Wohin führt der Weg bei Bosch? Der Standort in Waiblingen steht beim Automobilzulieferer auf der Streichliste. Foto: dpa

Die geplante Auflösung der Mobilitäts-Sparte in der Stauferstadt sorgt für Tränen in der Belegschaft. Der Waiblinger Oberbürgermeister Sebastian Wolf spricht von einem „herben Schlag“.

Die vom Bosch-Konzern wegen der Krise in der Automobilsparte angekündigte Schließung des Standorts in Waiblingen ist in der Stauferstadt auf bestürzte Reaktionen gestoßen. „Die Leute sind völlig geschockt“, sagte Frank Sell, Betriebsratsvorsitzender der Mobilitätssparte, bei einer kurzfristig einberufenen Videokonferenz am Donnerstag über die Gefühlslage bei sich und seinen Kollegen. Mit einem Abbauprogramm von bundesweit 13 000 Stellen sei der Automobilzulieferer „jetzt in einer Liga angekommen, die jenseits von gut und böse ist“.

In der Belegschaft werde die Befürchtung laut, dass das Traditionsunternehmen mit dem Verweis auf eine Finanzierungslücke von 2,5 Milliarden Euro sich komplett aus dem Automobilgeschäft zurückziehen könnte. „Was bleibt denn noch übrig, für das es sich zu kämpfen lohnt?“, sprach der Arbeitnehmervertreter von einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Existenzangst.

In Waiblingen sind etwa 560 Arbeitsplätze vom geplanten Aus betroffen

In Waiblingen sind laut dem Bosch-Arbeitsdirektor Stefan Grosch etwa 560 Arbeitsplätze von der geplanten Auflösung des Standorts betroffen. „Wir stehen zum Standort Deutschland und auch zu Europa. Aber wir müssen in einem Umfeld mit größten Herausforderungen und stark reduzierter Nachfrage unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten – und das geht nicht ohne die geplanten Maßnahmen“, sagt der Manager.

Bosch-Arbeitsdirektor Stefan Grosch: „Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten.“ Foto: Simon Granville

Allerdings bezieht sich das vorgesehene Abbauprogramm offenbar nur auf den Mobilitätsbereich. Neben der Fahrzeugsparte sitzen in der Stauferstadt auch als zukunftsträchtig geltende Geschäftsbereiche wie die auf Verbindungstechnik spezialisierte Tochter Power Solutions, ein Start-up für innovativen 3D-Druck oder die mit Lösungen für eine bessere Diagnostik in der Medizinbranche aktive Bosch Healthcare.

Unterm Strich dürften in Waiblingen deshalb etwas mehr als die Hälfte der insgesamt annähernd 1000 Arbeitsplätze wegfallen. „Es gibt extrem viele Tränen“, sagt Betriebsratschef Sell über die ersten Gespräche der Kollegen mit der Belegschaft. Der Arbeitnehmervertreter, im Robert-Bosch-Klinikum geboren und quasi als Familientradition in dritter Generation bei dem Automobilzulieferer beschäftigt, verspricht, bei den anstehenden Gesprächen über einen möglichst sozialverträglichen Personalabbau keinen Standort im Regen stehen zu lassen. „Wir werden kämpfen wie die Löwen“, sagt Sell.

Spricht von unter Schock stehenden Kollegen: Frank Sell, Betriebsratschef der Mobilitätssparte. Foto: AFP

Gleichzeitig übt der Betriebsratschef deutliche Kritik an der Politik. Die Transformationsprozesse in der Automobilindustrie hätten die Verantwortlichen verschlafen, mit dem Thema Wasserstoff drohe Deutschland schon die nächste Technologie zu verpassen. „Wir brauchen jetzt mehr als irgendwelche Gipfel, bei denen nichts rauskommt“, sagt er.

In die gleiche Kerbe schlägt Adrian Hermes, Konzernbeauftragter der Industriegewerkschaft Metall. Er zeigt sich „schwer enttäuscht“ über den aus seiner Sicht planlosen Stellenabbau, mit dem bereits vergangenes Jahr angekündigten Streichkurs beim Personal stünden bei Bosch mehr als 20.000 Arbeitsplätze auf der Kippe. „Ich halte das für höchst unverantwortlich, das sind über 20.000 Einzelschicksale“, sagt er.

Bestürzte Reaktion: Sebastian Wolf, Oberbürgermeister von Waiblingen Foto: Gottfried Stoppel

Auch im Waiblinger Rathaus gab es am Donnerstag eine bestürzte Reaktion auf die geplante Schließung des Mobilitäts-Standorts. „Die Entscheidung der Bosch-Konzernleitung bedauern wir außerordentlich. Der massive deutschlandweite Stellenabbau trifft die Region Stuttgart und unsere Stadt besonders. Diese Entwicklung ist ein herber Schlag für den Wirtschaftsstandort Waiblingen“, sagte Oberbürgermeister Sebastian Wolf, von der Werksleitung erst wenige Stunden vor der öffentlichen Bekanntgabe in einem persönlichen Gespräch informiert.

Er spricht von der klaren Erwartungshaltung an die Konzernspitze, dass das Unternehmen seiner Verantwortung für die Beschäftigten nachkommt. „In Gedanken sind wir bei den 560 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die teilweise schon jahrzehntelang für Bosch arbeiten“, sagt Rathauschef Wolf.

Für die Stadt ist das Aus bei Bosch bereits die dritte mit einem Arbeitsplatzabbau verbundene Hiobsbotschaft binnen weniger Monate. Erst im Frühjahr war bekannt geworden, dass der auf Lebensmittelbranche und Medizinindustrie spezialisierte Verpackungsspezialist Syntegon, vor fünf Jahren aus dem Bosch-Konzern ausgegründet, seinen Firmensitz ins schweizerische Beringen bei Schaffhausen verlagert und der Großteil der 700 bisher in Waiblingen beschäftigten Mitarbeiter neue Arbeitsplätze in Fellbach und Bad Cannstatt erhält.

Auch der Motorsägenhersteller Stihl plant einen personellen Aderlass. Laut Personalvorstand Michael Prohaska („Der Anzug muss dem Kerl passen“) werden am Stammsitz allein in der Verwaltung etwa hundert Mitarbeiter eingespart. Ein ähnlich großer Personalabbau ist mit der Verlagerung der Mähroboter-Entwicklung nach China verbunden.