Trotz globaler Unsicherheiten investiert Tesat weiter am Standort. Warum der neue CEO Ralph Schmid keine Verlagerung ins Ausland plant – und wie das Unternehmen trotz Stellenabbaus im Mutterkonzern Airbus flexibel bleibt.
Es war ein fliegender Wechsel an der Spitze der Tesat Spacecom GmbH: Ralph Schmid, seit 2011 im Unternehmen und zuletzt als Chief Operation Officer (COO) in der Geschäftsführung, hat zum Jahresbeginn 2025 interimsweise auch die CEO-Position übernommen, also die des ranghöchsten Managers. Der bisherige Chef Thomas Reinartz wechselte innerhalb des Mutterkonzerns Airbus zur Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH. Trotz der unlängst verkündeten Sparmaßnahmen von Airbus und der drohenden protektionistischen Handelspolitik unter Donald Trump zeigt sich Schmid zuversichtlich.
Stellenabbau bei Tesat? Kein Grund zur Sorge
Bis Mitte 2026 sollen im Airbus-Konzern bis zu 2500 Stellen gestrichen werden. Tesat, Spezialist für Satellitenkommunikation, ist davon nicht ausgenommen. Genau 47 Stellen stehen in Backnang auf der Streichliste. Doch Ralph Schmid sieht dem gelassen entgegen: „Mich schreckt diese Zahl nicht“, erklärte er unlängst bei einer Pressekonferenz des Arbeitgeberverbands Südwestmetall in Waiblingen. Der Grund: Die Reduzierung lasse sich durch natürliche Fluktuation abfedern, denn jährlich schieden ohnehin rund 70 bis 80 Mitarbeitende aus. Zudem sei die Belegschaft in den vergangenen Jahren stark gewachsen – allein in den letzten vier Jahren entstanden den Angaben zufolge 400 neue Arbeitsplätze, die Gesamtzahl der Beschäftigten liegt aktuell bei 1130.
Statt radikaler Einschnitte setzt Tesat auf flexible Strukturen. So plant das Unternehmen, vermehrt mit externen Partnern zusammenzuarbeiten und den Anteil an Leiharbeitskräften deutlich zu erhöhen. Dieses sogenannte „Sub-Contracting“ biete die Möglichkeit, kurzfristig auf wirtschaftliche Schwankungen zu reagieren, ohne die Stammbelegschaft zu gefährden. Eine Verlagerung der Produktion ins Ausland kommt für Schmid nicht infrage: „Wir bleiben Backnang treu!“, betont er. Erst im vergangenen Jahr wurde ein Neubau eingeweiht, in dem ab Sommer 2025 die weltweit erste standardisierte Serienproduktion von Laserterminals für die Raumfahrt starten soll.
Tesat: Innovationen als Erfolgsfaktor
Tesat hat sich in den vergangenen Jahren strategisch neu ausgerichtet. Nach den starken Umsatzeinbrüchen im Markt für sogenannte geostationäre Satelliten in den Jahren 2017 und 2018 richtete das Unternehmen seinen Fokus auf neue Technologien. „Wir haben mit der Diversifikation begonnen und sind heute stark im Bereich der optischen Kommunikation“, erklärte Schmid. Unter dem Begriff „Next Space“ produziert Tesat innovative Laser-Kommunikationssysteme, die vor allem in niedrigen Erdumlaufbahnen zum Einsatz kommen. Der Erfolg gibt dem Unternehmen recht: Von den 542 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2024 entfielen knapp 200 Millionen auf diesen Bereich.
Dennoch bleibt auch die klassische Radiofrequenz-Technologie (RF) ein wichtiger Bestandteil des Geschäfts. „Wenn Sie zur Erde kommunizieren wollen, geht das per Laser nur, wenn keine Wolken da sind“, erklärt Schmid. Ein neu entwickelter sogenannter Switcher erlaube nun, flexibel zwischen optischer und RF-gestützter Übertragung zu wechseln – ein entscheidender Vorteil im wachsenden Markt für Satellitenkommunikation.
Tesat ist vorbereitet auf „America first“
Auch der drohende Protektionismus in den USA beunruhigt Schmid nicht. Zwar erwirtschaftet Tesat mehr als die Hälfte seines Umsatzes in den Vereinigten Staaten, doch eine Produktionsverlagerung in die USA sei keine Option. „Würden wir dort fertigen, könnte es passieren, dass plötzlich ,America First‘ greift und ein General vor der Tür steht und sagt: Der gehört jetzt uns“, gibt Schmid zu bedenken. Um auf etwaige Restriktionen vorbereitet zu sein, hat Tesat eigens in Florida eine Tochtergesellschaft, die „Tesat Gov“, gegründet. Dort könnten bei Bedarf Bauteile ersetzt oder Komponenten final montiert werden, um den strengen US-Vorschriften für militärische Zulieferungen zu entsprechen. Bislang sei dies jedoch noch nicht notwendig gewesen.
Wachstumsmarkt mit Potenzial
Tesat blickt optimistisch in die Zukunft. Der Auftragseingang hat sich nach schwierigen Jahren stabilisiert, der Auftragsbestand liegt aktuell bei rund 800 Millionen Euro. Schmid sieht die Raumfahrtindustrie auf dem Weg, eine Bedeutung wie die Automobilbranche zu erreichen. Prognosen gehen von einem weltweiten Marktvolumen von 1,1 Billionen Euro bis 2040 aus. Besonders Baden-Württemberg spiele eine zentrale Rolle: „Von den drei Milliarden Euro Jahresumsatz der Raumfahrtindustrie in Deutschland kommen 40 Prozent aus Baden-Württemberg – und ein erheblicher Teil aus Backnang“, hebt Schmid hervor.
Und Tesat investiert weiterhin in seinen Standort. Allein 2024 flossen 30 Millionen Euro in die Infrastruktur, davon zehn Millionen in Renovierungen und Modernisierungen. Auch die Ausbildung neuer Fachkräfte bleibt ein zentrales Anliegen: Die Zahl der Auszubildenden soll von 53 im Jahr 2024 auf 72 im Jahr 2025 steigen, die Hälfte davon in dualen Studiengängen. Während andere Unternehmen also Stellen abbauen, setzt Tesat auf Wachstum – und auf eine Zukunft, die sich nicht in den Sternen, sondern in handfesten Innovationen abspielt.