Wehmütiger Blick: Friederike Weltzien fühlt sich im Schatten der Petruskirche und der Weinberge sehr wohl. Foto: Müller

Es ist ein wehmütiger Abschied von Obertürkheim. Im Juli geht Pfarrerin Friederike Weltzien in den Ruhestand: „Ich werde die schöne Umgebung und vor allem die liebenswerten Menschen vermissen.“

Obertürkheim - Wehmütig schweift der Blick von Friederike Weltzien über die Petruskirche, das Neckartal und die Weinberge: „Ich werde die wundervolle Umgebung, aber vor allem auch die herzlichen Menschen vermissen.“ Anfang Juli geht die Pfarrerin der evangelischen Gemeinde Obertürkheim in den Ruhestand. „Es war eine sehr schöne Zeit“, blickt Weltzien bereits einmal zurück, „es ist über die acht Jahre ein Stück Heimat geworden“.

Heimat, das ist für Weltzien angesichts eines außergewöhnlichen Lebenswegs auch weit weg – im Libanon. Denn mit der arabischen Welt kam die gebürtige Stuttgarterin früh in Kontakt. Im Alter von vier Jahren zog sie 1962 mit den Eltern nach Beirut. Ihr Vater wechselte von der Universität Hohenheim als Dozent an die landwirtschaftliche Fakultät vor Ort. Drei Jahre lebte Weltzien in Beirut, nach einer Unterbrechung folgten weitere drei Jahre. „Das waren jeweils für ein Kind prägende Abschnitte, deshalb ist ein Teil von mir immer im Libanon zu Hause“, sagt sie. Von 1999 bis 2008 kehrte sie als Pfarrerin der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde mit ihrem Ehemann, Pfarrer Uwe Weltzien, zurück. Gleichzeitig war das Pfarrerehepaar auch für die Gläubigen in Syrien zuständig, einmal im Monat in Damaskus und Aleppo im Einsatz.

Mitbegründerin des Stadtteilzentrums

Ein Herzensprojekt war daher für Weltzien das Café Bonvenon, das Willkommenscafé für Asylsuchende im Luthersaal der Andreaskirche – aus dem das heutige Stadtteil- und Familienzentrum hervorging. Denn Weltzien kennt das Gefühl, ein Flüchtling zu sein, aus eigener Erfahrung. Als 2006 der sechswöchige Krieg zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee begann, schnappte sie sich ihren vierjährigen Sohn und flüchtete von Beirut nach Damaskus. Ihr Engagement ist aber nicht nur auf Obertürkheim begrenzt. Seit Anfang der 1990er-Jahre engagiert sie sich beim libanesischen Hilfsprojekt Dar Asslam, „Haus des Friedens“, im Süden des Landes. Zur Bewältigung der traumatischen Erlebnisse soll den Flüchtlingen unter anderem eine Tanztherapie helfen. In der arabischen Welt ist die Liebe zur Musik und zum Tanz tief verwurzelt. Sicher auch aus den eigenen Erlebnissen hat Weltzien neben ihrem Studium der Theologie daher eine Ausbildung zur Tanztherapeutin gemacht.

Umso glücklicher war sie daher über die offene Art der Obertürkheimer Gemeinde. „Die Solidarität und die gelebte Gemeinschaft sind groß – auch über Konfessionsgrenzen hinaus.“ Als Ort der Begegnung und Vielfalt seien auch zahlreiche kulturelle und künstlerische Veranstaltungen im Gotteshaus an der Tagesordnung gewesen.

Festgottesdienst am 4. Juli

Eine weitere prägende Aufgabe war der im Zuge der Kirchenreform anstehende Zusammenschluss der beiden Gemeinden Obertürkheim und Uhlbach. Formal bleiben beide eigenständig, werden in Zukunft aber nur noch vom Uhlbacher Pfarrer Jakob Spaeth betreut. „Es war eine heikle Aufgabe, die aber Dank der tollen Zusammenarbeit gut gelungen ist“, sieht Weltzien die evangelische Kirche im Stadtbezirk für die Zukunft gut aufgestellt.

Erst nach und nach stelle sich bei ihr nun die Erkenntnis ein, dass in wenigen Wochen Schluss ist – „bislang bin ich immer noch zu sehr in meine seelsorgerische Tätigkeit eingebunden“. Aber der Zeitpunkt des Abschieds rückt näher. Am 4. Juli wird Weltzien mit einem Festgottesdienst und einem Gemeindefest offiziell in den Ruhestand verabschiedet. „Wir müssen abwarten, was aufgrund der Coronalage möglich sein wird.“

Umzug nach Berlin

Dann führt der Weg nach Berlin. „Viele Freunde aus unserer Zeit im Libanon leben inzwischen dort“, erklärt Weltzien. Als Flucht aus Obertürkheim will die 64-Jährige das aber nicht verstanden wissen. Wohlwissend, dass der harte Schnitt aus ihrer Sicht notwendig ist. „Viele würden nicht verstehen, dass die seelsorgerische Tätigkeit plötzlich aufhört, man eine Privatperson ist.“ Den Umzug sieht sie vielmehr als Neuanfang. In Zukunft will sie sich weiter um ihr Hilfsprojekt im Libanon kümmern, „mein Mann und ich wollen oft dort hinreisen“, gibt Weltzien vor. Aber auch die vier Kinder und inzwischen fünf Enkelkinder sollen mehr im Mittelpunkt stehen, denn „sie sind doch das eine oder andere Mal etwas zu kurz gekommen“. Und vielleicht wird Berlin dann einmal zur dritten Heimat – nach dem Libanon und Obertürkheim.

Das Spendenkonto für das Hilfsprojekt lautet bei der Volksbank Rhein-Nahe, Verwendungszweck „Dar Asslam Libanon: Traumatherapie“, BIC: GENODE51KRE, IBAN: DE58 5609 0000 0006 5347 16.