Hohe Subventionskosten von 850 000 Euro pro Jahr und eine dauerhaft schwache Nachfrage – der kommunale Radverleih steht vor dem Aus.
Verbunden mit großen Hoffnungen war das regionale Verleihprojekt Regio-Rad Stuttgart 2018 gestartet. Doch von der Euphorie von damals ist nichts mehr zu spüren. Ganz im Gegenteil: „Wir hinken den Erwartungen deutlich hinterher“, erklärt Ralf Maier-Geißer, der Leiter der Stabsstelle „Zentrale Aufgaben“ im städtischen Referat für Klimaschutz und Mobilität. Daher steht das Projekt angesichts hoher Kosten nun vor dem Aus.
Auf dem letzten Platz in Deutschland
Der negative Trend für das Fahrrad-Verleihsystem hatte sich in den vergangenen Jahren bereits angekündigt. In der Kritik standen unter anderem die anhaltenden technischen Probleme des Vertragspartners, der DB-Tochter Deutsche Bahn Connect GmbH. Immer wieder ließen sich Räder nach Gebrauch nicht mehr abschließen, konnte der Ausleihvorgang somit nicht abgeschlossen werden. Und auch die Nachfrage hat deutlich nachgelassen. „Vor allem Corona hat uns das Genick gebrochen“, erklärte Maier-Geißer im städtischen Ausschuss für Mobilität. Aber auch die topografische Kessellage Stuttgarts spiele für die anhaltend schlechten Zahlen eine Rolle.
Im bundesweiten Vergleich rangiert Stuttgart in Bezug auf die Ausleihzahlen und Kunden seit Längerem mit Abstand auf dem letzten Platz. So ist die Nutzung unter anderem in Städten wie Mannheim, Köln oder Hamburg zehnmal höher als in der schwäbischen Landeshauptstadt. Zwar konnte der Abwärtstrend 2023 mit 74 557 Ausleihen gestoppt, sogar ein leichtes Plus im Vergleich zum Vorjahr (73 239) verbucht werden. Zudem scheinen die Zahlen mit 70 210 Fahrten bis zum dritten Quartal 2024 stabil zu bleiben, „aber von den Vor-Corona-Zeiten sind wir noch sehr weit entfernt“, weiß Maier-Geißer. Zum Vergleich lagen die Ausleihzahlen 2019 lagen noch bei 128 160.
Öffentliche Gelder in andere Projekt investieren
Dem gegenüber stehen hohe Kosten. Allein die Landeshauptstadt bezuschusst das Leihsystem mit jährlich 850 000 Euro – Tendenz steigend. So könnten sich die Kosten in den kommenden Jahren auf eine Million Euro steigern. Die Folge: Von den einst 50 beteiligten Kommunen in der Region Stuttgart sind bereits 20 ausgestiegen. Aktuell sind 34 Städte und Gemeinden mit insgesamt 240 Stationen am Start. Allerdings „haben bis auf eine bereits alle angedeutet, die finanziellen Mittel in Zukunft streichen zu wollen“, so Maier-Geißer.
Das jetzige System ist vertraglich noch bis Ende 2026 vereinbart. Doch nun müssten die „Weichen für die Zukunft gestellt werden“, betont Maier-Geißer. Zwar fällt die endgültige Entscheidung erst Mitte März im Ausschuss für Städtebau und Technik, aber aus den möglichen Szenarien kristallisiert sich bereits jetzt eine deutliche Mehrheit für eine Ausschreibung des Leihsystems an private Träger ab. Angesichts klammer Kassen sei das Projekt, das auch vom Verband Region Stuttgart unterstützt wird, nicht mehr tragbar. „Wenn es nicht angenommen wird, wird es offensichtlich nicht mehr benötigt“, fasst Cornelius Hummel (FDP) zusammen. „Wir können nicht jede einzelne Fahrt mit 15 Euro subventionieren“, hat Leonard Rzymann (CDU) nachgerechnet. Und selbst Tobias Willerding vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) sieht die öffentlichen Mittel besser „im Ausbau des Radwegenetzes in Stuttgart“ aufgehoben.
Mehr Qualität durch Konkurrenzkampf erhofft
Ab 2027 sollen dann, wenn möglich, zwei private Anbieter für einen Zeitraum von zunächst fünf Jahren das Leihsystem übernehmen. Durch die Konkurrenz erhofft sich die Verwaltung eine bessere Qualität und mehr Innovation. Allerdings habe die Stadt dann keinen Einfluss mehr „auf das Einsatzgebiet und die Preise“, mahnte Sebastian Karl (Grüne) an. Klar scheint bis jetzt nur: Die Zahl der bislang 1530 Räder würde reduziert, die normalen und Lastenräder voraussichtlich abgeschafft und nur noch die gefragteren Pedelecs angeboten.
Die Zeit drängt. „Die Ausschreibung muss bis Ende des Jahres erfolgen“, so Maier-Geißer, um den möglichen Interessenten genügend Vorlaufzeit für den Aufbau des Leihsystems zu geben. Sollte sich bis Anfang kommenden Jahres jedoch niemand melden, „müssen wir uns Gedanken über weitere Szenarien machen“.