Amon-Ra St. Brown jubelt, nachdem er in der 3. Draft-Runde von den Detroit Lions gezogen wurde. Foto: dpa/Maximilian Haupt

Seit seiner Kindheit hat der deutsche Footballspieler Amon-Ra St. Brown darauf hingearbeitet, in die NFL geholt zu werden. Mit einer Party soll der Moment beim Draft gefeiert werden – und dann klingelt das Telefon einfach nicht. Über einen Footballer, der schon vor dem ersten Spiel einstecken musste.

Lake Forest - Wie man arbeitet und was sich gehört, muss Amon-Ra St. Brown niemand mehr beibringen. Der 21-Jährige mit deutscher Mutter und amerikanischem Vater hat eine emotionale Achterbahnfahrt hinter sich. Am Freitag (Ortszeit) ist der angehende Football-Profi leer ausgegangen, entgegen der Prognosen hat ihn keines der NFL-Teams angerufen. Die Gäste waren da, die Party fiel aus. Nach einer Nacht mit viel Wut kommt der Anruf von den Detroit Lions schließlich am Samstagmorgen. St. Brown frühstückt gerade. Feuchte Augen, Schulterklopfer, lange Umarmungen folgen. Via Videocall gibt es die ersten Interviews. Und dann? Räumt St. Brown auf. Sammelt draußen geplatzte Luftballons ein und stopft Geschenkband in eine Tüte.

St. Brown ist sich nicht zu schade. Nicht fürs Saubermachen im Haus der Eltern seiner Freundin, die mit weit geöffneten Schiebetüren und viel Durchzug genug Platz für 40 oder 50 Gäste auch in Coronazeiten anboten. Und auch nicht für die Drecksarbeit auf dem Football-Feld. Blocken, ein Bereich mit dem man es normalerweise nicht in Highlightvideos schafft, zählt zu seinen Stärken. „Was immer ich machen muss, das werde ich machen“, sagt St. Brown und verspricht allen Fans seines neuen Teams: „Die können sich auf einen Spieler freuen, der hart arbeitet.“

Schließlich schlagen die Detroit Lions zu

Die Chance auf viele Videoschnipsel, die sich social-media-tauglich für Instagram und Co. aufbereiten lassen, ist bei den Detroit Lions allerdings sogar recht hoch. Vor allem im Vergleich mit den Green Bay Packers seines Bruders Equanimeous St. Brown oder den New England Patriots mit dem Stuttgarter Jakob Johnson hat Amon-Ra St. Brown zwar eine Mannschaft ohne klangvollen Namen erwischt – die aber auch keine etablierten Konkurrenten auf seiner Position als Passempfänger hat.

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„Die Mannschaft ist nicht supergut. Ich weiß, dass die nicht viele Receiver haben. Hoffentlich kann er dann sofort spielen und hoffentlich haben die dann eine bessere Saison als die letzten paar Jahre“, sagt Amon-Ras drei Jahre älterer Bruder Equanimeous.

Amon-Ra St. Brown hofft auf Spielzeit

Dass sein jüngerer Bruder nun deutlich vor ihm ausgewählt worden ist, stört ihn kein bisschen. Equanimeous St. Brown haben die Packers vor drei Jahren in der sechsten Runde an Position 207 ausgewählt, Amon-Ra war nun in Runde vier an Position 112 dran. „ Ich weiß, wie gut er ist, und ich weiß, wie ich mich gefühlt habe. Und ich wollte nicht, dass er das auch fühlt“, sagt der 24-Jährige. Denn auch bei ihm waren die Prognosen 2018 viel besser als die Realität.

Beim Draft dürfen die 32 NFL-Teams abwechselnd junge Spieler auswählen. Die angehenden Profis haben kein Mitspracherecht, in welcher Mannschaft sie ihre Karriere beginnen. Die schlechtesten Teams der vergangenen Saison fangen an. Für die Spieler, die in den Mannschaften ihrer Colleges meistens Stars waren, bleibt nur Warten.

Amon-Ra St. Brown hat das am Freitag erfahren müssen. Irgendwann saß er statt auf dem Sofa in der Raummitte ganz hinten auf den Treppen neben seiner Mutter Miriam, einer Leverkusenerin, und schaute nicht mal mehr zur Kontrolle auf sein Handy. „Da zu sitzen und dein Kind zu sehen und nichts passiert, das ist der Horror“, sagt sie. Bevor er den Frust in der Garage mit ein paar Fangübungen versucht zu bewältigen, verabschiedet sich Amon-Ra St. Brown bei jedem Gast per Handschlag.

Am Samstag ist es dann gut ein Dutzend Leute, das um die Kücheninsel steht und nach und nach verstummt, als der Anruf aus Detroit kommt. Nach der Umarmung mit Mutter Miriam sind die Augen feucht. Kurz danach räumt Amon-Ra St. Brown auf. Arbeiten, das kann er.