Zsofia Posgay macht derzeit Heimaturlaub in Ungarn. Foto: Baumann/Julia Rahn

Die gebürtige Ungarin Zsofia Posgay hat beim PSV Stuttgart eine Karriere begonnen, die sie bis zu Olympia führen könnte. Aber die Corona-Krise macht es der Medizinstudentin schwer, ihre großen Pläne in die Tat umzusetzen.

Stuttgart - Zsofia Posgay macht Urlaub am Balaton. Früh am Morgen, wenn es noch nicht so heiß ist, joggt sie fast eine Stunde um den ungarischen See, in den sie im Laufe des Tages zur Erfrischung natürlich auch hineinspringt. Der Balaton ist ihr Zuhause. In Veszprém wurde die 21 Jahre alte Florettfechterin als Tochter eines Ärzte-Ehepaares geboren. Aber seit 2009 hat Zsofia Posgay eine zweite Heimat – und das ist Stuttgart. Dorthin haben sich ihre Eltern beruflich verändert.

Damals fand Zsofia Posgay Unterschlupf beim PSV Stuttgart. Noch heute gehört sie dem Polizeisportverein an, auch wenn ihre sportliche Karriere Fahrt aufnimmt und sie inzwischen auch an den Standorten in Tauberbischofsheim und Bonn trainieren darf. Seit 1. August gehört sie dem Perspektivkader des Deutschen Fechterbundes an – das ist ein ganz wichtiger Schritt in ihrer Laufbahn, der den Einstieg in eine internationale Karriere bedeuten könnte. Das ist einerseits „toll“, wie sie sagt, zum anderen durchkreuzt jetzt aber die Corona-Krise ihre Pläne empfindlich. Nun, wo die junge Frau im Kreise der Nationalfechterinnen angekommen ist, darf sie nämlich gar nicht zeigen, was sie kann.

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„Es geht zurzeit ja jedem Sportler so“, sagt Zsofia Posgay und tröstet sich damit, dass die Pandemie nicht nur in ihrem Leben alles durcheinanderwirbelt. Während sich andere Sportarten ohne Zuschauer langsam wieder in die Normalität hineintasten, geht es im Fechtbetrieb kaum voran, die Aktiven stehen fast nur im Training auf der Planche. „Es heißt, dieses Jahr haben wir noch zwei nationale Wettkämpfe in Deutschland, aber das ist auch nur so anvisiert, es gibt noch nicht wirklich feste Zusagen“, sagt Zsofia Posgay. Und was internationale Wettkämpfe angehe, wisse man so gut wie gar nichts.

Hohe Auflagen für Turniere

Michael Kühner vom PSV Stuttgart ärgert sich über diese Phase der Ungewissheit. Vor allem weiß er gar nicht, wie ein Verein ein Fechtturnier überhaupt veranstalten soll. Der Deutsche Fechterbund hat einen Katalog mit Sicherheitsmaßnahmen erstellt, der für die Clubs praktisch nicht zu erfüllen ist. Man müsse sich das mal durchlesen, sagt Kühner über die 24-seitige Verordnung. „Für uns ist das nicht machbar“, meint der PSV-Abteilungsleiter und Cheftrainer im Hinblick auf ein mögliches Fechtturnier, das der Club in Zukunft veranstalten könnte – so er dazu in der Lage ist.

In dem Stuttgarter Verein wurde indes der Grundstein für die Karriere von Zsofia Posgay gelegt. „Ich habe noch nie so eine gute Schülerin gehabt“, schwärmt Kühner, der den Ehrgeiz, aber vor allem auch die Eleganz, mit der sich Zsofia Posgay bei ihren Gefechten bewegt, bewundert. Kühner ist ihr sportlicher Ziehvater, seit sie in Stuttgart ist. „Er hat mich dabei unterstützt, den deutschen Pass zu bekommen“, sagt die Fechterin, die sich an eine irre Tortur erinnert, bis sie endlich ihre neuen Papiere bekam. Normalerweise muss man sechs Jahre in der Bundesrepublik leben, um sie zu bekommen. „Bei mir ging es wegen des Sport etwas schneller“, erzählt Posgay. Auch dank der Hartnäckigkeit von Michael Kühner. „Das war damals der Wahnsinn“, erinnert sich dieser an die Amtsbesuche in Stuttgart.

Medizinstudium in Aachen

Für seine beste Schülerin geht es derweil nach dem Urlaub am Plattensee an der Universität weiter. Zsofia Posgay studiert Medizin in Aachen und wird wohl in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. Wäre Corona nicht, würde sie nach den Vorlesungen mit dem Auto eine Stunde lang nach Bonn zum Training fahren und später wieder zurück – der ganz normale Alltag. Solange noch Semesterferien sind, wird sie aber auch in Tauberbischofsheim trainieren – mit ihren neuen Kolleginnen aus der Nationalmannschaft.

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Nach Stuttgart geht es dann nur kurz zur Erholung. Dort wird sie von ihrer Mutter kulinarisch verwöhnt und darf ein bisschen die Seele baumeln lassen. „Das ist ganz wichtig für mich“, sagt die viel beschäftigte junge Frau, die dann zu Hause auch etwas träumen darf: von einer Teilnahme an Olympischen Spielen. „Über so etwas redet man nicht“, sagt sie, aber „cool“ wäre es schon.