Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck Foto: dpa/Frank Molter

Erst einmal eine gemeinsame Basis schaffen. Später dann ran an die Themen, bei denen es knirschen dürfte - die Sondierungsgespräche von SPD, Grünen und FDP laufen bislang relativ geräuschlos. Ob das in der kommenden Woche auch so sein wird?

Berlin - Bei Steuern, Schulden und der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen erwarten die Grünen in den Sondierungsgesprächen für eine „Ampel“-Koalition die größten Konflikte. Auf die Frage, was wohl das schwierigste Thema der nächsten Wochen sein werde, antwortete der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck im Deutschlandfunk: „Also, es gibt erkennbare Differenzen zwischen uns und vielleicht auch der SPD und der FDP beim Thema Finanzen. Und Finanzen heißt nicht nur Haushalt, sondern auch die investiven Möglichkeiten für den Klimaschutz bereitzustellen.“ Es sei ja nicht so, dass nun die Grünen sagten, „Wir müssen mehr für den Klimaschutz tun“, das habe schließlich schon die große Koalition festgelegt, meinte Habeck.

Deutschland sollte sich seiner Ansicht nach auf EU-Ebene für eine Lockerung der Vorgaben für die Rückzahlung von Schulden einsetzen. Die Corona-Krise habe die europäischen Länder in die Verschuldung getrieben. Er warnte: „Wenn man sie zwingt, diese Schulden, wie im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehen, über eine sehr strenge Schuldenregel zurückzuzahlen, dann wird es südeuropäischen Ländern nur mit massiven Kürzungen im Sozialbudget gelingen und dann regiert da am Ende der Faschismus.“

Die Teilnehmer der Sondierungs-Gesprächsrunden duzten sich zwar alle, berichtete Habeck. Als Zeichen großer inhaltlicher Übereinstimmung sei das aber nicht zu werten: „Wir haben inhaltlich jede Menge Konflikte, deswegen darf die vertrauensvolle Atmosphäre und das Bemühen, der Form nach auch einen anderen Stil zu prägen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch lange nicht durch ist, und dass die Differenzen zwischen den Parteien teilweise erheblich sind.“ Die Sondierungsgespräche zwischen SPD, Grünen und FDP sollen am Montag in Berlin fortgesetzt werden.

Die Grünen sind mit ihrer Co-Vorsitzenden und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bei der Bundestagswahl am 26. September mit 14,8 Prozent drittstärkste Kraft geworden, hinter SPD und CDU/CSU. Auf die Frage, welche Konsequenzen die Grünen aus dem für sie wohl nicht zufriedenstellenden Wahlergebnis ziehen wollen, sagte Habeck, die Grünen dürften jetzt nicht „eine Phase durchlaufen wie die Union“, wo über Fehler Einzelner gestritten und der Wahlkampf rekapituliert werde. Er wolle, „dass wir das alles notieren und festhalten. Aber die Aussprache danach und die Analyse dessen, für die Zukunft, die wird dann erst nach der Regierungsbildung erfolgen.“

Grüne Jugend erteilt Jamaika-Koalition klare Absage

Politiker der CDU betonten die aus ihrer Sicht großen inhaltlichen Differenzen der sondierenden Parteien. „Ich glaube, dass die FDP noch viele Kröten schlucken muss und Gefahr läuft, sich daran zu verschlucken“, sagte CDU-Vorstandsmitglied Henning Otte. Denn nicht nur bei Steuern und Schulden hätte es die FDP in einer „Ampel“-Koalition schwer, „weil sich SPD und Grüne ideologisch einfach näher stehen“.

Der „Einigungsdruck“ sei hoch, weshalb es am Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Dreierbündnis von SPD, Grünen und FDP hinauslaufen werde, sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU). Die enormen Differenzen dieser Partner seien dennoch augenfällig. Beispielsweise bei einem „politisch festgelegten Mindestlohn“, den die FDP ablehne. „Die Vorstellungen von Grünen und FDP im Bereich der illegalen Migration liegen meilenweit auseinander“, sagte Frei, ebenso in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik oder in Sachen Infrastruktur. „Bei solchen Unterschieden kann die Ampel leicht zu einer Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners werden“, die Folge wäre dann nicht der vielbeschworene Aufbruch, sondern Stillstand.

Eine weiterhin mögliche Jamaika-Koalition von CDU/CSU, Grünen und FDP erteilte die Grüne Jugend am Samstag eine klare Absage. Die Union stehe für eine „zukunftsfeindliche Politik“, heißt es in einem Dringlichkeitsantrag des Vorstands, den der Bundeskongress der Grünen-Nachwuchsorganisation in Erfurt verabschiedete. „Für uns kommt eine Jamaika-Koalition nicht in Frage.“

Bundesgeschäftsführerin Klara Sendelbach, machte deutlich, dass die Nachwuchsorganisation auch die laufenden Sondierungen über eine Regierungsbildung mit SPD und FDP kritisch begleiten will. „Eine Ampel ist kein Selbstzweck, Regieren ist kein Selbstzweck“, sagte sie vor den laut Veranstaltern etwa 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Es gebe nun Mehrheiten für eine Regierung ohne die Union, betonte der scheidende Bundessprecher der Grünen Jugend, Georg Kurz. Dennoch werde es weiter „jede Menge Druck“ brauchen. Wenn die Grünen sich an der nächsten Bundesregierung beteiligten, dann gehe das nur, „wenn das Klima zu 100 Prozent geschützt wird, das Pariser Klimaschutzabkommen die Basis allen Handelns in allen Sektoren ist“ und es dafür Sofortmaßnahmen gebe. Kurz forderte Investitionen in Infrastruktur, ein Ende der „irren Ungleichheit“ in sozialen Fragen sowie den Schutz von Menschenrechten insbesondere von Geflüchteten.