Christian Geselle, Oberbürgermeister von Kassel, Reza Afisina, Ruangrupa, Leon Schniewind, Inhouse Designer Documenta und Sabine Schormann, Documenta-Generaldirektorin (von links) im Dezember 2020 vor dem Logo von der d15. Foto: dpa/Swen Pförtner

Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Documenta sorgen im Vorfeld der Weltkunstschau in Kassel für Schlagzeilen. Jetzt wehren sich die Veranstalter und erhalten Unterstützung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

Kassel - Schon Monate vor ihrem Beginn ist um die documenta fifteen eine hitzige Diskussion entbrannt. Der Vorwurf, es gebe bei der Planung der Weltkunstausstellung in Kassel antisemitische Tendenzen im Programm, zog weite mediale Kreise. Am Mittwoch meldete sich nun die documenta und Museum Fridericianum gGmbH in der Debatte zu Wort. Sie weist die Antisemitismusvorwürfe entschieden zurück. Zugleich kam Rückendeckung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und anderen Politikern.

Die Documenta gilt als die weltweit wichtigste Schau für zeitgenössische Kunst. Die 15. Ausgabe (documenta fifteen) findet vom 18. Juni bis 25. September 2022 in Kassel statt. Ein Bündnis hatte dem kuratierenden indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa vorgeworfen, dass auf der kommenden Documenta auch Organisationen eingebunden seien, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien.

Documenta verwehrt sich gegen Eingriffe

Grundlage der Documenta sei die Meinungsfreiheit einerseits und die entschiedene Ablehnung von Antisemitismus, Rassismus, Extremismus, Islamophobie und jeder Form von gewaltbereitem Fundamentalismus andererseits, teilte nun die gemeinnützige Gesellschaft mit. „Das Recht aller Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben in Frieden, Würde und Sicherheit ist für das Team der documenta fifteen elementar.“

Unter diesen Voraussetzungen sei es Aufgabe der documenta gGmbH, der Kunst Räume zu eröffnen, in denen unabhängige und konträre Diskurse stattfinden dürfen. „Verfälschende Berichte oder rassistische Diffamierungen, wie sie aktuell gegen Beteiligte der documenta fifteen vorgebracht werden, verhindern einen kritischen Dialog und eine produktive Debatte.“ Gegen externe Eingriffe in diesen künstlerischen Freiraum verwehre sich die documenta fifteen ausdrücklich.

Claudia Roth: Debatte über Kunstfreiheit ist richtig

Die Gesellschaft kündigte an, zeitnah Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen, darunter unter anderem Kolonialismus- und Rassismusforschung, Holocaust- und Antisemitismusforschung sowie Kunst und Kultur, zu einem internationalen Forum einladen zu wollen. „Im Sinne einer offenen und vielstimmigen Debatte“ solle dabei über „das Grundrecht der Kunstfreiheit angesichts von steigendem Rassismus und Antisemitismus und zunehmender Islamophobie“ diskutiert werden.

Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus

Kulturstaatsministerin Claudia Roth stellte sich hinter die Organisatoren. „Die Documenta ist eines der wichtigsten kulturellen Ereignisse in Deutschland und von höchster internationaler Bedeutung für Kunst und Kultur“, sagte die Grünen-Politikerin in Berlin. Sie habe „in einem intensiven Austausch“ mit Documenta, Stadt und Land gestanden und begrüße den Vorschlag für ein internationales Forum. „Ich finde es richtig, dass die Documenta Gelegenheit geben will, in eine Debatte einzutreten, um das Grundrecht der Kunstfreiheit angesichts des Kampfes gegen Rassismus und Antisemitismus und Islamophobie zu diskutieren und werde sie auf dem Weg dahin unterstützen.“

Sondersitzung geplant

Auch Hessens Kunstministerin Angela Dorn, die stellvertretende Vorsitzende des Documenta-Aufsichtsrates ist, begrüßte ein entsprechendes Forum. Rückendeckung erhielten die documenta und Ruangrupa auch von den drei ehemaligen Kasseler Oberbürgermeistern Wolfram Bremeier, Hans Eichel und Bertram Hilgen, in dieser Funktion selbst langjährige Aufsichtsratsvorsitzende der Schau. „Wir warnen eindringlich vor dem Versuch, die künstlerische Freiheit des Kuratorenteams der d15 anzutasten und dafür den Aufsichtsrat der Documenta zu instrumentalisieren“, teilten sie in einer gemeinsamen Erklärung mit. Nach dpa-Informationen soll es eine Sondersitzung des Aufsichtsrats bis zum Wochenende geben, um sich mit den Antisemitismus-Vorwürfen zu befassen.

OB Geselle weist Vorwürfe ebenfalls zurück

Der amtierende Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende der DocumentagGmbH, Christian Geselle, hatte die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Ruangrupa bereits am Wochenende zurückgewiesen. Am Mittwoch bekräftigte er erneut: „Einen Eingriff in die künstlerische Freiheit darf und wird es mit mir nicht geben – auch nicht durch Überprüfung oder gar Beschlüsse in den Gremien der Gesellschaft.“