Er war ein genialer Architekt und eine Persönlichkeit mit einem bewegten Lebenslauf: Giovanni Salucci. Der Baumeister von König Wilhelm I. prägte mit seinen Bauten das Bild der Stadt.
Untertürkheim - Das Wilhelmspalais, Schloss Rosenstein und die Grabkapelle auf dem Württemberg kennt fast jeder Stuttgarter. Den Architekten, der die noch heute stadtbildprägenden Gebäude schuf, allerdings die wenigsten: Giovanni Salucci, ein genialer Architekt und eine schillernde Persönlichkeit. Der Todestag des gebürtigen Florentiners jährt sich dieses Jahr zum 175. Mal. Für Klaus Enslin, Vorsitzender des Bürgervereins Untertürkheim, ist dies der Anlass für eine beeindruckende Ausstellung, die von heute an in der Stadtteilbibliothek zu besichtigen ist.
„Man kann sich gar nicht vorstellen, wie Stuttgart ohne die Gebäude aussehen würde, die Salucci entworfen hatte“, sagt Enslin. Umso erstaunlicher ist, dass der Hofbaumeister von König Wilhelm I. heute fast in Vergessenheit geraten ist. „Es gibt auch kein Gemälde und kein Porträt von ihm“, sagt Enslin. Dabei weist der Italiener ein facettenreiches Leben auf: 1769 als Sohn wohlhabender Eltern geboren, begann er bereits als 14-Jähriger ein Studium der Architektur in der renommierten Accademia di Belle Arti. Doch er verkehrt in politischen Kreisen, die der Französischen Revolution nahe stehen. 1797 wird der revolutionäre Geist deswegen in Abwesenheit in Florenz zum Tod verurteilt. Salucci war nach Frankreich geflohen. Er tritt in die Armee ein und nimmt an Feldzügen teil. Danach folgt ein zehnjähriges Intermezzo als Architekt in Italien.
1812 kehrt er jedoch als Topograf in die Dienste des französischen Militärs zurück, nimmt an Napoleons Russlandfeldzug teil und fällt 1815 bei Waterloo in die Hände der Engländer. Nach der Entlassung aus der Gefangenschaft zieht er sich nach Genf zurück. „Für den Bankier Jean Gabriel Eynard entwarf er dessen Stadtpalais. Im Krieg nicht zerstört und toll renoviert, dient es heute den Genfern als Rathaus“, so Enslin. Eynard machte Salucci vermutlich auch mit dem im Oktober 1816 gekrönten König Wilhelm bekannt. Dieser engagierte Salucci als ersten königlichen Hofbaumeister. Er konnte sein Genie beweisen: 1818 baute Salucci den königlichen Sommerpavillon mit Gestüt in Weil. Im Bau vereinigen sich Klassizismus mit den modernen Errungenschaften der französischen Architektur. Er setzt als erster in Deutschland Eisen ein. Königin Katharina ist begeistert. Als die beliebte Monarchin 1819 stirbt, lud König Wilhelm verschiedene Architekten ein, Vorschläge für die Grabkapelle auf dem Württemberg zu entwerfen. Salucci legte unaufgefordert seine Ideen vor und gewann den Wettbewerb. „Allerdings musste er sein ursprüngliches Modell abspecken“, sagt Enslin und verweist auf die in der Stadtteilbibliothek ausgestellten Modelle: jenes vom ursprünglichen Entwurf und Günther Eiseles Nachbildung des heute von tausenden Touristen besuchten Mausoleums.
Eine kleine Schwester des klassizistischen Monuments überm Neckartal steht auf dem Heslacher Friedhof: das Grabmal für Natalia von Benckendorff. Bekannter sind zwei weitere Bauten Saluccis: das Schloss Rosenstein und der damalige Prinzessinnenpalast an der Neckarstraße, das spätere Wilhelmspalais, das heute als Stadtmuseum genutzt wird. Mehrfach trat Salucci danach in weiteren Wettbewerben an, wie die Ausstellung des Bürgervereins dokumentiert. Doch nur für die 1837 vollendete königliche Reithalle, die 1958 dem Neubau des Landtags weichen musste, erhielt Salucci den Zuschlag. Zwei Jahre danach fiel er bei König Wilhelm I endgültig in Ungnade. „Auslöser waren vermutlich Baumängel am Landhaus Rosenstein“, so Enslin. Der einstige Baumeister des Königs kehrte 1840 nach Florenz zurück, wo er 1845 einsam und verarmt starb. Nur ein Grabstein im Dominikanerkloster San Marco – und nun die Ausstellung – erinnert an die faszinierende Persönlichkeit.
Die Ausstellung „Giovanni Salucci – Projekte & Entwürfe“ kann im großen Saal der Stadtteilbibliothek, Strümpfelbacher Straße 45, noch bis 14. November zu den Öffnungszeiten der Bücherei angeschaut werden. Größere Gruppen müssen sich wegen Corona vorab anmelden.