Nur im Ausnahmefall dürfen Besucher das Gebiet der Indigenen betreten, damit die Region und ihre Bewohner vor dem Coronavirus geschützt bleiben. Foto: AP/Eraldo Peres

Von Anfang an haben sie sich streng abgeschottet: die Tembé im brasilianischen Amazonasgebiet. Deshalb kamen sie bislang gut durch die Corona-Pandemie. Ein Grund zum Feiern.

Alto Rio Guama - Ein Holztor versperrt den Zugang, gesichert mit Schloss und Kette: Die Dörfer der Tembé im brasilianischen Amazonasgebiet sind seit Monaten strikt abgeriegelt. Nur im Ausnahmefall dürfen Besucher das Gebiet der Indigenen betreten, damit die Region und ihre Bewohner vor dem Coronavirus geschützt bleiben.

Heute ist so ein Ausnahmefall. „Sie sind eingeladen“, sagt Regis Tufo Moreira Tembé zum Gast, der an dem Tor auf Einlass wartet. Eine Gruppe von indigenen Ureinwohnern ist, bewaffnet mit Schrotflinten und Bögen, zusammen mit dem 33-jährigen Regis auf Motorrädern gekommen, um den Besucher zu begrüßen. Sie öffnen das Schloss und nehmen die Kette ab. „Was wir tun, ist für alle und zu unserem Wohl“, erklärt Regis Tufo Moreira Tembé die Sperre.

Seit März wurde der Zugang nur selten gewährt, auch die Dorfbewohner verzichten so weit wie möglich auf die Passage. Bislang mit großem Erfolg: In den vergangenen sechs Monaten wurde hier keine einzige Corona-Infektion bekannt. Zum halbjährigen Jubiläum ist nun eine Feier angesetzt. Und ein Fotograf der Associated Press darf dabei sein.

Tembé gehören zum Volk der Tenetehara

Die Tembé gehören zum Volk der Tenetehara und leben im Indigenen-Gebiet Alto Rio Guama am westlichen Rande des Staates Para. Als das Coronavirus immer mehr Regionen indigener Völker in Brasilien erreichte, entschieden die Tembé-Völker von Cajueiro, Tekohaw und Canindé, ihre Gegend abzuschotten.Die Zufahrt wurde geschlossen. Nur im Notfall durften Bewohner nach draußen, aber nicht für Besorgungen in der Stadt. Eingelassen wurden nur Mitarbeiter des staatlichen indigenen Gesundheitsdienstes SESAI.

„Wir sind nicht in die Stadt, wir sind nicht in andere Dörfer gegangen. Wir sind in Quarantäne geblieben“, sagt der Dorfälteste von Tekohaw, Sérgio Muxi Tembé. „So sind wir gut durchgekommen“, erklärt er. „Deshalb veranstalten wir jetzt eine kleine Feier. Und deshalb sind wir auch glücklich, keine aktuellen Fälle zu haben.“ Inzwischen gehen auch die Corona-Infektionszahlen in Para zurück, was die Tembé weiter aufatmen lässt.

An diesem Nachmittag versammeln sich die Frauen von Tekohow, um das Festessen zuzubereiten: riesige Töpfe voller Maniok und Reis, dazu gerösteten Tucunare-Fisch auf Bananenblättern. Es waren auch die Frauen aus den Dörfern, die sich gleich zu Beginn der Pandemie zu Gruppen zusammenfanden und über das Coronavirus, seine Übertragung und die Gefahren aufklärten.

Volk blieb vom Coronavirus weitgehend verschont

„Wir entschlossen uns, eine Gruppe aufzubauen, um den Familien eine bessere Orientierung zu bieten“, sagt Sandra Tembé. Trotz der Warnungen und Anweisungen der Gesundheitsdienste hätten zu Beginn noch viele den Sinn der Selbstisolierung nicht verstanden. „Am Anfang war es sehr schwer“, berichtet die 48-jährige Lehrerin. Immer wieder sei ihnen skeptisch die Frage nach dem Warum gestellt worden. „Dieser Moment war sehr kritisch.“

Sandra Tembé ist dankbar, dass die Menschen schließlich zuhörten und die Einsicht gewann. Und dass ihr Volk so vom Coronavirus bislang weitgehend verschont blieb. Nach Zahlen der Indigenen-Organisation APIB, die sich auf Daten des Gesundheitsministeriums und Informationen aus den Ortschaften stützen, gab es schon mehr als 31 000 bestätigte Corona-Infektionen und etwa 800 Todesfälle in der indigenen Gemeinschaft des Landes.

Um die Abwehrkräfte der Alten und Schwachen zu stärken, verteilten die Tembé zusätzlich traditionelle Kräuter. Paulo Sergio Tembé zeigt sie in seiner Hütte dem Besucher. Als die Sonne untergeht, flammen zwei Freudenfeuer auf. Vor ihnen würdigen die Dorfältesten, dass die Tembé bisher so gut durch die Pandemie kamen. Sie loben alle für ihre Einsicht und ihr Durchhaltevermögen. Nach und nach kommen immer mehr Menschen, tanzen und singen. Kinder fassen sich an die Schultern und umkreisen tanzend eines der Feuer.

Am nächsten Morgen legen die Dorfbewohner ihren traditionellen Federschmuck an und bemalen ihre Körper. Zum Rhythmus von Maracas-Rasseln, die die Ältesten und die Anführer des Dorfes spielen, tanzen sie noch einmal dort, wo am Abend die Feuer loderten. Nach zwei Stunden wird es still, die Menschen nehmen ihre tägliche Arbeit in den Hütten, auf den Feldern, im Wald auf.