Das kleine Flugzeug D-EFIV lädt im Jahr 1958 zum Rundflug über Stuttgart ein. Foto: Thomas Mack

Bei unserer Zeitreise hebt das Stuttgart-Album heute ab: 1958 hat der Rundflug 15 D-Mark gekostet. Auf den Luftbildern sehen wir einen runden Eckensee. Über den Zaun des Flughafens hätte man leicht steigen und aufs Rollfeld gelangen können.

Stuttgart - 1958 ist das Jahr, in dem Bundespräsident Theodor Heuss den Neckarhafen in Wangen eröffnet, der Wagenburgtunnel, als Luftschutzraum konzipiert, für den Verkehr freigegeben wird und im Hauptbahnhof 120 italienische Maurer und Hilfskräfte als erste Gastarbeiter in Stuttgart eintreffen. Im Juni dieses Jahres gelingt zwei US-Düsenjetpiloten eine abenteuerliche Notlandung auf dem Stuttgarter Flughafen. Hätten sie ihre defekten Militärmaschinen mit dem Schleudersitz verlassen, wären diese wahrscheinlich im dicht besiedelten Stadtgebiet abgestürzt. OB Arnulf Klett lädt die beiden Soldaten in den Gemeinderat ein, um sich bei ihnen gebührend zu bedanken.

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In diesem Jahr 1958 können sich nur wenige einen Rundflug über die Stadt leisten. Aus heutiger Sicht erscheint der Preis nicht hoch: 15 D-Mark kostet es damals, aus der Vogelperspektive auf den Feuersee, auf den Bahnhof, auf Ladenprovisorien auf dem heutigen Platz des Planetariums, auf die Ruine des Schauspielhauses schauen zu können. Für 15 Mark muss man in dieser Zeit zwei Tage arbeiten. Der Durchschnittsstundenlohn beträgt 1958 nämlich 80 Pfennig.

1939 ist der neue Flughafen auf den Fildern fertig

Erst drei Jahre davor hat Lufthansa in Stuttgart den Flugbetrieb aufgenommen. 1954 ist der nördliche Teil des Flughafens mit dem Terminal sowie das Rollfeld für die zivile Nutzung freigegeben worden.

Fertig gebaut ist der Flughafen auf den Fildern im September 1939. Der Zweite Weltkrieg verhindert die offizielle Inbetriebnahme, Stuttgart wird Fliegerhorst. Die SS richtet hier 1944 ein KZ-Außenlager für 600 jüdische Häftlinge ein. Sie werden in einem Hangar gefangen gehalten und müssen in einem Steinbruch arbeiten sowie Straßen vom Flughafen zur Autobahn bauen. 119 Männer sterben an den unmenschlichen Bedingungen des Lagers.

1963 beginnt das Zeitalter der Charterflüge

Die Geschichte des Stuttgarter Flughafens, der sich zuvor bei Böblingen befand, beginnt mit einem dunklen Kapitel. 1948 wird das Gelände von den Besatzungsmächten an die Stadt Stuttgart übergeben – Startschuss für den zivilen Flugbetrieb. Mit dem Wirtschaftswunder wächst die Sehnsucht nach fernen Stränden. Schon 1954 haben Kurt und Else Hetzel die ersten Sizilien-Sonderzüge mit sonnenhungrigen Schwaben gefüllt. Der geschäftliche Höhenflug gelingt ihnen 1963, als sie eine propellergetriebene DC 7 nach Barcelona schicken – das Zeitalter der Charterflüge hat begonnen.

Doch kehren wir ins Jahr 1958 zurück: Der kleine Thomas Mack, von dem wir die großartigen Fotos vom früheren Flughafen bekommen haben, fährt mit seinem Vater zum Rundflug. Das Kind schaut von unten zu. „15 Mark war zu teuer“, erinnert sich Mack. Die Karten kauft man in einem Holzhäuschen, das am Zaun steht. Der Junge bleibt auf der Besucherterrasse. Dort ist immer was los. „Wer nur zum Kaffeetrinken auf die Terrasse kam“, erinnert sich Peter Kodweiß im Internet-Forum unseres Stuttgart-Albums, „galt damals als Weltmensch und Abenteurer.“

Eckig wurde der Theatersee 1961 zur Bundesgartenschau

Von dort kann man quasi mit der Hand nach den Flugzeugen greifen. Kinderleicht wäre es gewesen, direkt aufs Rollfeld zu marschieren. Über einen kleinen Zaun hätte man steigen müssen. Als es noch genügend Öl gibt, denkt keiner an Flugzeugentführungen. Heute erinnert der Zaun auf der Besucherterrasse auf der fünften Ebene des 2004 eröffneten Terminals 3 an den Hochsicherheitstrakt einer Vollzugsanstalt.

Der Vater von Thomas Mack hat beim Rundflug seine Heimatstadt von oben abgelichtet. Man sieht etwa rauchende Loks beim Stuttgarter Hauptbahnhof. Der Güterbahnhof befindet sich dort, wo heute das Europaviertel steht. Der Eckensee ist noch rund. Eckig ist der Theatersee mit der Bundesgartenschau 1961 geworden. Die Landschaftsgärtner schufen geometrische Formen, die sie für attraktiver hielten. Bäume mussten weichen, und der Rosengarten vor dem Neuen Schloss verlor zugunsten eines Plattenbelags einen Großteil seiner Bepflanzung.

„Da liefen noch alle Passagiere zu Fuß zum Flugzeug“

Auf einem weiteren Luftbild ist die Ruine des 1944 im Krieg zerstörten Kleinen Hauses zu sehen. 1959 beginnen die Bauarbeiten für das Schauspielhaus, das 1962 eröffnet wird. Der Schwaben-Comedian Teflon Fonfara („Frau Kächele und Frau Peters“) ist in jenem Jahr 1958 zum ersten Mal geflogen und weiß noch genau: „Da sind noch alle Passagiere zu Fuß zum Flugzeug gelaufen.“

Diskutieren Sie mit unter: www.facebook.com/Album.Stuttgart. Zu unserer Serie sind drei Bücher erschienen, zuletzt „Das Beste aus dem Stuttgart-Album“.