Einer der jüngst verlegten Stolpersteine gedenkt Hans Geiger Foto: /Susanne Müller-Baji

In Feuerbach und Nord sind drei neue Stolpersteine für NS-Opfer verlegt worden. Nun wird auch an Hans Geiger erinnert, der im Jahr 1943 in Abwesenheit wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt wurde.

Stuttgart - Drei neue Stolpersteine in Stuttgart, aber auch drei abgesagte Verlegungen, sowie eine Gedenkveranstaltung im allerkleinsten Kreis: Corona erschwert derzeit auch die Arbeit derer, die es sich auf die Fahnen geschrieben haben, an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern.

Eigentlich hatte man am vergangenen Mittwoch zum 80. Jahrestag mit einer Gedenkveranstaltung an die erste große Deportationswelle vom Killesberg aus erinnern wollen. Damals waren überwiegend Juden nach Riga verbracht worden; für viele von ihnen war es eine Reise in den Tod. Allerdings musste die Zeremonie an der grünen Fuge wegen Corona abgesagt werden – was blieb, war ein „stilles Erinnern” mit Michael Kashi von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) und Bürgermeisterin Isabel Fezer. Auch von den geplanten Stolpersteinverlegungen wurden drei abgesagt, darunter die für Simon und Grete Schmal in der König-Karl-Straße 44 in Stuttgart-Ost. Ihre beiden Steine sollen zu einem späteren Zeitpunkt verlegt werden und dann soll auch der in den USA lebende Sohn des Ehepaars per Liveschaltung teilnehmen. Bis dahin kann aber schon einmal ein biografischer Text in deutsch und englisch auf www.podcast.de unter der Rubrik Stolperworte abgerufen werden, gelesen von Sprechern der Aka-demie für gesprochenes Wort. Bislang gibt es hier ausschließlich Texte zu Stolpersteinen in Stuttgart-Ost, weitere Stadtbezirke wollen dem Beispiel allerdings folgen.

Freitod im Jahr 1942 gewählt

Die verbliebenen drei Stolpersteine sind in Feuerbach und Stuttgart-Nord ohne Beiprogramm verlegt worden. Nun so unvermittelt auf einen der Gedenksteine zu stoßen, hat aber möglicherweise fast noch eine größere Wirkung: Der Kölner Aktionskünstler Gunter Demnig hatte das Projekt 1993 ersonnen, um den gleichgültigen Fluss des Alltags zu durchbrechen und an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern – gemäß des Talmudwortes: „Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist.” Allerdings sollte die Verlegung jetzt von Anfang an ohne den Künstler Demnig selbst erfolgen: Er könne wegen der „ungebrochenen Resonanz des Projekts auch im europäischen Ausland dieses Mal nicht selbst kommen”, hieß es dazu.

Die beiden neuen Steine in Stuttgart-Nord erinnern an Martha Neumark, die vom Killesberg aus nach Theresienstadt gebracht worden war und dort ein paar Tage später unter nicht geklärten Umständen starb. Und an Ida Ebert, die in der Schoderstraße 8 in einem sogenannten „Judenhaus” drei Jahre lang unter widrigen Umständen gelebt hatte. Um der bevorstehenden Deportation nach Theresienstadt zu entgehen, wählte sie am 17. August 1942 den Freitod.

Die Spur verliert sich

Der Stolperstein in Feuerbach erinnert an Hans Geiger und an sein bis heute ungeklärtes Schicksal: Mit Frau und Kind hatte er zuletzt in der Bludenzer Straße 34 gewohnt. Als Soldat der 25. Panzer-Grenadier-Division kämpfte er an der Ostfront. Er musste aber seine einzige Chance in der Flucht gesehen haben. Wegen Fahnenflucht wurde Geiger am 22. September 1943 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Danach verliere sich seine Spur, die Suche nach ihm sei auch nach dem Krieg ohne Erfolg geblieben und auch Angehörige seien nicht mehr ermittelbar, erzählen Hildegard und Heinz Wienand.

Spannende Recherchen

Das Ehepaar zeichnet ist federführend für die Stolpersteine in Feuerbach und Weilimdorf: Das Schicksal Geigers unterscheide sich deutlich von den Biografien hinter den anderen Stolpersteine, bestätigen die beiden, erzählen aber auch von spannenden Recherchen: So stießen sie auf ein Flugblatt, das 1943 die Soldaten an der Ostfront zum Aufgeben aufforderte, nachdem der Feldzug dort bereits so gut wie verloren war: „Nur durch die Gefangengabe könnt Ihr Euch noch retten, wie es Obergefreiter Hans Geiger, (....), und hunderte andere Eurer Kameraden getan haben”, heißt es darin. Das Flugblatt ist quasi Geigers letztes Lebenszeichen, sein weiterer Verbleib ist unklar. Vielleicht gehört er auch zu den Millionen von Soldaten, egal welcher Seite, die nicht mehr zurückgekommen sind.

 Wissenswertes zu den Erinnerungsorten in der Landeshauptstadt gibt es unter www.stolpersteine-stuttgart.de, über das Projekt allgemein und seinen Initiator Gunter Demnig unter www.stolpersteine.com