Zu knapp vier Jahren Gefängnis ist ein Eritreer am Amtsgericht verurteilt worden, der 2023 im Hallschlag Polizisten schwer verletzt haben soll. Im Berufungsverfahren will die Anklage mehr und die Verteidigung kämpft für einen Freispruch.
Es flogen Flaschen, Steine und Stühle sowie alles, was auf einer Baustelle nicht niet- und nagelfest war. Bis zu 200 Personen haben Mitte September 2023 in Bad Cannstatt eine Veranstaltung des als regierungsnah geltenden Verbands eritreischer Vereine gestört und zahlreiche Gegenstände in Richtung von Polizisten geworfen. Die Beamten trennten die regimefeindlichen Randalierer von den Teilnehmern des Workshops, 35 Kräfte wurden bei dem Einsatz am Römerkastell teils schwer verletzt, zehn von ihnen waren vorübergehend dienstunfähig.
Betonfuß und Pflastersteine auf Polizisten geworfen
Ein Mitverantwortlicher für die massiven Ausschreitungen im Hallschlag soll ein 30 Jahre alter Mann gewesen sein. Der eritreische Flüchtling, der bis zu seiner Verhaftung in Laichingen bei Schwäbisch Hall wohnte, wurde Ende Februar am Amtsgericht Bad Cannstatt wegen des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs, der gefährlichen Körperverletzung und des tätlichen Angriffs auf Einsatzkräfte zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Richterin Marisa Marte sah es als erwiesen an, dass der Mann als Erstes einen Gegenstand, einen Betonfuß eines Bauzauns, in Richtung der Einsatzkräfte geworfen und damit die Krawalle mitinitiiert haben soll. Anschließend warf er offenbar noch mehrere 3,5 Kilo schwere Pflastersteine. „Er nahm erheblichen Personen- und Sachschaden billigend in Kauf“, sagte Marte am Ende der eintägigen Verhandlung.
Am Montag ist der Prozess neu aufgerollt worden. Es ist das erste von bislang drei Berufungsverfahren am Landgericht Stuttgart rund um die Krawalle am Römerkastell. „Wir haben einen Freispruch beantragt, das ist nach wie vor das Ziel“, sagt Rechtsanwältin Sarah Burkhardt. Doch nicht nur sie hat Rechtsmittel eingelegt. „Die Staatsanwaltschaft strebt eine höhere Strafe an“, hieß es vonseiten der Anklage. Der Prozess ist zunächst auf vier Verhandlungstage angesetzt. Wie schon am Amtsgericht werden Zeugen, vor allem Polizisten, gehört und Videos begutachtet. Ein Team aus fünf Super-Recognisern, die besonders gut Gesichter wiedererkennen können, hatte nach den Krawallen rund 120 Stunden Material ausgewertet.
Einer der Hauptaspekte im Verfahren wird sein, ob man dem Angeklagten, der sich beim Auftakt weder zur Tat noch zur Person äußerte, nachweisen kann, dass er Gegenstände in Richtung der Polizisten geschleudert hat. Aufgrund seiner Kleidung, seiner Statur und seines Haaransatzes hatten ihm die Ermittler vier Taten zugeordnet, auch Amtsrichterin Marte hielt ihn für eindeutig überführt. Ob auch Wolfgang Wünsch, Richter am Landgericht, zu dieser Einschätzung kommt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Der Berufungsprozess wird am Montag, 14. Oktober, fortgesetzt. Mit den Plädoyers wird am Donnerstag, 17. Oktober, gerechnet.