Redakteur Jan Sellner im Gespräch mit den Landtagsabgeordneten und Sozialpolitikern Florian Wahl (SPD), Thomas Poreski (Grüne) und Nicolai Raith (FDP) (von links). Foto: Lg/Kovalenko

Zum Abschluss der Aktionswoche „Armut bedroht alle“ haben Betroffene eine sofortige Anhebung der Regelsätze gefordert.

Die zwölf Arbeitslosenberatungszentren im Land werden für weitere zwei Jahre finanziert. Das hat der Grünen-Landtagsabgeordnete Thomas Poreski bei der Abschlussveranstaltung der Aktionswoche der Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg in Stuttgart angekündigt. Darauf hätten sich die Koalitionspartner in den Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2023/2024 geeinigt. Poreski sagte bei einer Diskussion mit von Armut betroffenen Menschen und weiteren Landtagsabgeordneten: „Wir haben die Erwerbslosenzentren gerettet.” Die Arbeitslosenberatungszentren sind eine kostenlose Beratungsstelle für arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen. Sie informieren und unterstützen unter anderem bei rechtlichen Fragen zu Sozialleistungen, der Arbeitsplatzsuche, Qualifizierungen und Bewerbungsverfahren, aber auch in persönlichen Notlagen.

Gravierende Folgen des Angriffs Putins auf die Ukraine

Das Thema der diesjährigen Aktionswoche „Armut bedroht alle” lautete zwar „Armut im Klimawandel”. Durch die gravierenden Folgen des Angriffs Putins auf die Ukraine mit den eklatanten Preissteigerungen bei Lebensmitteln und der Explosion der Energiekosten für alle hat die Armutsthematik eine ganz neue Brisanz bekommen und viele Ängste ausgelöst. „Wenn das so weiter geht, bekomm ich nächstes Jahr eine Rechnung, die ich sowieso nicht zahlen kann”, sagte eine Vertreterin aus dem Erwerbslosenausschuss der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bei der Veranstaltung im Café Tempus im Haus der Geschichte. Für den Krieg habe man sofort Milliardenbeträge bereitgestellt, „aber wo bleibe das Soziale?“ Sie forderte eine Anhebung des monatlichen Regelsatzes – und zwar sofort, nicht erst im nächsten Frühjahr.

Ein 31-jähriger Wohnsitzloser vom Heidelberger Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung bekannte in seinem verlesenen Statement, dass er sich über den Zusammenhang von Armut und Klimawandel bisher keine Gedanken gemacht habe, weil er im Alltag ganz andere Sorgen habe und damit beschäftigt sei, mit dem wenigen ihm zur Verfügung stehenden Geld auszukommen. Wenn es heiß sei, könne er keinen Ventilator und keine Klimaanlage einschalten, weil er keine habe. Und wenn es kalt sei, habe er keinen Einfluss darauf, mit was die Heizung betrieben werde. Der zusätzliche Pullover, der gerade überall als Sparmaßnahme empfohlen wird, müsse für ihn vor allem billig sein, nicht nachhaltig hergestellt.

Finanzierung der Zentren wäre zum Jahresende ausgelaufen

In weiteren Redebeiträgen wurde wiederholt vor einer Spaltung der Gesellschaft gewarnt und eine schnelle Aufstockung der Unterstützungsleistungen gefordert. Es müsse mehr für die gesellschaftliche und politische Teilhabe von Armutsbetroffenen getan werden. Für den SPD-Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden des Sozialausschusses, Florian Wahl, sind gerade die unabhängigen Erwerbslosenzentren ein wichtiges und erfolgreiches Mittel für eine bessere Beratung und dadurch auch Teilhabe. Entsprechend erfreut zeigten er und die Anwesenden sich in der von Redakteur Jan Sellner moderierten Gesprächsrunde über die Nachricht, dass die eigentlich zum Jahresende auslaufende Finanzierung der Zentren verlängert werde.

Zentrale Ansprechpartner für die akuten Ängste, Sorgen und Problem

Die Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg wurde vor zehn Jahren als eine Maßnahme zur Armutsbekämpfung und Förderung der sozialen Teilhabe von Menschen mit Armutserfahrung gegründet. Das sei eine Zeitenwende in der Sozialpolitik im Land gewesen, sagte Michael Wolff, der Referent im baden-württembergischen Sozialministerium ist. Das Land begrüße den von der Bundesregierung eingeschlagenen Weg, sei sich aber gleichzeitig seiner politischen Verantwortung bewusst. Wichtig wäre, dass es in jeder Kommune zentrale Ansprechpartner für die akuten Ängste, Sorgen und Probleme gebe. Kurzfristige Krisenmaßnahmen in den Kommunen wie etwa Wärmestuben, über die auch in Stuttgarter Kirchengemeinden nachgedacht wird, würden mit Landesmitteln unterstützt, kündigte er an.