Hubert Aiwanger gilt als Sorgenkind der bayerischen Landesregierung. Foto: dpa/Matthias Balk

Nicht erst seit Hubert Aiwangers Fauxpas am Wahlsonntag bei Twitter kriselt es gewaltig in der bayerischen Koalition von CSU und Freien Wählern.

München - So kurz angebunden hat man Hubert Aiwanger selten erlebt. Am Mittwoch, es ist kurz nach 13 Uhr, geht er im Bayerischen Landtag ans Rednerpult für eine „persönliche Erklärung“. Er bitte „herzlich“ um Entschuldigung für seinen Tweet am Wahlsonntag. Nun warte er auf das Prüfungsergebnis durch den Bundeswahlleiter und sage dazu erst einmal weiter nichts. Keine Minute dauert das.

Der Vorsitzende der Freien Wähler (FW), der zugleich bayerischer Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident ist, steht heftig unter Beschuss. „Platzt die Bayern-Koalition?“, fragt eine Münchner Zeitung. Das Verhältnis zwischen den Regierungspartnern CSU und FW ist seit längerem frostig, der Tweet senkt die Betriebstemperatur noch einmal um ein paar Grade.

Genutzt hat der Aufruf dem Niederbayern ohnehin nichts

Aiwanger hatte vor Schließung der Wahllokale Umfrage-Zahlen vom Tag getwittert, nach denen die bundesweit kandidierenden FW bei vier Prozent liegen. Und die Wähler aufgefordert: „Die letzten Stimmen bitte jetzt noch an uns Freie Wähler.“ Nach einigen Minuten war die Nachricht wieder gelöscht – zu spät, das Internet vergisst nichts. In der Politik herrscht Einigkeit, dass man solche aktuellen Nachwahlbefragungen nicht veröffentlicht. Außerdem ist es ein Verstoß gegen das Bundeswahlgesetz. Der durch das Wahlergebnis schwer gebeutelten CSU – sie kam im Freistaat nur auf 31,7 Prozent – kam der Fauxpas gerade recht. Schon am Wahlabend konnte Generalsekretär Markus Blume Aiwangers „unglaublichen Fall von Wahlmanipulation und Wählerbeeinflussung“ geißeln. Genutzt hat der Aufruf dem Niederbayern und seiner Partei allerdings ohnehin nichts – bundesweit scheiterten die FW mit 2,4 Prozent, in Bayern erreichten sie aber immerhin 7,5 Prozent.

Am Montag wurde CSU-Chef Markus Söder noch etwas ernster als eh schon, als er auf das Thema Freie Wähler zu sprechen kam. Bei der Wahlanalyse im Münchner Franz-Josef-Strauß-Haus wirft er Aiwanger vor, dass seine Kandidatur womöglich die „bürgerliche Mehrheit“ in Deutschland verhindert habe. Sichtlich genervt reagiert er auf Aiwangers dünne Erklärung, der Tweet sei ein „Missgeschick“ gewesen: „Es häufen sich die so genannten Missgeschicke.“ Die FW ruft er auf, in sich zu kehren und über deren „Kursbestimmung“ nachzudenken. Es dürfe in der bayerischen Koalition nicht „auf Dauer eine innere Belastung“ bestehen.

Der Niederbayer gilt in seiner Heimat als Dickschädel

Sind das die zermürbenden Szenen vom Anfang des Endes einer einst glücklichen Beziehung? Tatsächlich driftet der Niederbayer seit der Corona-Krise immer wieder ziemlich ab. Er selbst lässt sich nicht gegen Corona impfen, in Interviews hat er dies verschwurbelt mit seiner Skepsis gegenüber den Impfstoffen versucht zu begründen. Beim Umgang der Gesellschaft mit Ungeimpften warnte er vor „Apartheid“ – der Begriff steht für die systematische Entrechtung schwarzer Menschen im früheren Südafrika. Und er droht mit einer Klage gegen die Streichung der Lohnfortzahlung für Ungeimpfte in Quarantäne, dies hält er für „Unsinn“. Im Wahlkampf war zu sehen, wie er fleißig bei Impfskeptikern um Stimmen warb.

Nun will Söder ein ernstes, klärendes Gespräch mit Aiwanger führen, wohl noch in dieser Woche. Söder verlangt einen „Hygieneprozess“. Vor allem weiß er aber, wie man Druck aufbaut. Doch der Niederbayer, den sie in seiner ländlichen Heimat den „Hubsi“ nennen, ist ein Dickschädel. Im Wahlkampf sei es eben „etwas ruppiger“ zugegangen, meint er. Dennoch: „Wir sind fair, kollegial, kompromissbereit.“

CSU und FW – wer braucht da wen mehr? Für Söder, der kürzlich noch Bundeskanzler werden wollte, wäre die Suche nach einem neuen Partner im Freistaat eine ziemliche Blamage. Grüne sowie SPD stünden mittlerweile sicherlich bereit, doch es käme teuer. Aiwanger wiederum will keinesfalls auf die vielen schönen Regierungsposten verzichten. So werden sie es noch eine Weile miteinander aushalten müssen.