Bis 2030 kein Billigfleisch im Sortiment – das ist das Ziel von Aldi. Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Schweine in Ställen ohne Frischluft, eng aufeinander hockende Hühner – solche Bilder werden mit dem Begriff „Billigfleisch“ verbunden. Aldi will solches Fleisch schrittweise aus den Kühltheken nehmen. Von Tierschützern gibt es Lob, die Konkurrenz verweist auf eigene Pläne.

Essen/Mülheim - Aus den Kühlregalen großer Lebensmittelhändler soll schrittweise Fleisch aus wenig tiergerechter Haltung verschwinden. Die Discounter Aldi Nord und Aldi Süd kündigten am Freitag an, bis 2030 den Verkauf von Fleisch einzustellen, das in reiner Stallhaltung produziert wird, ohne dass die Tiere jemals an der Luft sind und Sonne sehen. Schon 2025 wollen die beiden Ketten kein Fleisch mehr anbieten, bei dem die Tierhaltung nur die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. Tierschützer und Politiker begrüßten die Ankündigung, der Bauernverband forderte, den Worten Taten folgen zu lassen.

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Fleisch dürfe keine Ramschware sein, kommentierte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Ankündigung von Aldi. „Entscheidend ist, dass die jetzige Zusage kein PR-Gag ist, sondern am Ende die besseren Preise auch bei den Landwirten ankommen, die mehr fürs Tierwohl tun“, forderte die CDU-Politikerin. Zudem müssten auch die verarbeiteten Produkte in den Blick genommen werden.

Aldi und andere große Lebensmittelhändler hatten 2019 ein vierstufiges System der Haltungskennzeichnung eingeführt. Stufe 1 „Stallhaltung“ entspricht lediglich den gesetzlichen Anforderungen, in Stufe 2 „Stallhaltung Plus“ gibt es etwas mehr Platz. Mehr Raum sowie Frischluft-Kontakt haben die Tiere bei Stufe 3 „Außenklima“. Bei Stufe 4 „Premium“ haben sie außerdem Auslaufmöglichkeiten im Freien. Auch Biofleisch wird in diese Stufe eingeordnet.

Aldi als Vorreiter bei der Umstellung?

Aldi will bis 2025 vollständig auf Fleisch von Rind, Schwein, Hähnchen und Pute aus der Haltungsform 1 verzichten. Ein Jahr später soll dann ein Drittel des Frischfleisch-Umsatzes aus den Stufen 3 und 4 kommen, derzeit sind es 12 bis 13 Prozent. Ab 2030 will Aldi kein Fleisch der beiden unteren Haltungsstufen mehr verkaufen. Mit diesem Zeitplan gebe Aldi „Landwirten und Verarbeitern über Jahre hinaus Planungssicherheit“, sagte Aldi-Nord-Manager Tobias Heinbockel. Aldi Nord und Süd haben nach eigenen Angaben einen Marktanteil von rund 24 Prozent am SB-Fleisch.

Aldi sieht sich als Vorreiter bei der Umstellung der Haltungsformen. In einer Reaktion auf die Aldi-Ankündigung teilte die Handelskette Rewe mit, sie strebe an, in den Supermärkten und bei der Discount-Tochter Penny bis Ende 2030 „im gesamten Eigenmarken-Frischfleischsortiment (Schwein, Rind und Geflügel) ausschließlich Haltungsformstufe 3 und 4 anzubieten“. Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka plant, „kurzfristig auf die Haltungsstufe 1 und längerfristig auf die Haltungsstufe 2 bei Frischfleisch zu verzichten“. Die konkreten Ziele will Edeka „aus Wettbewerbsgründen aktuell noch nicht nennen“.

Wie viel Aldi-Kundinnen und -Kunden künftig mehr für das Fleisch bezahlen müssen, ließen die Unternehmen offen. Die Umstellung könne „natürlich nicht auf dem Preisniveau von Haltungsstufe 1 und 2“ erfolgen, sagte ein Unternehmenssprecher. Die Entwicklung nach 2025 lasse sich heute noch nicht prognostizieren. Aldi werde den Haltungswechsel aber „nicht auf den Rücken der Landwirte“ austragen.

Reaktionen fallen unterschiedlich aus

Der Deutsche Bauernverband reagierte zurückhaltend auf die Ankündigung von Aldi. „Die Haltungsstufen 3 und 4 sind aktuell eine absolute Marktnische“, sagte Präsident Joachim Ruckwied. Aber offensichtlich sei der Lebensmitteleinzelhandel nun bereit, „im Einkauf erhebliche Summen aufzuwenden, um mehr Tierwohl angemessen zu honorieren“. Ohne ein einfacheres Baurecht für Ställe „dürfte aus dieser Idee ohnehin nichts werden“, betonte Ruckwied. Die Landwirte müssen viel Geld in den Um- und Neubau von Ställen investieren und klagen über lange Genehmigungsverfahren. Anfang der Woche hatte sich die Große Koalition auf Erleichterungen beim Umbau von Ställen für eine bessere Tierhaltung verständigt.

Lob erhielt Aldi von Umwelt- und Tierschützern. „Aldis Ankündigung ist ein Meilenstein, der der ganzen Branche zeigt, wo es hingehen muss“, kommentiert Stephanie Töwe, Landwirtschaftsexpertin bei Greenpeace. „Aldi zeigt der Politik, wohin die Reise gehen sollte“, sagte der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder. Entscheidend sei, dass andere Handelsunternehmen dem Schritt von Aldi folgen. Dagegen kritisierte Foodwatch, Aldi gaukele „den Menschen vor, mit dem Kauf von Produkten der Haltungsstufen 3 und 4 das Leben der Tiere nachhaltig verbessern zu können“.

Kein staatliches Logo in Deutschland

Die bayerische Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) rief die Bürger auf, Mehraufwendungen der Bauern an der Ladentheke zu honorieren. „Dass Aldi Billigfleisch den Kampf angesagt hat, ist ein gutes und wichtiges Signal.“ Letztlich entschieden aber die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Art der Produktion und das Tierwohl. Bislang ist das Angebot an Fleisch der höheren Stufen 3 und 4 gering. Nur 13 Prozent des gekennzeichneten Fleisches stamme aus diesen Haltungsformen, hatten die Verbraucherzentralen im vergangenen Jahr bei einem bundesweiten Marktcheck festgestellt.

Ein staatliches Logo für Fleisch und Wurst aus besserer Tierhaltung gibt es in Deutschland nicht. Das lange geplante Tierwohlkennzeichen kommt bis zur Bundestagswahl nicht mehr zustande, weil sich die Koalitionsfraktionen von Union und SPD nicht einigen konnten. Die Grünen warfen der Union Blockade vor. „Der Lebensmitteleinzelhandel ist den Zielen der CDU/CSU inzwischen weit voraus“, kommentierten die Ernährungs- und Agrarsprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast und Friedrich Ostendorff, den Schritt von Aldi. „Niedrige Haltungsstandards werden mittelfristig ausgelistet und haben keine Zukunft.“