Seit dem 1. Juni gilt das 9-Euro-Ticket in Bussen und Bahnen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Verkehrsverbund zählt zum Starttag am Mittwoch rund 650 000 Inhaber des 9-Euro-Tickets. Viele Fahrgäste haben Fragen zu Kauf und Nutzung.

Gefühlte zehn Minuten hat sich die ältere Dame am Fahrkartenautomat der Deutschen Bahn in der Klett-Passage durch die Navigation gekämpft, bis sie endlich ihr Billett aus dem Ticket-Fach zieht. Es ist kein 9-Euro-Ticket – obwohl sie einen Regionalzug nehmen will. Wieso? Die Frau stutzt kurz und meint dann: „Daran habe ich nicht gedacht.“ Sie nimmt den Fehler mit Humor. Offensichtlich hat am Mittwochvormittag noch nicht jeder den neuen vergünstigten Tarif auf dem Schirm.

Überhaupt herrscht am ersten Gültigkeitstag des 9-Euro-Tickets in der Stadt noch kein Ansturm auf Busse und Bahnen. Das bestätigt auch SSB-Sprecherin Birte Schaper: „Wir haben am Morgen im Berufsverkehr eine ruhige Normalität beobachtet.“ Im Fokus stehen bei der SSB nun die Tage mit Großveranstaltungen, die Wochenenden sowie Ferientage. „Wir werden aufmerksam beobachten, wie es sich entwickelt“, so die Sprecherin. Rund 187 000 der günstigeren Monatstickets habe man bei der SSB stand Mittwochmittag verkauft.

Keine automatische Erstattung beim Jahres-Abo

In der Schlange vor dem SSB-Kundencenter am Arnulf-Klett-Platz stehen unterdessen zwei Abo-Kunden und diskutieren, ob die Erstattung der Differenz zwischen 9-Euro-Ticket und ÖPNV-Abo ganz automatisch erfolgt. „Beim Jahresabo muss man es beantragen“, meint der 75 Jahre alte Winfried Beer und ärgert sich mächtig darüber. Eine andere Kundin widerspricht. Sie habe gehört, alles würde automatisch funktionieren. Fragt man bei der SSB nach, lautet die Information zunächst: „Alle Abonnenten wurden angeschrieben und automatisch umgestellt.“ Doch auch hier steckt die Tücke im Detail: Denn wurde das Jahres-Abo oder zum Beispiel ein Studententicket bar bezahlt, muss der Kunde sich tatsächlich aktiv um die Rückerstattung kümmern, so die SSB. „Aktuell kann man die Erstattung aber online noch nicht beantragen“, räumt Schaper ein. „Daran arbeiten wir.“

Nicht allen ist am Mittwoch klar, wo das 9-Euro-Ticket überall zu haben ist. So zeigt sich eine 86-jährige, die ebenfalls in der Schlange vor dem SSB-Kundencenter steht, überrascht, als sie erfährt, dass man den Fahrschein ganz einfach am Automaten erwerben kann. Einig sind sich die Fahrgästen darüber, dass das vergünstigte Angebot eine gute Idee ist: „Ich finde es super“, sagt ein älterer Mann, der am Hauptbahnhof aus einem Regionalzug aus Aalen steigt. Der 77-Jährige kommt gerade aus Ellwangen und will die S21-Baustelle anschauen: „Bisher habe ich allein für die Strecke aus Ellwangen hin und zurück immer 21 Euro bezahlt.“ Dass das 9-Euro-Ticket einen nachhaltigen Effekt auf die Fahrgastzahlen im ÖPNV haben wird, glaubt er indes nicht.

Verband rechnet mit „erhöhtem Fahrgastaufkommen“

Durch die Einführung des Tickets, das von Juni bis August deutschlandweit in allen Verkehrsmitteln des ÖPNV und Regionalverkehrs gilt, rechnet der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Baden-Württemberg zwar mit einem „erhöhten Fahrgastaufkommen“. Allerdings lägen die Fahrgastzahlen auf Grund der Pandemie bei nur rund 80 Prozent gegenüber der Vor-Corona-Zeit.

Inklusive der durch die SSB verkauften 9-Euro-Tickets zählte man beim VVS im gesamten Verbundgebiet am Mittwoch rund 300 000 verkaufte 9-Euro-Fahrscheine, so VVS-Sprecherin Ulrike Weißinger. „Dazu kommen rund 350 000 umgestellte Abonnements, sodass wir zum jetzigen Zeitpunkt etwa 650 000 Nutzer haben.“