EIn Taliban-Kämpfer in Afghanistans Hauptstadt Kabul. Foto: AFP/WAKIL KOHSAR

Was hat die Bundeswehr in Afghanistan erreicht? Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer startet eine schwierige Debatte an deren Ende viele offene Fragen bleiben.

Berlin - Zwanzig Jahre Militäreinsatz lassen sich nur schwer zusammenfassen, auswerten oder gar mit einem Fazit abschließen. Schon gar nicht an einem Tag. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat am Mittwoch in den Konferenzraum eines Berliner Hotels geladen, um eine „Bilanzdebatte“ über den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch anzustoßen. „Nur eine ehrliche, offene und damit eine schmerzliche Debatte bringt uns weiter“, stellt Kramp-Karrenbauer fest.

Fragen gibt es viele: Ist der politische Auftrag an das Militär immer klar gewesen? Haben Militär, Politik und Entwicklungshilfe in Afghanistan stets ein gemeinsames Ziel verfolgt? Warum stellte sich die über Jahre von den ausländischen Truppen ausgebildete afghanische Armee den Taliban nicht entgegen? „Niemand hat mit einem so schnellen Zusammenbruch der politischen und militärischen Führung Afghanistans gerechnet“, räumt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in einer Videobotschaft ein. „Dies ist eine Tragödie für das afghanische Volk.“

„Für viele Veteranen stellt sich die Frage nach dem Sinn“

Die Bilder vom Fall des Landes an die Taliban, die verzweifelten Menschen am Flughafen von Kabul werden in Erinnerung bleiben. „Für viele unserer Veteranen, die in Afghanistan ihr Leben riskiert haben, und ihre Angehörigen stellt sich nun die Frage nach dem Sinn ihres Einsatzes“, räumt der Generalinspekteur der Bundeswehr Eberhard Zorn ein. Aus persönlicher Überzeugung sei seine Antwort, dass der Einsatz einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit Deutschlands und seiner Bündnispartner geleistet habe.

Der oberste Soldat wehrt sich daher dagegen, den Einsatz aufgrund seines Endes als „Desaster“ anzusehen, das allein dem Militär anzulasten sei. Es müsse kritisch gefragt werden, wie die Politik den von den Sicherheitskräften geschaffenen Rahmen in Afghanistan genutzt habe. Zorn ist es zudem wichtig, „dass wir aus den Schlussbildern der letzten Monate nicht den Schluss ziehen, dass internationales - auch militärisches - Krisenmanagement mit dem Ziel der Stabilisierung einer Region nicht erfolgversprechend sein kann und daher besser erst gar nicht versucht werden sollte“.

Soldaten war Ziel des Einsatzes oft nicht klar

Mehrere Bundeswehrvertreter sind sich in der Debatte einig, dass der Einsatz die Truppe verändert habe, was Ausrüstung, Ausbildung und Einsatzfähigkeit betrifft. Insofern betrachten sie die Jahre in Afghanistan durchaus auch als Erfolg für die Bundeswehr, wenn auch die Ziele der Mission den Soldaten vor Ort nicht immer klar gewesen sei. In der Debatte über die Lehren für künftige Militäreinsätze fordert der frühere Grünen-Abgeordnete Winfried Nachtwei, es dürfe dabei nicht nur gefragt werden: „Was macht der Einsatz mit uns?“ Sondern man müsste auch fragen: „Was macht der Einsatz mit dem Einsatzland?“

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Kramp-Karrenbauer hatte die Debatte eigentlich im August abhalten wollen, verschob die Veranstaltung dann aber wegen der dramatischen Evakuierungsmission am Flughafen von Kabul bis nach der Bundestagswahl. Das stieß den Verteidigungspolitikern im Bundestag sauer auf, weil sie das Thema nicht in der Schlussphase der Legislaturperiode abhandeln wollen. Viele Parlamentarier boykottierten die Veranstaltung, auch Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte kurzfristig ab. Die Verteidigungsministerin hielt dennoch an der Veranstaltung fest, auch wenn sie aufgrund der Absagen das Programm deutlich kürzen musste.

Kramp-Karrenbauer will „keine glanzvolle Decke“ über Einsatz legen

Kramp-Karrenbauer begründete ihre Entscheidung mit dem für Mittwoch kommender Woche geplanten Großen Zapfenstreich für die in Afghanistan eingesetzten Soldaten. Sie wollte sich nicht dem Verdacht aussetzen, mit der Ehrung ohne vorherige Debatte „eine besonders glanzvolle Decke über den Afghanistan-Einsatz“ zu legen. „Das war heute nicht das Ende der Bilanzierung“, sagt die Ministerin zum Abschluss.