Die Koninklijke Cacao- en Chocoladefabrieken C.J. van Houten & Zoon NV te Weesp war ein 1815 gegründeter niederländischer Hersteller von Schokoladenprodukten, der seit 1972 nur noch als Marke existiert. Foto: Imago/Kharbine-Tapabor

Bislang galt die Erfindung der Kakaobutterpresse im Jahr 1828 als Geburtsstunde der essbaren Schokolade. Nun hat eine Wissenschaftlerin einen früheren Beleg gefunden – und zwar in Briefen der Gebrüder Grimm.

Als Geburtsstunde der Essschokolade gilt bislang das Jahr 1828, in dem der Niederländer Coenraad Johannes van Houten die Kakaobutterpresse erfand. Nun gibt es aber Hinweise, dass die beliebte Süßspeise hierzulande schon einige Jahre früher bekannt war. Einen Beleg dafür fand eine Wissenschaftlerin der Universität Kassel in Briefen der Gebrüder Grimm, wie die Hochschule jetzt mitgeteilt hat.

Coenraad Johannes van Houten (1801-1887) war ein niederländischer Apotheker und Chemiker. Foto: Imago/Kharbine-Tapabor
Er gilt als Erfinder des Kakaopulvers, das er und sein Vater durch ein neues Verfahren zur Entölung der Kakaobohnen und Verbesserung der Wasserlöslichkeit entwickelten. Foto: Imago/Kharbine-Tapabor

Schokoladekugeln von Tante Henriette für Brüder Grimm

Ihre Entdeckung machte die Kunsthistorikerin Andrea Linnebach-Wegner, als sie für ein Forschungsprojekt den Briefwechsel der Gebrüder Grimm mit ihren älteren Verwandten auswertete.

Coenraads Vater Casparus van Houten hatte im Jahr 1815 in Amsterdam die Van Houten Schokoladenfabrik eröffnet, in die sein Sohn eintrat. Foto: Imago/Kharbine-Tapabor
Dort entwickelte der Vater eine hydraulische Presse, mittels der der Fettgehalt der Kakaomasse von 54 Prozent Kakaobutter um die Hälfte reduziert werden konnte. Foto: Imago/Kharbine-Tapabor

„Ich stieß auf einige Stellen, in denen Schokoladenkugeln erwähnt werden und die mich als Kulturhistorikerin sofort elektrisierten“, erzählt Linnebach. So habe die Tante der Brüder Grimm, Henriette Zimmer, im Jahr 1812 an ihre Neffen geschrieben, dass sie ihnen Schokoladenkugeln schicke.

Dieses Verfahren ließen sich Coenraad und Casparus 1828 patentieren. Die nach der Pressung zurückbleibende, weniger fetthaltige Masse lässt sich zu Kakaopulver verarbeiten. Foto: Imago/Kharbine-Tapabor

Zimmer sei Kammerfrau der hessischen Kurfürstin gewesen. Sie soll auf die seltene Süßigkeit gestoßen sein, als sie während der französischen Besatzung Kassels 1806 mit ihrer Herrin nach Gotha ins Exil gegangen war. Der dortige Hofkonditor habe bereits sehr früh mit fester Schokolade experimentiert.

Das Verfahren wurde nach seinem Heimatland als Dutch Process oder Dutching bezeichnet. Neben der Herstellung von Trinkschokolade dient Kakaopulver als Zwischenprodukt der Schokoladenherstellung. Foto: Imago/Gemini Collection
1850 verlegte Coenraad seine Schokoladenfabrik, die bis dahin in einer Windmühle in Leiden angesiedelt war, in eine Fabrikanlage in Weesp. Foto: Imago/Gemini Collection

„Pralins von Chokolade“ von Gothaer Hofkonditor

Jacob und Wilhelm Grimm lebten zu dieser Zeit in Kassel und arbeiteten an ihren berühmten „Kinder- und Hausmärchen“. In einem Brief vom 7. März 1812 bedankte sich Wilhelm Grimm für das „angenehme Chokolatgeschenk“ und ergänzte: „Ich gehe nicht spatziren, ohne ein paar einzustecken.“

Das Geschäft florierte und er exportierte bald Schokolade und Schokoladenpulver nach England, Frankreich und Deutschland. Foto: Imago/Kharbine-Tapabor
1865 trat Casparus Jr. in die Fabrik ein, die er – nach dem Tod des Vaters – 1887 übernahm. Foto: Imago/alimdi

Durch diesen Briefwechsel sei Linnebach auf das Rezept eines Gothaer Hofkonditors für „Pralins von Chokolade“ aufmerksam gemacht worden. Dabei dürfte es sich um die Geschenke der Tante Henriette gehandelt haben.

Andrea Linnebach-Wegner mit der Edition des Briefwechsels und Schokoladen-Kugeln nach dem Gothaer Rezept. Foto: Universität Kassel

Linnebach nennt den Fund „eine kleine kulturhistorische Sensation“. Ihre Edition des Briefwechsels erschien bereits im vergangenen Jahr (Andrea Linnebach (Hg.: Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit ihren älteren Verwandten, Hirzel, Stuttgart 2023).

Der frühe Beleg für die Essschokolade sei den Angaben der Universität Kassel zufolge aber erst jetzt einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgeworden, nachdem Linnebach eine Kasseler Schokoladenmanufaktur dazu angeregt habe, die Kugeln nach dem Gothaer Rezept herzustellen.