Auf dem Mietwohnungsmarkt im Stuttgarter Kessel herrscht großer Druck. Foto: STZN

Stuttgart habe München beim Mietpreisniveau überholt und sei für Mieter nun die teuerste Großstadt Deutschlands, meldete die Hamburger Firma F+B. Das hat gleich einige politische Aufregung nach sich gezogen.

Stuttgart - Für Mieter soll Stuttgart jetzt die teuerste Großstadt Deutschlands sein und damit die bayerische Landeshauptstadt München abgelöst haben. Diese Botschaft aus einem Vergleich der Mieten in deutschen Städten durch das Forschungs- und Beratungsunternehmen F+B in Hamburg hat in der Landeshauptstadt umgehend Betroffenheit und Kritik ausgelöst. Letztere richtet sich sehr stark gegen Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), von dem man annimmt, dass er sich im kommenden Jahr erneut bei der OB-Wahl bewerben wird.

„Dass das Wohnen in Stuttgart mittlerweile so teuer ist wie in keiner anderen Großstadt, ist auch das Ergebnis einer verfehlten und wenig ambitionierten Wohnungspolitik des Oberbürgermeisters“, erklärte Martin Körner, Fraktionschef der SPD-Gemeinderatsfraktion, der für Beobachter im Rathaus auch ein wahrscheinlicher Bewerber bei der OB-Wahl ist. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) habe gesagt: „Wir brauchen viele neue Wohnungen, da führt kein Weg dran vorbei.“ In Stuttgart würden aber so wenige neue Wohnungen gebaut wie in kaum einer anderen deutschen Großstadt, sagte Körner. Die „restriktive und schlecht organisierte Wohnungspolitik der Stadtspitze“ räche sich jetzt. Stuttgart brauche dringend eine Offensive für mehr bezahlbaren Wohnraum.

Bald in der Preisklasse von Paris und New York?

Bernd Riexinger, Bundesvorsitzender von Die Linke und Bundestagsabgeordneter aus Stuttgart, sprach von einer „Bankrotterklärung der grünen Wohnraumpolitik in Baden-Württemberg“ und in Stuttgart, weil Stuttgart nach acht Jahren mit einem grünen Ministerpräsidenten und einem grünen OB die teuerste Großstadt in Deutschland sei. Riexinger: „Als nächstes tritt Stuttgart mit diesen Mietpreisen international in den Wettbewerb gegen Städte wie London, Paris und New York. Ein wahrlich grüner Erfolg.“ Die Grünen in Stadt und Land müssten endlich begreifen, dass der freie Markt kein Partner in der Lösung der Wohnraumkrise sein könne, sondern er das eigentliche Problem sei. Dringend notwendig seien ein Mietenstopp und ein Mietendeckel in ganz Baden-Württemberg. Zusätzlich müssten sozial geförderte Wohnungen entstehen. Wohnungen müssten von der öffentlichen Hand aufgekauft und neue bezahlbare, ökologisch modernisierte Wohnungen aufgebaut werden. Die Sozialbindung bei geförderten Wohnungen dürfe zudem nicht mehr auslaufen.

Die Linke beklagt einen „Bankrott“ und ein „Desaster“

Das Linksbündnis im Gemeinderat um die Linke und das Bürgerbündnis SÖS reagierte auch. Fraktionschef Thomas Adler (Linke) erkannte ein „politisches Armutszeugnis für den OB und die neoliberale Wohnungspolitik der Mehrheit im Gemeinderat“. Nun brauche es ordnungsrechtliche Maßnahmen wie Baugebote, die Beschlagnahmung von unbegründet leer stehendem Wohnraum und eine Nachverdichtungsoffensive. Außerdem seien ein Verkaufsstopp für städtische Grundstücke und der Bau von Gemeindewohnungen notwendig. Co-Fraktionschef Hannes Rockenbauch (SÖS), ebenfalls ein potenzieller OB-Bewerber, meinte: Die Studie spiegle das „wohnungs- und mietenpolitische Desaster der letzten Jahre“ wider und sei ein „klarer Handlungsauftrag für eine politische Regulierung“. Stuttgart ernte nun die Früchte einer jahrelangen Ausverkaufspolitik von Grund und Boden.

Die Studie hatte ergeben, dass Mieter in Deutschland im Durchschnitt momentan 7,04 Euro pro Quadratmeter zahlen. In Stuttgart dagegen betrage die Nettokaltmiete im Schnitt 10,41 Euro. Auch in München, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Köln lägen die Preise weit über dem deutschen Durchschnitt.