In der letzten Woche hatte sich die Seebrücke Kirchheim am Neckar an den Ministerpräsidenten und die Justizministerin gewandt, um doch eine Rückkehr des Altenpflegehelfers Sedia Kijera zu erreichen. Doch die verweisen auf Recht und Gesetz.
Nachdem Götz Schwarzkopf, Sprecher der Kirchheimer Ortsgruppe der Flüchtlingsorganisation Seebrücke, aus unserer Zeitung erfahren hatte, dass das Regierungspräsidium Stuttgart ein Arbeitsvisum für seinen Schützling Sedia Kijera verweigert hat, wandte er sich mit offenen Briefen an die Landespolitik – unter anderem an Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Justizministerin Marion Gentges. Er bat darum, die ganze Situation zu betrachten und nicht nur den politischen Willen durchzusetzen. An Kretschmann appellierte er, dahingehend Einfluss auf die Justizministerin zu nehmen. Er argumentierte, der Gambier Kijera werde an seinem Arbeitsplatz im Kirchheimer Awo-Pflegeheim dringend gebraucht und sei in seinem dortigen Umfeld gut integriert.
Indes: Mit politischem Willen habe das Ganze nichts zu tun. Das machte die Pressestelle des Staatsministeriums unserer Zeitung gegenüber deutlich: Das Staatsministerium habe großes Verständnis für das Engagement, es stehe aber nicht über dem Gesetz und auch nicht über den Institutionen, die sich gegen eine Rückkehr des gambischen Altenpflegehelfers ausgesprochen haben. „Die Prüfung und rechtliche Beurteilung erfolgt durch die zuständigen Behörden nach rein fachlichen und rechtlichen Kriterien. Für Härtefälle gibt es darüber hinaus den Petitionsausschuss des Landtags und die Härtefallkommission. Beide haben das Anliegen abgelehnt“, so die Pressestelle.
Ministerium sieht keine Gründe für eine Ausnahmeregelung
Das Justizministerium hat eine ausführlichere Stellungnahme abgegeben: „Die Erteilung eines Visums zur Einreise setzt voraus, dass die Abschiebungskosten beglichen sind und dass alle allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind. Im vorliegenden Fall stehen die nicht beglichenen Abschiebungskosten“, heißt es weiter, „sowie ein Ausweisungsinteresse der Erteilung des Visums entgegen.“
Das Ausweisungsinteresse wiege besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer Straftaten nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sei, egal, ob diese zur Bewährung ausgesetzt sei oder nicht. Kijera wurde wegen des Handels mit Betäubungsmitteln – konkret Marihuana – zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und secht Monaten auf Bewährung verurteilt.
Eine Ausnahme komme nur in Betracht, heißt es weiter aus dem Justizministerium, wenn humanitäre Gründe oder ein Familiennachzug einen Ermessensspielraum eröffneten. Dies sei aber hier nicht der Fall.
Das Gesetz darf nicht unterlaufen werden
„Wille des Gesetzes ist es, bei Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung die Erteilung des Aufenthaltstitels zu verweigern. Diese grundsätzliche gesetzgeberische Entscheidung darf nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterlaufen werden. Dies gilt umso mehr, wenn sich das entgegenstehende Ausweisungsinteresse – wie im vorliegenden Fall – auf einem schwerwiegenden Verstoß gegen hochrangige Rechtsgüter begründet.“ Bei Kijera könne man auch nicht von einem Sonderfall ausgehen, Gründe für eine Abweichung vom Gesetz seien nicht gegeben.
Zuvor hatte das Ludwigsburger Landratsamt im Gegensatz dazu keinen Hinderungsgrund für eine Wiedereinreise gesehen und sieht ihn weiterhin nicht, erklärt Pressesprecher Andreas Fritz: „Unsere Rechtsauffassung wird vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt. Im Rahmen des Visumverfahrens hat das Landratsamt eine intensive Vorabprüfung gemacht. Darüber hinaus hatte das Regierungspräsidium zu keinem Zeitpunkt den Eintrag ins Bundeszentralregister als Hinderungsgrund angeführt – Thema war immer nur die ausstehende Zahlung.“ An Kosten, die durch seine Abschiebehaft entstanden sind, soll Kijera 33 000 Euro zahlen.
Der Ausländerbehörde des Landkreises sind die Hände gebunden
Dass die Ausländerbehörde des Landratsamts eine andere Auffassung vertritt als das Regierungspräsidium und das Justizministerium, wird am Ergebnis nichts ändern. „Das Regierungspräsidium ist die übergeordnete Behörde“, so Andreas Fritz schlicht. Im Klartext: Ober sticht Unter.
Götz Schwarzkopf hat aus dem Staatsministerium eine Antwort erhalten, die in weiten Teilen der Stellungnahme des Justizministeriums entspricht. In Kijeras Fall bestehe kein Ermessensspielraum, und es könne nicht im Interesse des Landes sein, Personen mit einer Vorverurteilung zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe ein Bleiberecht zu gewähren. Gegen die Ablehnung des Visums könne Kijera klagen, die Erfolgsaussichten könne man nicht beurteilen.
Wenn eine Antwort aus dem Justizministerium auf den offenen Brief Schwarzkopfs eingegangen ist, wollen sich er und andere Unterstützer Kijeras mit einem Anwalt beraten – und dann vielleicht auch den Rechtsweg beschreiten. „Gerne mache ich so etwas nicht“, sagt Schwarzkopf. Schon deshalb, weil man dann in einer Wartestellung sei und nicht wisse, wie lange es dauere.
Kurzer Rückblick auf die Geschichte von Sedia Kijera
Im Jahr 2015
kam Sedia Kijera aus Gambia nach Deutschland. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er blieb – duldungsweise. 2019 erhielt er wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Ab Februar 2021
arbeitete Kijera zunächst als ungelernter Pflegehelfer im Awo-Pflegeheim in Kirchheim, wo er auch seine Sozialstunden ableistete. Das Heim bot ihm die Ausbildung zum Pflegehelfer an, die er erfolgreich abschloss. Anfang Dezember 2023 wurde er aus der Frühschicht abgeholt, um abgeschoben zu werden. Um die Chance auf Wiedereinreise mit einem Arbeitsvisum zu haben, reiste der Flüchtling im Februar freiwillig aus. Aus Sicht der Ausländerbehörde des Landkreises Ludwigsburg ist Kijera resozialisiert, gut integriert und leistet wichtige Arbeit. Ein Ausweisungsinteresse wegen der begangenen Straftat sieht die Behörde, anders als das Justizministerium, nicht.