Die Gewaltbereitschaft von Linksextremisten gegen die Polizei – wie hier in Leipzig-Connewitz – wächst. Foto: AFP/SEBASTIAN WILLNOW

Nach dem Angriff in der Silvesternacht auf einen Polizisten in Leipzig ermittelt das Terrorabwehrzentrum. Nun wird diskutiert, wie viel Gewalt von Linksextremisten ausgeht. Die Szene scheint sich zu verändern.

Berlin/Leipzig - Der Angriff auf einen Polizisten in Leipzig ruft Entsetzen hervor – und eine Debatte über brutale Gewalt von Linksextremen. Ein Überblick:

Was ist in Leipzig passiert? Das Polizeiliche Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum Sachsen ermittelt wegen versuchten Mordes an einem Polizisten in der Silvesternacht im Leipziger Szeneviertel Connewitz. Der 38 Jahre alte Beamte wurde bei einem Angriff schwer verletzt. Nach dem Stand der Ermittlungen feierten etwa 1000 Personen in dem Viertel, in dem es immer wieder zu Ausschreitungen kommt. Die Situation eskalierte nach Polizeiangaben, als eine Gruppe von Gewalttätern versucht habe, einen brennenden Einkaufswagen, der als Polizeiauto dekoriert war, in eine Gruppe von Polizisten zu schieben. Die Beamten seien mit Steinen, Flaschen und Pyrotechnik beschossen worden. Aus Polizeikreisen hieß es, dem später schwer verletzten Polizisten sei vor dem Angriff der Helm vom Kopf gerissen worden.

Hat Leipzig ein besonderes Problem mit Linksextremismus? Connewitz ist seit Jahren ein Hotspot der linksextremistischen Szene. Jüngst war die politische Auseinandersetzung um Mietpreise und Immobilien – Stichwort „Gentrifizierung“ – mit Brandstiftungen auf Baustellen und Gewalt gegen Menschen eskaliert. Feuerwehrleute wurden beim Löschen angegriffen. Zwei Vermummte verprügelten die Mitarbeiterin einer Immobilienfirma in ihrer Wohnung. Das Opfer sei verantwortlich für den Bau von Eigentumswohnungen, hieß es in einem Bekennerschreiben. Als Reaktion darauf gründete der Freistaat eine Sonderkommission. Leipzigs OB Burkhard Jung (SPD) sagte, die Angriffe hätten eine neue Dimension erreicht: „Da soll Angst verbreitet werden, das ist Terror.“ Es gebe Erkenntnisse, dass es ein „hartes, kleines, kriminelles und gewaltbereites Netzwerk“ gebe. Allein in Leipzig zählten die Ermittler 357 links motivierte Straftaten, 135 mehr als im Vorjahr. „Die Szene ist clever und extrem klandestin in ihrer Vorgehensweise“, so ein LKA-Sprecher. Laut Verfassungsschutz gehören 250 Personen hier dem autonomen Spektrum an.

Wie hat sich der politische Streit um die Ereignisse entzündet? Es geht um die Frage der Abgrenzung vom demokratischen linken Randzum Extremismus. Scharfe Kritik hatte die in Connewitz direkt gewählte Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel am Neujahrstag mit einem Tweet hervorgerufen, in dem sie der Polizei „ekelhafte“ Gewalt und „kalkulierte Provokation“ vorgeworfen hatte. Die Linke erntete heftige Kritik von CDU, SPD und auch AfD. Der CDU-Kreisverband warf seinerseits dem SPD- Oberbürgermeister vor, nichts gegen Linksextremismus unternommen zu haben. In Leipzig wird im Februar das Stadtoberhaupt gewählt. Inzwischen hat sich auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zu dem Angriff geäußert. „Diese Tat zeigt: Menschenverachtende Gewalt geht auch von Linksextremisten aus“, sagte er.

Ist Linksextremismus generell eine wachsende Gefahr? Die Zahl der Linksextremisten ist im Jahr 2018 um 8,5 Prozent auf 32 000 gestiegen – die der gewaltorientierten Personen blieb jedoch mit 9000 gleich. Die Zahl der Gewaltdelikte ging signifikant um 38,7 Prozent zurück – allerdings zeigt dies vor allem, dass ein Großereignis wie der G-20-Gipfel von Hamburg fehlte. Die Gewalt an sich verändert sich jedoch.

Ähnlich wie am rechten Rand beobachtet der Verfassungsschutz die Bestrebung „die natürliche Grenze zwischen extremistischen und bürgerlichen Protestformen aufzuweichen“. Dort, wo Linksextremisten gewaltorientiert sind, sinke die Hemmschwelle – besonders in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner und der Polizei. Der Konsens, Gewalt gegen Personen abzulehnen, erodiere, es gebe mehr verdeckte Gewaltaktionen.

Dafür gibt es aktuelle Beispiele. In Berlin ist zum zweiten Mal das Auto des konservativen Kolumnisten der Boulevardzeitung B.Z. vor dessen Haustür angezündet worden. Im Bekennerschreiben wird betont, der Journalist wohne mit seiner Familie im Erdgeschoss. In Tübingen wurde zwischen den Jahren das Gebäude und das Fahrzeug der Freikirche „Tübinger Offensive Stadtmission“ (TOS) Ziel von Farb- und Brandanschlägen. Dies seien nicht die ersten Angriffe von linksextremer Seite gegen die Gemeinde, so ein Pastor.