Manfred Grempels, Betriebsleiter des Gepäckbereichs und der Transportdienste, steht im Gepäckverteiler des Flughafen Stuttgart. Foto: dpa/Marijan Murat

In Baden-Württemberg haben die Herbstferien begonnen. Am Flughafen Stuttgart wäre jetzt normalerweise Hochbetrieb. Wegen der Corona-Pandemie herrscht Flaute. Für Gepäckverteiler gibt es trotzdem einiges zu tun – sie stemmen pro Tag etwa 20 Durchschnittswagen.

Stuttgart - Manfred Grempels beschreibt den Flughafen wie eine Kleinstadt. Mit eigener Strom- und Wasserversorgung und vielen Läden. Egal, wo er hingeht, kennt er jemanden. „Das ist schön, wenn man zur Arbeit geht und überall sind gute Typen“, sagt er.

Grempels koordiniert am Stuttgarter Flughafen die Gepäckverteilung. Um ihn herum sausen Hunderte Koffer auf Fließbändern. Seine Arbeit findet oft unter Tage statt. Er liebt seinen Beruf, sagt er. „Das ist ein Job wie kein anderer. Den vermisse ich schon schnell.“

Coronavirus wirbelt Dienstplan durcheinander

Seit 2003 ist Grempels Abteilungsleiter im Gepäckbereich und für Transportdienste; er hat Verantwortung für etwa 70 Mitarbeiter. Der 37-Jährige hat einst selbst als „Schichter“ gearbeitet und schwere Koffer verladen. Während seine Mitarbeiter heute Tetris mit Koffern spielen, spielt er, so sagt er, Tetris mit Dienstplänen und schaut, ob seine Mitarbeiter alles richtig machen.

Das Coronavirus hat seinen Dienstplan durcheinandergewirbelt, der Flughafen ist in Kurzarbeit. Normalerweise arbeiten an einem Tag in den Herbstferien 35 Menschen im Gepäckverteiler, derzeit sind es nur 18. Rund eine Viertelmillion Passagiere waren im vergangenen Jahr während der Ferienwoche von Stuttgart aus geflogen. Der Flughafen rechnet nach Angaben einer Sprecherin jetzt mit nur etwa 40 000 Fluggästen. In diesem Jahr verzichten viele auf den Flug in die Wärme, wenn es zu Hause kalt wird.

Mitarbeiter tragen meistens kurze Hosen

Im Gepäckverteiler ist es fast das ganze Jahr über 23 Grad warm - Mitarbeiter tragen meistens kurze Hosen. Und laut ist es auch. „Der eine oder andere ist manchmal eingeschnappt, weil er etwas falsch verstanden hat“, sagt Grempels.

Wenn ein Koffer vom Reisenden abgegeben wird, fährt er in die Katakomben des Flughafens, plumpst in eine Schale und läuft auf einem Band, das etwa zwei Meter pro Sekunde schafft, auf dem sogenannten Sorter-Ring. Mehr als hundert Kameras überwachen den Ablauf im Inneren des Gepäckverteilers. Manchmal verhakt sich ein Koffer und muss von einem Mitarbeiter wieder entfernt werden.

Das Gepäck durchläuft bei dem Verdacht auf einen gefährlichen Inhalt mehrere Sicherheitsprüfungen. Wenn das Röntgen-System keine Vorbehalte hat, gelangt der Koffer in wenigen Minuten zu Mitarbeitern, die das Gepäck verladen. Beinhaltet der Koffer verdächtige Gegenstände, wird er mehrmals geprüft, teilweise auch von Geruchsdetektoren, die Sprengstoff erkennen können.

Verladen der Koffer ist ein Knochenjob

Manchmal sind es einfach tierische Probleme: Grempels erinnert sich an einen Schäferhund, der in einer provisorischen Box mit Drahtgeflecht verladen werden sollte. Die Mitarbeiter hatten so viel Angst vor dem Hund, dass die Besitzerin ausgerufen und den Hund im Gepäckbereich beruhigen musste. Das kommt selten vor, dass Passagiere dort hinein dürfen. „Die Besitzerin hat ein Kommando gegeben, und wir konnten ihn verladen“, sagt Grempels lachend.

Wenn das Röntgensystem den Verdacht auf einen verdächtigen Gegenstand nicht loswird, lenkt ein Förderband den Koffer in einen Raum der Bundespolizei. Manchmal beschwert sich das System über Spritzpistolen. Früher gab es auch mal bei eingeschweißten Maultaschen Alarm. „Das ist mittlerweile besser geworden“, berichtet Grempels. Dank besserer Technik werde mittlerweile weniger Gepäck herausgezogen.

Für die Mitarbeiter im Gepäckverteiler ist das Verladen der Koffer ein Knochenjob. „Die Arbeit hier ist besser als Fitnessstudio“, sagt ein „Schichter“, als er gerade den Koffer für einen Flug in die Türkei auf einen Gepäckanhänger bugsiert. Er rechnet vor, wie er an einem Tag, an dem gut zu tun ist, etwa 30 Tonnen an Gewicht verlädt - bei einem durchschnittlichen Gewicht von 20 Kilogramm. Das entspricht etwa 20 Durchschnittswagen.

Exoskelette erleichtern das Tragen

Damit die Rücken der Mitarbeiter mithalten, gibt es bestimmte Schlepp-Techniken, ein Fitnessstudio mit Physiotherapeuten und neuerdings sogenannte Exoskelette, die das Tragen erleichtern. Wenn ein 25 Kilogramm schwerer Koffer hochgehoben werden muss, fühlt sich die Last damit wesentlich leichter an, denn das Exoskelett mit futuristisch anmutenden Streben verteilt das Gewicht auf den oberen Rücken und die Beine.

Um die Mitarbeiter im Gepäckverteiler zu entlasten, gibt es meistens Drei- oder Vier-Tagesschichten. Manche seien schon seit 35 Jahren dabei - ohne Rückenbeschwerden. „Die haben eher andere Wehwehchen“, sagt Grempels. Wird der Job zukünftig automatisiert sein? Grempels glaubt nicht daran. Bereits 2008 gab es ein Projekt mit koffertragenden Robotern am Flughafen, das sei aber nicht über die Konzeptphase hinausgekommen. „Die Koffer sind so unterschiedlich von der Form. Der Roboter hat mehr Kraft, aber nicht das Feingefühl.“