Unsere Streaming-Empfehlungen fürs Wochenende: „Against the Ice“, „Diener des Volkes“, „Star Trek – Picard“, „Lincoln’s Dilemma“ und „The 355“ Foto: Netflix, arte, Amazon Prime, Apple TV+, Sky

Welche neue Serie sollten Sie jetzt bingen? Welchen Film schauen, wenn Sie am Wochenende nur wenig Zeit vor dem Bildschirm verbringen wollen? Gibt es bei Netflix, Amazon und Co. Schätze, die Sie übersehen haben? Und was lohnt sich in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender? Hier erfahren Sie, was sich gerade zu schauen lohnt.

So viele Streamingdienste, so viele Mediatheken, so viele Serien, Filme und Dokus – und so wenig Zeit. Und weil das Wochenende viel zu kostbar ist, um es vor dem Fernseher bei einem schlechtem Programm zu vergeuden, verraten wir Ihnen hier, was sich jetzt besonders zu schauen lohnt.

► Ich will wissen, wie lustig Selenskyj war, bevor er ukrainischer Präsident wurde

Diener des Volkes

Zu sehen in der Arte-Mediathek

Ach, den haben wir schnell unter Kontrolle, denken sich die Oligarchen im Hintergrund mit Blick auf den neuen ukrainischen Staatspräsidenten. Diese Typen, Mixturen aus Gangsterboss und Konzernchef, sitzen in der ukrainischen Satireserie „Diener des Volkes“ immer wieder mal in Monopoly-Runden beieinander, in denen zynisch um echte Konzerne und Milliarden gespielt wird. Die Kamera zeigt sie nie ganz, nur in Anschnitten, lässt ihnen so drohend Geheimnisvolles. Sie mischen sich machtvoll in die Geschicke der Sterblichen wie einst die griechischen Götter vom Olymp herab: Jeder weiß, dass sie da sind, keiner bekommt sie zu fassen. „Diener des Volkes“ ist eine schlaue, respektlose, erfrischend boshafte und doch sehr realitätsnahe Serie.

Vor allem ist es diejenige Serie, mit der Wolodymyr Selenskyj, der reale Präsident der Ukraine, der jetzt vor den Augen der Welt ein zu zähem Widerstand entschlossenes Land im Krieg gegen einen übermächtigen Aggressor führt, in der Ukraine zum politischen Hoffnungsträger wurde. Selenskyj hat Jura studiert, wurde Kabarettist, dann TV-Schauspieler, und ab 2015 in der von ihm mitproduzierten Serie „Diener des Volkes“ ein Symbol der Hoffnung. Selenskyj spielt hier einen kleinen Geschichtslehrer, der Präsident wird, weil das Volk alles Vertrauen in eine korrupte politische Kaste verloren hat.

Dieser Wassyl Pedrowitsch Holoborodko will nun ehrliche Politik machen, aufräumen mit der Vetterleswirtschaft, der Plünderung der Staatskassen, dem Schlendrian. Folge um Folge merkt er, wie schwer das ist. Nie gibt er auf.

Das ist oft höchst vergnüglich, immer auch erschreckend. Man bekommt einen Eindruck davon, wie übel die teils russlandtreuen alten Eliten das Land zugerichtet hatten. Die TV-Zuschauer wollten den ehrlichen TV-Präsidenten nicht bloß als schönen Traum hinnehmen, sie wollten so etwas in echt. Und weil Selenskyj als Holoborodko so überzeugend und sympathisch war, wählten sie ihn ins Amt. In „Diener des Volkes“ kann man nun auch sehen, welchen Idealen sich Selenskyj sich verpflichtet sieht, mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen hatte, begreift nun besser, dass nicht jeder Kompromiss ein Verrat war, sondern unter den vorgefundenen Bedingungen immer noch ein Sieg. In der Serie kann man sicher sein, dass eine schützende Hand über dem Reformer waltet. In der grausigen Realität des Krieges sehen wir einen Präsidenten, dessen Schicksal so beklemmend ungewiss ist wie das des ganzen Landes. (tkl)     

► Welchen Serienstart sollte ich jetzt nicht verpassen?

Star Trek – Picard

Zu sehen bei Amazon Prime Video

„Ich bin viel zu alt für diesen Blödsinn“, sagt Jean-Luc Picard (Patrick Stewart). Doch schon in der ersten Staffel des „Star Trek“-Serienablegers stellte sich heraus, dass kaum jemand dem Ex-Kommandanten des Raumschiffs Enterprise das Rentnerdasein im sich pittoresk an sonnenverwöhnte Weinberge schmiegenden Château Picard gönnen will. In der zweiten Staffel wird er erneut zum Science-Fiction-Helden wider Willen. Sein Job ist diesmal, die Zukunft vor einer falschen Vergangenheit zu schützen.

Die zweite Staffel hat zehn Teile und startet an diesem Freitag. Jeden Freitag wird eine neue Episode veröffentlicht. Man braucht also Geduld. Wer allerdings die erste Staffel noch nicht gesehen hat, hat in diesem Fall Glück und kann das ganze Wochenende Mit Jean-Luc Picard verbringen. (gun)          

► Frauen haben auch das Recht, Agentinnen zu sein und sich zu prügeln!

The 355

Zu sehen bei Sky

Wenn die deutsche Charakterdarstellerin Diane Kruger („Aus dem Nichts“) als BND-Agentin zu großer Form aufläuft, muss ihre amerikanische Kollegin Jessica Chastain („Die Erfindung der Wahrheit“) sich als CIA-Agentin gewaltig anstrengen, um nicht unter die Räder zu kommen. Wie die beiden einander beharken, wie sie rennen, schießen und sich prügeln in der ersten Hälfte des Thriller „The 355“, ist eine Wucht; mancher männliche Actions-Star dürfte da ein wenig blass werden.

Der Regisseur und Autor Simon Kinberg („X-Men: Dark Phoenix“) hat seinen Spielfilm sehr klassisch angelegt. Vier Spezialistinnen – Lupita Nyong’o spielt eine Hackerin, Penelope Cruz eine Psychologin – müssen eine Wunderwaffe wiederbeschaffen, die in die Hände finsterer Kerle gefallen ist. Sie arbeiten dabei mit allerlei originellen Tricks.

Die weibliche Perspektive aber ist gut inszeniert, Männer und Kinder zu Hause spielen eine wichtige Nebenrolle. Am Ende werden die vier in einen maskulinen Gewaltexzess gezwungen, in dem es selten echte Gewinner gibt. Chastain hat den Streifen mitproduziert, dessen Motto lauten könnte: Wieso warten, bis James Bond vielleicht endlich weiblich wird? (ha)       

► Ich will „Game of Thrones“-Stars!

Against the Ice

Zu sehen bei Netflix

Neues aus der Kategorie: Was macht eigentlich? Diesmal: Nikolaj Coster-Waldau.  Der Däne war acht Jahre lang Jamie Lannister in dem Fantasy-Hit „Game of Thrones“. Im Jahr 2019 endete die Superlativ-Show, und Coster-Waldau hat sich viel Zeit gelassen, um – Achtung, Spoiler! – zwischen all den Steinbrocken hervorzukriechen, unter denen er im Serienfinale zusammen mit Lena Headey (Cersei Lannister) begraben wurde.

Doch jetzt ist er zurück. Das Filmdrama „Against the Ice“, das im Februar bei der Berlinale Premiere feierte, ist soeben bei Netflix gestartet. Doch bevor Sie sich zu früh freuen wegen des eisigen Titels: Der Film ist kein „Game of Thrones“-Spin-off, das jenseits der gigantischen Eismauer an der nördlichen Grenze der Sieben Königslande spielt. In dem Abenteuerfilm ist Coster-Waldau der dänische Kapitän Ejnar Mikkelsen, der im Jahr 1909 zu einer Expedition nach Grönland aufbricht. Das Schiff bleibt bald im Eis stecken – und ein schreckliches Ende droht.

Ein Fest für „Game of Thrones“-Fans ist der Film trotzdem: Denn Coster-Waldau, der auch das Drehbuch geschrieben hat, ist nicht der einzige alte Bekannte aus Westeros. Mit dabei ist zudem Charles Dance, der einen dänischen Minister spielt – und den man aus „Game of Thrones“ als Tywin Lannister, Lord von Casterly Rock, und damit als Vater von Jamie Lannister kennt. (gun)

► Ich mag Dokumentationen: Was soll ich schauen?

Lincoln’s Dilemma

Zu sehen bei Apple TV+

Lange vor den aktuellen Desinformationskampagnen zur Präsidentschaftswahl, zu allen möglichen Fragen der Politik, zu Corona und Impfstoffen, gab es in den USA schon viel früher ein Thema, bei dem unterschiedliche Fraktionen keine Übereinkunft über die Realität mehr finden konnten. Es ging um die Epoche der Sklaverei, um die Loslösung der Südstaaten von den Vereinigten Staaten und den von 1861 bis 1865 dauernden Bürgerkrieg, der daraus erwuchs. Es gab im Süden immer Reaktionäre, die der alten Plantagenwelt nachtrauerten, die dreist behaupteten, dort sei es den aus Afrika Verschleppten und deren im Land geborenen Nachkommen gut gegangen. Aber dem Großteil der USA galt Abraham Lincoln eben als einer der besten Präsidenten, die je das Land führten, als Sklavenbefreier und Anwalt der Menschenrechte, als aufrechte Gestalt in schwierigsten Zeiten.

Dieses Lincoln-Bild verlor in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr an Überzeugungskraft. Die Rechten schossen sich ein auf Lincoln als Intriganten und Fanatiker, der das Land unnötigerweise in einen Krieg gestürzt habe und die Schuld an verheerenden Langzeitfolgen trage. Linke und nicht wenige Afroamerikaner aber sehen in Lincoln nun einen Heuchler und Machtpolitiker, der die Sklavenbefreiung widerwillig akzeptierte, der eigentlich nur die Union beieinander halten wollte, aber drauf und dran war, den Krieg zu verlieren. Also habe er, um den Norden zu motivieren und den Süden wirtschaftlich zu schwächen, die Zeit der Ketten für beendet erklärt - obwohl auch er sich schwarze Amerikaner als vollwertige Mitbürger gar nicht vorstellen konnte und wollte.

Solche wild auseinanderklaffenden Geschichtsinterpretationen haben als Gegenrede viele interessante Bücher hervorgebracht, die Parteilichkeit und Eifer durch Forschung und Überlegung ersetzen. Und nun gibt es eine vierteilige Dokumentarserie, „Lincoln’s Dilemma“, basierend auf Forschungen und Schriften des Historikers David S. Reynolds, die auch den mit der Thematik noch nicht Vertrauten eine ausdifferenzierte Darstellung der Epoche, von den Konflikten und Verwerfungen im Land, der Entwicklung des Krieges und den Motiven von Lincolns Handeln gibt. Mit guten Interviews, flotten Animationen, aber ohne Mätzchen werden die Probleme der USA von damals aufgefächert. Was die Serie besonders wichtig macht: sie verdeutlicht, ganz aus dem Stoff heraus, ohne den Zeigefinger zu heben, wie schnell aus politischem Dissens eine hoch entflammbare Feindschaft wird. Wie schnell die tiefe Spaltung eines Landes dazu führen kann, dass aus Streit Kampf, aus Kampf Übergriff, aus einer Folge von Übergriffen Bürgerkrieg wird. (tkl)