoden und öffentlichen Einrichtungen hängt eine Tafel mit einem historischen Foto der Sehenswürdigkeit, einem kurzen Text plus QR-Code. Wer den mit dem Smartphone scannt, landet auf einer Internetseite mit mehr Informationen sowie Videos und Bildergalerien. Wenn man sich die Münchinger Schlösser anguckt, kann man dies also gleich mit einem lehrreichen Spaziergang durch den gesamten Ort verbinden. Das Münchinger Schloss, sagt der Archivar Brunotte, habe etwas von einem verborgenen Kleinod, das dem Ortsunkundigen nicht gleich ins Auge springe und das es zu entdecken lohne.

Was macht die Schlossbewohner so besonders? „Wir verstehen uns als Hausgemeinschaft“, sagt Frederike Lutze. Die Mieter verbringen gern Zeit miteinander. Neue Mieter würden „sorgfältig“ ausgewählt, denn die Bewohner sollen sich möglichst einbringen, im Schloss, im Garten. Was von den derzeitigen Mietern jeder eigeninitiativ tue. „Hier gibt es immer etwas zu erledigen“, sagt Frederike Lutze. In den Jahren 2019 und 2020 etwa sei das Neue Schloss eine „Riesenbaustelle“ gewesen. Beide Schlösser wurden und werden immer wieder saniert und umgebaut. Das Alte Schloss stand in der Vergangenheit wiederholt vor dem Einsturz. 20 Jahre lang blieb es unbewohnt, ehe im Jahr 1970 aufwendige Arbeiten durch die Gehrings begannen. Ihr Mann, berichtet Frederike Lutze, hatte zuvor in einer der drei Wohngemeinschaften gelebt – und immer Angst gehabt, dass er sich mal langweile. Frederike Lutze lacht. „Seit dem Schlosskauf ist das nicht mehr so.“ Frank Gehring hatte bis zum Jahr 2019 WG-Zimmer vermietet, weil er bezahlbaren Wohnraum schaffen wollte.

Wo ist Gastronomie? Es gibt im Ort fußläufig mehrere Restaurants, eine Eisdiele und eine Bäckerei mit Außengastronomie.

Wie kommt man hin? Die A 81 und die B 10 führen nach Münchingen. Die Parkplätze in der Schlossgasse sind aber begrenzt. Weitere nahe Parkmöglichkeiten gibt es in der Hauptstraße. Die Haltestelle Münchingen, die die Strohgäubahn anfährt, ist zu Fuß gut zehn Minuten entfernt.

Nach dem Schlossbesuch noch ab ins Freizeitbad

Serie
 Auf Erkundungstour in der Region – zu geheimnisvollen Burgen und Ruinen, prächtigen Schlössern und eindrucksvollen Kirchen. Wir machen uns in und um Stuttgart auf die Suche nach Schlossgespenstern, erzählen spannende Geschichten aus vergangenen Tagen und liefern Wissenswertes zu mächtigen Mauern in luftigen Höhen. Unsere Sommerserie widmet sich diesen kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten und bietet Anregungen für Ausflüge, die sich lohnen. Wetten, dass auch für Sie etwas dabei ist?

Service
 Wer noch Lust auf eine Abkühlung hat, kann in das Freizeitbad mit Außenbecken gehen. Es ist in der Stuttgarter Straße und hat nur donnerstags zu. Die Einzelkarte kostet für drei Stunden 5,50 Euro, am Wochenende und an Feiertagen 6,10 Euro. Vor Ort gibt es viele Parkplätze und das Sportheim-Restaurant des TSV, das im August aber Betriebsferien hat. www.freizeitbad-muenchingen.de .