Hochdosierte Jodtabletten wie diese sollte man nur auf Anweisung der Behörden einnehmen. Foto: dpa/Oliver Berg

Nachdem Wladimir Putin seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt hat, wird in sozialen Netzwerken über mögliche Schutzmaßnahmen diskutiert – unter anderem die Einnahme von Jodtabletten. Aber ist das sinnvoll? Wir klären auf.

Mit dem Angriff auf die Ukraine wächst bei vielen Menschen in Deutschland auch die Angst vor einem Krieg. Wie eine Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv ergab, befürchten 69 Prozent sogar, dass die Nato in den Konflikt hineingezogen wird, weil der russische Präsident Wladimir Putin ein Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses angreifen könnte und dass dies auch Deutschland direkt betreffen könnte.

Die Anordnung Putins, die Abschreckungskräfte seines Landes in Alarmbereitschaft zu versetzen, wird von Beobachtern zwar eher als Drohgebärde gewertet. Dennoch wird in sozialen Netzwerken nun diskutiert, ob man sich durch die Einnahme von Jodtabletten vor radioaktiver Strahlung schützen müsse. Offizielle Stellen warnen allerdings dringend davor, auf eigene Faust hochdosierte Jodtabletten zu schlucken.

Wir erklären, warum das Thema nun hochkocht:

Warum spielt die Einnahme von Jod bei radioaktiver Strahlung überhaupt eine Rolle?

Bei einem Unfall in einem Kernkraftwerk beispielsweise können Stoffe wie radioaktives Jod in der Luft freigesetzt werden, die sich in der Schilddrüse anreichern können. Das könne vor allem bei jüngeren Menschen zu Schilddrüsenkrebs führen, erklärt Joachim Feldkamp, Chefarzt der Klinik für Endokrinologie im Klinikum Bielefeld. Indem im richtigen Zeitfenster hochdosierte Jodtabletten eingenommen werden, kann diese Anreicherung verhindert werden. Man spricht von der sogenannten Jodblockade.

Die Einnahme schützt allerdings ausschließlich vor radioaktivem Jod in der Schilddrüse: „Sie schützen jedoch nicht vor den Folgen der Aufnahme anderer Radionuklide in den Körper, die bei einem möglichen Einsatz von Nuklearwaffen freigesetzt werden“, heißt es in einer Antwort des baden-württembergischen Innenministeriums.

Könnte die Einnahme wegen des Konflikts in der Ukraine nicht doch notwendig werden? Dort stehen ja auch Atomkraftwerke?

Aufgrund der Entfernung zur Ukraine sei nicht damit zu rechnen, dass eine Einnahme von Jodtabletten erforderlich werden könnte, heißt es auf der Informationsseite „Jodblockade.de“ des zuständigen Bundesumweltministeriums. In Deutschland werden die Tabletten im unwahrscheinlichen Fall eines Atomunfalls im Umkreis von 100 Kilometern zu Kernkraftwerken ausgegeben.

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Und wenn Atomwaffen zum Einsatz kämen?

Aktuell gehen Beobachter nicht davon aus, dass Russland Atomwaffen tatsächlich einsetzt. Der Militärexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sagte im Gespräch mit unserer Zeitung, es wäre falsch, jetzt in Panik zu verfallen. „Dass Putin jetzt mit der nuklearen Karte winkt, ist verständlich und stellt eine Drohung gegenüber dem Westen dar, er will uns erpressen.“ Er sehe nicht die Gefahr einer nuklearen Eskalation.

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Kann man das Jod prophylaktisch einnehmen?

Das Bundesamt für Strahlenschutz rät dringend davon ab, diese Tabletten auf eigene Faust einzunehmen. „Jodtabletten sollten nur nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Katastrophenschutzbehörden eingenommen werden – und nur in der von den Behörden genannten Dosis“, heißt es auf dessen Webseite.

Zum einen kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an, damit das Jod in der Schilddrüse nicht schon wieder abgebaut wird, wenn es gebraucht wird, erklärt Feldkamp. „Darüber werden die Behörden informieren.“ Zudem ist die Einnahme der hochdosierten Jodtabletten für manche Menschen mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Auch deshalb werden die Tabletten nur an die Bevölkerung im Alter unter 45 Jahren ausgegeben.

Woher bekommt man die Jodtabletten überhaupt?

Für die Lagerung und die Verteilung von Jodtabletten sind die Bundesländer zuständig. 2020 wurden die Bestände erneuert. Im Umkreis von Atomkraftwerken werden sie direkt an die Haushalte verteilt oder lokal etwa in Rathäusern auf Vorrat gehalten. Darüber hinaus werden bundesweit knapp 190 Millionen Jodtabletten an verschiedenen Standorten im Land gelagert.

In Baden-Württemberg stehen rund 35 Millionen Tabletten zur Verfügung. Im Ernstfall würden sie an Feuerwehrwachen, Rathäusern oder Apotheken ausgegeben. Wer sich selbst bevorraten möchte, kann die Tabletten rezeptfrei in der Apotheke kaufen. Allerdings seien zurzeit auch in Online-Apotheken keine Jodtabletten verfügbar.