Philipp zeigt Geduld beim Popeltest, den seine Mutter in der Kita macht. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Viele Erzieherinnen sind geimpft, die Inzidenzen niedrig. Deshalb hebt die Stadt Stuttgart von Freitagabend an die Testpflicht für Kita-Kinder auf. Der evangelische Träger befürchtet steigende Infektionszahlen, die Eltern steigende Quarantänefälle.

Stuttgart - Die Testpflicht in Stuttgarter Kitas und in der Kindertagespflege wird von Montag an ausgesetzt. Sie erfolgte bisher auf Basis einer Allgemeinverfügung und galt für Kinder ab drei Jahren. Am 25. Juni läuft die Verfügung aus und wird auf Beschluss des Verwaltungsstabs der Stadt nicht verlängert.

Bei Eltern und Erzieherinnen, Einrichtungsleitungen und Trägern stößt der Beschluss auf Kritik. „Jetzt haben wir keine so große Sicherheit mehr, dass keines der Kinder in den Gruppen infiziert ist“, sagt Johanna Ort, Erzieherin in der ökumenischen Kita Killesberg. Wie kontrollierbar die Gruppen sind, hängt maßgeblich von der Kita-Größe ab. „Bei uns werden 110 Kinder in acht Gruppen betreut“, sagt Kita-Leiterin Aida Kiflu. Zwar würden die Gruppen strikt getrennt, doch auf der Toilette begegneten sie sich gelegentlich doch, und auch Geschwisterkinder haben untereinander Kontakt: „Das macht es sehr schwer herauszufinden, wer sich wo angesteckt haben könnte.

Was Eltern befürchten

37 Kolleginnen und Kollegen sind am Killesberg beschäftigt, 80 Prozent davon bereits geimpft. Gefährdet aber sind insbesondere die Kinder und die Familien: „Wenn eine neue Welle kommt, riskiert man, dass die Kinder wieder in die Notbetreuung müssen“, sagt Erzieherin Johanna Ort, selbst Mutter zweier Kinder in Krippe und Kita. Und zum Übertragungsrisiko in der Einrichtung komme nun jenes aus dem Kinderturnen, den Schwimmbädern und Spielplätzen hinzu, gibt Aida Kiflu zu bedenken. „Maskentragen, Impfen, Testen, das ist derzeit unser höchstes Gut, aber das haben wir ab Montag in keiner Kita mehr“, sagt Oliver Ruhmann von der Konferenz der Gesamtelternbeiräte in Stuttgart.

Was Träger bedauern

Der Gesamtelternbeirat der städtischen Kitas (GEB) ist am Donnerstag von dem Beschluss überrascht worden. „Obwohl wir ja in der Trägerrunde vertreten sind, hat man uns nicht darüber verständigt. Das finde ich schon schwierig“, sagt GEB-Sprecherin Katalin Elsner. Sie fürchtet weitere Quarantänefälle, „und das bei 30 Grad“!

Der evangelische Träger sieht den Wegfall der Testpflicht zum jetzigen Zeitpunkt kritisch: „Die Tests auszusetzen, solange die Entwicklung mit der Mutation Delta unklar ist, ist für uns nicht nachvollziehbar und trifft auch bei den Einrichtungen auf großes Unverständnis“, teilt Abteilungsleiter Jörg Schulze-Gronemeyer mit. Die Testpflicht habe der Sicherheit in den Kitas gedient, nun werde die Einschätzung, ob ein Kind erkältet oder mit dem Coronavirus infiziert sei, erschwert. „Wir befürchten, dass die mühsam errungenen Erfolge der geringen Inzidenzwerte wieder aufs Spiel gesetzt werden.“

Was die Stadt stattdessen anbietet

Bis zum Ende der Sommerferien will die Stadt den Eltern nun einmal pro Woche ein Testangebot für deren Kinder machen. Die Tests bezahlt die Stadt, die Träger sollen sie verteilen. Über das Vorgehen soll der Verwaltungsausschuss am 30. Juni diskutieren. Die Empfehlung, die Kinder freiwillig zu testen, soll bis zu den Sommerferien ausgesprochen werden, anschließend entscheide die Pandemielage über alles Weitere. Isabel Fezer (FDP), Bürgermeisterin für Jugend und Bildung, sagt: „Immer mehr Erzieherinnen und Erzieher wie auch Eltern sind geimpft. Die Inzidenz ist aktuell sehr niedrig. Dennoch empfehlen wird den Eltern, die Tests in Anspruch zu nehmen. Das Virus ist, gerade auch in immer neuen Mutationen, weiter präsent.“

Wie sich die Zahlen entwickelt haben

Die Sieben-Tage-Inzidenz bei Kindern von drei bis fünf Jahren in Stuttgart liegt nach Angaben der Stadt aktuell bei 48,3, bei Kleinkindern bis zum Alter von zwei Jahren liegt sie bei null (Stand 17. Juni 2021). Im schulischen Bereich hält das Land an der Testung der Schülerinnen und Schüler aktuell bis zu den Sommerferien fest. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehe die Arbeitsschutzverordnung vor, ihnen wöchentlich zweimal ein Testangebot zu unterbreiten – aktuell noch bis Ende September.