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Die Stuttgarter sind am 26. Mai aufgerufen, über die neue Zusammensetzung ihres Gemeinderates abzustimmen. Nachfolgend Wissenswertes über den anstehenden Urnengang.

A wie Auszählung: Die Kommunalwahl ist eine arbeitsintensive Angelegenheit und eine der wenigen Wahlen, bei der noch nicht einmal ein vorläufiges Ergebnis am selben Abend bekannt gegeben werden kann – was nicht nur daran liegt, dass laut Vorschrift zuerst die gleichzeitig stattfindenden Europa- und Regionalwahlen ausgezählt werden müssen. Durch das Kumulieren und Panaschieren dauert die Auszählung mehrere Stunden. Deshalb ist erst am Folgetag, 27. Mai, mit dem Stimmzettelergebnis zu rechnen, das amtliche Endergebnis wird am Dienstag, 28. Mai, bekannt gegeben. Dann steht endgültig fest, welcher Kandidat den Sprung ins Stadtparlament geschafft hat.

B wie Bezirksbeiräte: Nach jeder Gemeinderatswahl werden in den 18 äußeren und fünf inneren Stadtbezirken neue Bezirksbeiräte gebildet. Wie viele Mitglieder das jeweilige Gremium hat, hängt von der Einwohnerzahl des Stadtbezirks ab, die politische Zusammensetzung ergibt sich aus dem Kommunalwahlergebnis: Je nachdem, wie die Parteien und Bündnisse beispielsweise in Untertürkheim oder Bad Cannstatt abgeschnitten haben, erfolgt die Sitzverteilung in den jeweiligen Gremien. Die Parteien entscheiden selbst, wen sie in den Bezirksbeirat entsenden. Eine Direktwahl der Bezirksbeiräte wird zwar seit Jahren diskutiert, gibt es bislang aber nicht.

C wie Chancen: Je attraktiver für Wähler der Beruf des Kommunalwahlkandidaten, um so besser stehen dessen Chancen. Eine Analyse des Statistischen Amtes Stuttgart zeigt, dass Selbstständige und höhere Angestellte und Beamte die besten Stimmenergebnisse erzielten. Zu den erfolgreichsten Bewerbern gehörten die Berufe Erzieherin, Polizist, Hochschulprofessor, Arzt, Apotheker und Krankenschwester. Weniger beliebt waren Ingenieurs- und kaufmännische Berufe. Auch ein Doktortitel ist von Vorteil.

D wie demokratisch: Die Sitzverteilung im Gemeinderat wird zum zweiten Mal nach der Methode von Sainte-Laguë/Schepers, auch Divisormethode mit Standardrundung genannt, berechnet. Die Sitzverteilung ergibt sich, indem die Zweitstimmen der Parteien durch eine bestimmte Zahl geteilt werden, die Ergebnisse werden dann gerundet und ergeben die Mandate für jede Partei. Das Höchstzählverfahren gilt als demokratischer als d’Hondt, es kommt kleineren Parteien und Wählervereinigungen zugute. Denn es genügen weniger Stimmen, um als Liste einen Sitz im Gemeinderat zu erlangen.

E wie Erstwähler: Bei der Gemeinderatswahl 2014 konnten Jugendliche ab 16 Jahren zum ersten Mal ihre Stimme abgeben. Von diesem Recht können diesmal 25 000 Jugendliche Gebrauch machen. Hinzu kommt ein weiterer Personenkreis: Erstmals wahlberechtigt sind am 26. Mai Menschen mit Behinderungen, die auf gerichtlich bestellte Betreuung angewiesen sind. Die Gesetzesänderung hatte der baden-württembergische Landtag erst vor wenigen Wochen auf den Weg gebracht. 470 Stuttgarter haben der städtischen Behindertenbeauftragen Simone Fischer zufolge derzeit eine Betreuung in allen Angelegenheiten.

F wie Frauenanteil: Frauen stellen mit einem Anteil von 50,6 Prozent gut die Hälfte der Wahlberechtigten. Aber sie sind im Gemeinderat eher unterrepräsentiert. Gewählt wurden gerade mal 21 Stadträtinnen, durch Nachbesetzungen sitzen derzeit 24 weibliche Abgeordnete im 60-köpfigen Stadtparlament. Das entspricht einer Quote von 40 Prozent. Der Frauenanteil im Stuttgarter Gemeinderat stagniert: 1999 und 2004 betrug er jeweils 43 Prozent und 2009 noch 40 Prozent. Im diesjährigen Bewerberfeld sind von den insgesamt 913 Kandidaten nur 361 weiblich – das sind gerade mal 39,5 Prozent.

G wie Gemeinderat: Der Gemeinderat wird alle fünf Jahre gewählt. Er ist die Vertretung der Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde. „Der Gemeinderat legt die Grundsätze der Verwaltung fest und entscheidet über alle Angelegenheiten, soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist oder der Gemeinderat ihm bestimmte Angelegenheiten überträgt.“ So steht es in der Gemeindeordnung. Dort ist ebenfalls festgelegt, wie viele Mitglieder das Gremium hat – die Zahl hängt von der Einwohnerzahl ab. In Stuttgart sind es 60 ehrenamtlich tätige Stadträte. Vorsitzender mit Stimmrecht ist der OB. Der ganze Gemeinderat umfasst somit 61 Mitglieder.


H wie Hochburgen: Die Parteien und Wählerinitiativen kommen in den Stadtbezirken unterschiedlich gut an. Die CDU holte 2014 die meisten Stimmen in Mühlhausen und Münster, die Grünen punkteten in den Innenstadtbezirken, die Freien Wähler sind stark in Hedelfingen und Obertürkheim, die SPD erzielte die besten Ergebnisse in Zuffenhausen und Stammheim, die FDP in Botnang und Birkach. Die Innenstadtbezirke sind auch die Hochburg von Linke und SÖS, Piraten und Stadtisten.

I wie Interesse: Das Wahlinteresse der Stuttgarter Bevölkerung ist seit Jahren rückläufig. Die Wahlbeteiligung von 46,6 Prozent vor fünf Jahren markierte gar einen Minusrekord in der Nachkriegsepoche. In den 23 Stadtbezirken sind deutliche Unterschiede zu erkennen: Zuffenhausen (36,1 Prozent) und Wangen (37,0 Prozent) bildeten die Schlusslichter, Sillenbuch (57,7 Prozent) und Degerloch (57,6 Prozent) stehen auf den Spitzenplätzen. Die Statistiker sehen ein sozialstrukturelles Phänomen: Laut den Statistikern hat die Wahlbeteiligung in „statusniedrigen“ Wohngebieten deutlich mehr abgenommen als in „statushohen“ Wohngebieten.

K wie Kosten: Der Urnengang ist keine billige Angelegenheit: Die Stadt kalkuliert für Europa-, Regional- und Kommunalwahl Kosten in Höhe von insgesamt rund zwei Millionen Euro. Neben Porto (700 000 Euro) sind die Ausgaben für zusätzliches Personal (500 000 Euro) und die Entschädigung für die Wahlhelfer (440 000 Euro) die größten Posten in der Rechnung. Am Wahltag selbst sind 3600 Freiwillige im Einsatz, am Montag und Dienstag helfen 1600 städtische Mitarbeiter beim Auszählen.

L wie Listenplatz: Auf welchem Platz die Gemeinderatskandidaten auf den Wahlzettel der Parteien oder Gruppierungen stehen, ist nicht unerheblich. Analysen der städtischen Statistiker haben gezeigt, dass die ersten zehn bis 20 Plätze die aussichtsreichsten sind. Aber auch Rang 58 bis 60 bieten gute Aufstiegschancen. Im mittleren Teil der Liste hingegen werden die Bewerber vom Wähler offenbar kaum wahrgenommen.

M wie Materialschlacht: Der Wahltag gleicht einer Materialschlacht. Die 349 Wahllokale, die in 212 städtischen Gebäuden sowie in kirchlichen und privaten Einrichtungen untergebracht sind, müssen jeweils mit zwei bis drei Wahlurnen (insgesamt rund 900) und ebenso vielen Kabinen bestückt werden. 4500 Stifte wurden eigens angeschafft. 740 000 Stimmzettel wurden für die Gemeinderatswahl gedruckt, die Stimmzettelblöcke haben laut Thomas Schwarz, dem Leiter des Statistischen Amtes, ein Gesamtgewicht von 60 Tonnen. Besonders aufwendig ist die Briefwahl. Mit gut 90 000 Anträgen wird diesmal gerechnet. Obgleich nicht jeder tatsächlich auch abstimmt: Für die Auszählung der Wahlbriefe wird viel Platz benötigt – genutzt werden dafür das SSB-Veranstaltungszentrum auf der Waldau und der Cannstatter Kursaal.

N wie Nichtwähler: Die Gruppe der Nichtwähler wächst stetig. Als Ursachen für die Enthaltung werden im Allgemeinen die nachlassende Bindungskraft der Parteien, politischer Protest gegen Personal und Politik der Parteien und Politikverdrossenheit gesehen. Nicht zur Wahl zu gehen wird von einigen Experten andersrum als stumme Zustimmung interpretiert – wenn alles flutscht, warum sollte man dann wählen gehen?

O wie Organisation: Wahlleiter ist Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Zuständig für die Organisation von Wahlen ist das Statistische Amt der Landeshauptstadt. Es hat mittlerweile alle Wahlbenachrichtigungskarten verschickt. In der Eberhardstraße 39 kann bereits die Briefwahl ausgeübt werden. Wer Fragen rund um den Urnengang hat, kann sich über die Hotline (Telefonnummer 216-92233) oder über das Internet (www.stuttgart.de/wahlen) informieren.

P wie Plakate: Zu jeder Wahl gehören Plakate – je mehr, um so besser, scheinen sich die Parteien und Kandidaten zu denken, die das Stadtgebiet längst mit Parolen und Porträts zugepflastert haben. Erlaubt ist das ab sechs Wochen vor dem Urnengang. Aber die Akteure müssen sich an Spielregeln halten: Die Plakate dürfen die Verkehrssicherheit nicht gefährden und nicht Passanten behindern, das Anbringen an Bäumen ist tabu. Ansonsten dürfen die zugelassenen Listen – immerhin 20 an der Zahl – jeweils 2500 sogenannte Konterfeiplakate aufhängen. Was bis zu 50 000 Plakate bedeuten könnte, wenn alle Listen gleichermaßen davon Gebrauch machen. Für die Großplakate wurden 400 Standorte von der Stadt vorgegeben. Weil die attraktivsten davon heiß begehrt sind, werden sie im Losverfahren vergeben.


Q wie Quote: Obwohl das baden-württembergische Wahlrecht durch die Möglichkeit des Panaschierens und Kumulierens nicht ganz einfach ist, ist die Quote der ungültigen Stimmzettel relativ gering. Sie lag bei der letzten Kommunalwahl 2014 bei gerade mal 1,9 Prozent. Rund ein Drittel der ungültigen Stimmen sind ungültig, weil die Wähler mehr als 60 Stimmen vergaben. Also gut zählen!

R wie Regeln: Jeder Wähler hat insgesamt 60 Stimmen, die er auf seine Wunschkandidaten aller 20 Listen verteilen (panaschieren) oder auf einzelne Bewerber anhäufen (kumulieren) kann – bis zu drei Stimmen pro Kandidat sind möglich. Die Verteilung der Sitze erfolgt nach der Stimmenanzahl je Wahlvorschlag. Welcher Bewerber einen Sitz erhält, richtet sich dann nach der Stimmenanzahl je Bewerber.

S wie Sitzverteilung: Aktuell setzt sich der Gemeinderat aus der CDU mit 17 Sitzen, gefolgt von den Grünen mit 14 Sitzen und der SPD mit neun Sitzen zusammen. Die Initiative SÖS hat 3 Sitze und die Partei Die Linke ebenfalls 3. Sie bilden mit den Piraten (1 Sitz) und der Studentischen Liste (1 Sitz) die Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus. Die Freien Wähler haben 4 Mandate. Die FDP ist mit 3 Sitzen vertreten. Die Rechtsnachfolgerin der einstigen AfD-Fraktion hat sich in BZS 23 (Bündnis Zukunft Stuttgart 23) umbenannt und besteht aus zwei Stadträten. Darüber hinaus gibt es die Einzelstadträte Ralph Schertlen, Eberhard Brett und Walter Schupeck.

T wie Terminkalender: Jedes Mitglied der Gemeinderatsfraktionen sitzt in mindestens einem beschließenden Ausschuss, viele auch in zwei. Die tagen wie der Gemeinderat in der Regel zwei Mal im Monat, der Ausschuss für Umwelt und Technik sogar wöchentlich. 2018 verbrachten die Abgeordneten 42 Stunden in Gemeinderatssitzungen, der Ältestenrat tagte zehn Stunden. Für die beschließenden Ausschüsse fielen 318 Stunden an, für die beratenden Ausschüsse 92 Stunden, für Sitzungen in Aufsichtsräten von städtischen Beteiligungsunternehmen 67 Stunden, für „Beiräte und sonstige Gremien“ 112 Stunden, für den Gutachterausschuss 272 Stunden. Darüber hinaus hat jeder Abgeordnete mehrere der 23 Stadtbezirke zu betreuen, dort muss er sich in Sitzungen ebenso wie bei Veranstaltungen zeigen. Für ihre Tätigkeit erhalten die Stadträte eine Aufwandsentschädigung: Der monatliche Grundbetrag liegt bei 1500 Euro, Fraktionschefs bekommen das Doppelte. Für die Sitzungsbeteiligung gibt es 60 Euro bei einer Dauer von bis zu fünf Stunden.


U wie Unionsbürger: Rund 72 000 in Stuttgart mit Hauptwohnsitz lebende EU-Ausländer können sich an dieser Gemeinderatswahl beteiligen. Die größte Gruppe sind die Kroaten mit 14 500 Wahlberechtigten. Seit 1999 können sie bei der Kommunalwahl ihre Stimme abgeben, doch sie machen davon wenig Gebrauch: 2014 beteiligten sich nur 11,4 Prozent der Unionsbürger an der Abstimmung. Wahlforschern zufolge fehlt es den Unionsbürgern zur Motivation vor allem an kandidierenden Landsleuten auf den Stimmzetteln. Sprachbarrieren, das komplexe baden-württembergische Kommunalwahlsystem sowie fehlende emotionale oder thematische Bindungen an den Wohnort Stuttgart dürften weitere Gründe für das geringe Wahlinteresse sein.

V wie Vorschläge: Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg haben so viele Parteien und Wählergemeinschaften um die 60 Gemeinderatsmandate gewetteifert. Ganze 20 Listen mit insgesamt 913 Bewerbern treten an – nur bei der Kommunalwahl 1999 waren es mehr Kandidaten (938). Neben zwölf bereits im Gemeinderat vertretenen Gruppierungen (CDU, Grüne, SPD, SÖS, Linke, Freie Wähler, FDP, Studentische Liste, Piraten, AfD, BZS 23 und Einzelstadtrat Ralph Schertlen) spekulieren weitere acht Listenvereinigungen auf die Stadtratsmandate. Die Liberal-konservativen Reformer (LKR) verzichten auf einen eigenen Wahlvorschlag. Ins Rennen gehen auch die ÖDP, die Tierschutzpartei, die Spaßpartei „Die Partei“, das „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“ (BIG), die Liste „Kein Fahrverbot in Stuttgart“, die Liste „Demokratie in Bewegung (DIB)“ und die „Feministische Liste Stuttgart“ (FeLi).

W wie Wahlbezirke: Das Stadtgebiet Stuttgart ist in 350 Wahlbezirke aufgeteilt. Die durchschnittliche Größe eines Bezirks beträgt derzeit etwa 1300 Wahlberechtigte bei der Kommunalwahl. Im kleinsten Wahlbezirk sind es 447 Wahlberechtigte, im größten 2566 Wahlberechtigte. Zudem gibt es 107 Briefwahlbezirke.

Z wie Zulassung: Zugelassen zur Kommunalwahl sind die Bürger und Bürgerinnen Stuttgarts – Deutsche ebenso wie Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union – ab dem vollendeten 16. Lebensjahr, die am Wahltag seit mindestens drei Monaten ihren Erstwohnsitz in Stuttgart angemeldet haben. Das sind am 26. Mai rund 450 000 Menschen. Die exakte Zahl steht erst am Wahltag fest, da sie sich durch Zu- und Wegzüge ständig verändert