Das Gelände für die geplante Bioabfall-Vergärungsanlage liegt in Zuffenhausen direkt an der B 27. Foto: Uli Nagel

Während Stuttgart seit gut 15 Jahren an dem Projekt im Gewann Hummelsbrunnen-Süd im Norden der Stadt plant, geht in Leonberg die nach dem Brand 2019 neu errichtete Bioabfall-Vergärungsanlage in diesem Sommer in Betrieb.

Seit mehr als 15 Jahren plant die Stadt Stuttgart an einer Bioabfall-Vergärungsanlage im Norden der Landeshauptstadt. Doch Standortdebatten, Planungsänderungen, Gutachten, Gerichtsprozesse und natürlich auch die Eidechsenpopulation führten dazu, dass ein Baubeginn im Gewann Hummelsbrunnen-Süd immer wieder verschoben wurde. So machte im vergangenen Jahr eine fehlende Nachtragsgenehmigung den Verantwortlichen der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) einen Strich durch die Rechnung. Der geplante Startschuss für das rund 32 Millionen Euro teure Projekt fiel ins Wasser – wieder einmal.

Im November 2024 wurden neue Anträge beim Regierungspräsidium Stuttgart eingereicht. „Derzeit wird deren Fragenkatalog zusammen mit dem Planer und den beteiligten Gutachtern abgearbeitet“, sagt Markus Töpfer. Der AWS-Chef macht einmal mehr in Zweckoptimismus und hofft, dass man im Frühsommer die Genehmigung erhält und die Arbeiten endlich beginnen können. „Bei einer Bauzeit von rund eineinhalb Jahren wäre der Start des Probebetriebs im Winter 2026 und der Regelbetrieb sechs Monate später möglich“, so Markus Töpfer.

Tiefbauarbeiten wie die künftige Zufahrt auf das Gelände von der B 27a her sind mehr oder weniger schon erledigt. Foto: Uli Nagel

Was positiv ist: Viele Vorarbeiten wie etwa die Kampfmittelsondierung, Baugrunduntersuchung und Erschließung des Geländes sind erledigt. Zudem ist bisher noch keine der am Bau beteiligten Firmen abgesprungen. Allerdings führt Töpfer regelmäßig Gespräche mit der Firma Porsche. Denn der überwiegende Teil des Gases, das einmal in der neuen Anlage gewonnen wird, soll von dem Autoproduzenten abgenommen werden. Dafür muss noch eine von den Stadtwerken finanzierte und betriebene unterirdische Leitung zur Sportwagenschmiede in Zuffenhausen gebaut werden. Die entsprechenden Verträge wurden bereits 2020 unterzeichnet.

„Porsche will natürlich wissen, wann es endlich losgeht“, so der AWS-Chef, der angesichts der Dauer des Projekts schon etwas neidisch in die Nachbarstadt Leonberg schaut. Denn dort wird wohl in diesem Sommer die neue Bioabfall-Vergärungsanlage zu 100 Prozent ihre Arbeit aufnehmen. Betreiber ist die Bioabfallverwertung GmbH Leonberg (BVL), eine Kooperation der Landkreise Böblingen und Esslingen, die im Juni 2019 gegründet wurde. Gesellschafter sind der Landkreis Böblingen mit 65 Prozent und der Landkreis Esslingen mit 35 Prozent.

Keine Probleme bei der Genehmigung

Doch die zukunftsweisende Kooperation stand bereits drei Monate später vor einer großen Bewährungsprobe. Beim Brand der Vergärungsanlage Leonberg am 11. September 2019 wurde ein Großteil der Prozesstechnik und der Gebäude nahezu vollständig zerstört. Doch mit dem zügig angegangenen Wiederaufbau der Vergärungsanlage wurde gleichzeitig eine bereits vor dem Brand geplante Erweiterung der Verarbeitungskapazität um 20 000 Tonnen realisiert.

„Der Anfang war etwas holprig, da die Beseitigung der Brandschäden doch umfangreich war“, sagt Wolfgang Bagin, Geschäftsführer der BVL. Doch da der Standort für solch eine Anlage in Nachbarschaft zur Autobahn niemanden störe, konnte die Genehmigung für einen Neubau zügig erteilt werden. Mittlerweile ist das Projekt auf der Zielgeraden. „In wenigen Wochen startet der Probebetrieb“, so der BVL-Geschäftsführer. Sofern es da keine Probleme gebe, soll im Frühsommer der Dauerbetrieb starten. Im Endausbau soll die BVL einmal rund 60 000 Tonnen Bioabfall und etwa 12 000 Tonnen Grünabfall pro Jahr verarbeiten. Was erfreulich ist: „Die prognostizierten Gesamtprojektkosten von rund 52,9 Millionen Euro wurden nicht überschritten“, so Bagin.

Stadt investiert rund 32 Millionen Euro

„Eine ähnlich straffe Zeitschiene hätten wir uns auch für Stuttgart gewünscht“, sagt Markus Töpfer. Zumindest an den Gesamtkosten des Projekts in Höhe von rund 32 Millionen Euro habe sich nichts geändert. Allein mit 22 Millionen Euro schlägt die Anlage zu Buche, die für eine Verarbeitungskapazität von 35 000 Tonnen pro Jahr ausgelegt ist.

Seit einigen Jahren wird das Projekt bereits angekündigt. Foto: Uli Nagel

Die permanenten Verzögerungen haben auch negative Auswirkungen auf das schon längst beschlossene Landschaftsentwicklungskonzept Hummelgraben. Das war aus Zuffenhausener Sicht Voraussetzung für das AWS-Projekt und beinhaltet 17 Maßnahmen. Eine davon ist der Bau einer Geh- und Radwegbrücke über die Ludwigsburger Straße auf Höhe des Friedhofs Zuffenhausen, wofür es sogar Fördermittel vom Bund geben sollte. Die Freien Wähler wollen jetzt von der Verwaltung nicht nur einen Bericht über den planerischen Stand der Ausgleichsmaßnahmen, sondern auch wissen, ob die in Aussicht gestellten Fördermittel in Höhe von 2,1 Millionen Euro überhaupt noch relevant sind.

Bioabfall in Stuttgart

Braune Tonne
Die Braune Tonne gibt es seit gut 30 Jahren – auf freiwilliger Basis. Gerade einmal 37 Prozent der Haushalte hatten 2014 eine Biotonne. Doch durch die Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes wurde daraus 2015 eine Pflicht. Die flächendeckende Einführung dauerte drei Jahre.

Standort
Der Wunsch nach einer eigenen Bioabfallvergärungsanlage entstand bereits 2009. 18 Gelände wurden von 2010 bis 2012 unter die Lupe genommen, übrig blieb zunächst die Sauhalde in Zuffenhausen. Nach Protesten seitens des Bezirksbeirats und der Bürgerschaft einigte man sich schließlich auf den Standort Hummelsbrunnen-Süd.

Anlage
Die Anlage besteht neben einer Halle (etwa 80 auf 50 Meter groß) mit Annahmebereich, Behandlungstechnik und Rottetunnel, einem Fermenter (rund 35 auf 10 Meter) aus drei Presswasserspeichern (Durchmesser bis zu 27 Meter, Höhe 11,5 Meter) und einem Betriebsgebäude (15 Meter auf 15 Meter). Die Zu- und Abfahrt erfolgt von der B 27a über eine neue Straße. Die Belästigung durch An- und Abfahrten ist mit etwa 16 Lkw-Fahrten täglich laut der AWS moderat.