Kleine Kirche, großer Eindruck: Die Wallfahrtskirche zur schmerzhaften Mutter Gottes in Birenbach Foto: Ines Rudel

Uralte Kirchenbänke, exklusive Konzerte und eine großzügige Spende: Die Wallfahrtskirche von Birenbach hat eine lange und aufregende Geschichte. Aber selbst wenn man nichts von ihr weiß, kann man sich auf den ersten Blick in sie verlieben.

Wer sich das Örtchen Birenbach im Kreis Göppingen ausgedacht hat, hat Sinn für Schönheit gehabt: Viel idyllischer als hier, zwischen Schurwald und Schwäbischer Alb, geht’s kaum. Wobei Birenbach zuletzt eher deshalb aufgefallen ist, weil die Idylle in der 2000-Einwohner-Gemeinde empfindlich gestört war. Bürger hatten eine Petition initiiert, weil sie mit vielem im Ort unzufrieden waren. Vor allem mit dem Bürgermeister, der am Ende dieses Birenbacher Aufruhrs seinen Posten abgab. Allerdings ist Birenbach auch sonst aufsehenerregend. Zum einen wegen seiner, siehe oben, reizenden Landschaft. Und zum anderen wegen seiner nicht minder reizenden Kirche – die nicht irgendeine Kirche ist, sondern eine Wallfahrtskirche. Und ihr Name macht zusätzlich neugierig: zur schmerzhaften Mutter Gottes.

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Warum ist die Kirche einen Ausflug wert?

Kirchen- oder Kunsthistoriker können dafür eine ganze Latte an Gründen nennen. Zum Beispiel den prunkvoll verzierten Hauptaltar inklusive Tabernakel und der von sieben Messern durchbohrten Marienfigur. Oder die Kirchenbänke, deren geschnitzte Seitenteile mehr als 300 Jahre alt sind. Aber man muss nicht kirchen- oder kunstbeflissen sein, um sich für dieses Kirchlein zu begeistern. Einfach hinsetzen und wohlfühlen! Viele Hochzeitspaare geben sich wegen des Ambiente hier das Ja-Wort. Mehr muss man eigentlich nicht sagen, oder? Wobei, das noch: Besonders ist auch, dass es die Kirche überhaupt noch gibt. Wegen des feuchten Baugrunds musste sie schon so oft umfangreich renoviert werden, dass ihre Sinnhaftigkeit fast genau so oft schon infrage gestellt wurde. Durch die großzügige Spende einer Birenbacherin jedoch konnte die Technik vor drei Jahren so aufgerüstet werden, dass bis auf Weiteres kein Ungemach zu erwarten ist.

Wie kommt es, dass in Birenbach eine Wallfahrtskirche steht?

Der Sage nach war ein Edelfräulein aus Adelberg an dieser Stelle vom Pferd gestürzt und verletzte sich schwer. Sollte sie genesen, so gelobte die Dame, werde sie am Ort des Geschehens eine Kapelle errichten lassen. 1492 wurde der Grundstein für eine kleine Marienkapelle gelegt, die erste Wallfahrt nach Birenbach ist für das Jahr 1499 nachgewiesen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war die Kirche komplett zerstört, ab 1690 machten sich die Birenbacher daran, ein neues, größeres Gotteshaus zu bauen. Acht Jahre später wurde es zu Ehren der schmerzhaften Mutter Gottes geweiht – und steht bis heute.

Gibt es Wallfahrten nach Birenbach?

Pilgerströme wie sie beispielsweise aus Lourdes bekannt sind, gibt es in Birenbach nicht. Die hiesigen Wallfahrer sind überschaubar und kommen aus dem Umland. Jürgen Hertrampf, der sich intensiv mit der Geschichte der Kirche befasst hat, hat für die vergangenen Jahre jeweils etwa fünf Wallfahrten gezählt. In der Regel handelt es sich um Seniorengruppen, Frauenkreise oder Kirchenchöre, die zudem mit dem Bus anreisen. Einmal im Jahr, am Dienstag vor Fronleichnam, gibt es aber eine Wallfahrt, die zu Fuß bestritten wird. Sie führt von den Nachbarkommunen Wäschenbeuren und Rechberghausen nach Birenbach, wo gemeinsam Erntebitt-Gottesdienst gefeiert wird. Allerdings: Es ist jedem unbenommen, jederzeit zur Kirche zu pilgern.

Wann kann man die Kirche besuchen?

Fast immer. Das Gebäude ist tagsüber geöffnet. Engagierte Birenbacher schließen es morgens auf und abends ab. Außerdem gibt es Führungen nach Vereinbarung – und natürlich auch Gottesdienste. Die Heilige Messe beginnt jeden Samstag um 18.30 Uhr. Am Sonntag, 18. September, jedoch gibt es um 11 Uhr ein Hochamt. Der Anlass ist Marias Namenstag, den die katholische Kirchengemeinde in Birenbach groß feiert. Am Vormittag in der Kirche, danach im Mesnerhaus – das hier liebevoll Mesni genannt wird und ebenfalls eine Augenweide ist.

Gibt es in der Kirche auch Musik?

Und was für eine! Die Birenbacher Organistin Verena Zahn gibt an jedem ersten Dienstag im Monat ein halbstündiges Konzert. Ihr aktuelles Programm heißt „Bach in Birenbach“. Die nächste Darbietung findet am 6. September um 19 Uhr statt. Für Orgelinteressierte: Die Birenbacher Orgel hat 24 Register und wurde anno 1990 von Martin Gegenbauer komplett neu gebaut. Für alle anderen eine rhetorische Frage von Verena Zahn: „Was gibt es schöneres, als sich in ein Konzert zu setzen, die Musik zu genießen und die Seele baumeln zu lassen?“

Was kann man in Birenbach noch machen?

Pflicht ist der Besuch des Ratscafés am Marktplatz. (Öffnungszeiten: sonntags bis donnerstags 14 bis 18 Uhr). Allein schon wegen der Herzlichkeit der Betreiberin, Sabine Nowacki, und ihren leckeren Kuchen, die sie alle selbst und aus Obst der Umgebung macht. Aber auch wegen seiner fast historischen Bedeutung. Das Ratscafé war quasi das Epizentrum der Birenbacher Revolte, in deren Folge der Bürgermeister verschwand. Dieser hatte die Pacht für das Café erhöhen wollen, was für Sabine Nowacki nicht machbar gewesen wäre – sie kündigte. Eine Bürgerinitiative wollte das verhindern – eins kam zum andern. Das Café blieb, der Bürgermeister nicht.

Was ist in der Umgebung geboten?

Eine herrliche Landschaft, die sich gut zu Fuß erkunden lässt. Zum Beispiel über die Panoramaroute, die eine tolle Aussicht auf die drei Kaiserberge und die Ostalb bietet. Oder über den Marbach-Rundweg, der ins reizvolle Marbachtal führt. Details zu diesen und weiteren Strecken gibt es im Internet unter www.tourenplaner.lk-gp.de und auf einer Tafel am Birenbacher Marktplatz.

Unterwegs in der Region

Serie
Auf Erkundungstour in der Region – zu geheimnisvollen Burgen und Ruinen, prächtigen Schlössern und eindrucksvollen Kirchen. Wir machen uns in und um Stuttgart auf die Suche nach Schlossgespenstern, erzählen spannende Geschichten aus vergangenen Tagen und liefern Wissenswertes zu mächtigen Mauern in luftigen Höhen. Unsere Sommerserie widmet sich diesen kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten und bietet Anregungen für Ausflüge, die sich lohnen. Wetten, dass auch für Sie etwas dabei ist?

Anfahrt
Wer öffentliche Verkehrsmittel nutzen möchte, hat ab dem Göppinger Bahnhof zwei Buslinien zur Auswahl: Die Linie X 93, die nach Lorch fährt, sowie die Linie 932, deren Endstation Schwäbisch Gmünd ist. Die Fahrtdauer beträgt jeweils etwa eine Viertelstunde.

Führungen
Führungen durch die Kirche können über das Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit unterm Staufen in Wäschenbeuren angemeldet werden. stjohannesevangelist.waeschenbeuren@drs.de, Telefon: 07172/18 755 -0