Nürnberg-Trainer Jens Keller war wegen der Drohungen sichtlich bestürzt. Foto: dpa/Nicolas Armer

Die Anfeindungen im deutschen Fußball erreichen beim Zweitligaspiel in Nürnberg eine neue Dimension. „Club“-Profis werden auf Plakaten massiv bedroht. Die Polizei ermittelt, die Beteiligten sind bestürzt.

Nürnberg - Jens Keller war innerlich aufgewühlt und rang um Worte. „Es ist schon Wahnsinn, in welcher Welt wir mittlerweile leben, was man alles mitmachen muss, wenn man in der Öffentlichkeit steht“, sagte der Trainer des 1. FC Nürnberg sichtlich bestürzt nach dem 0:3 des 1. FC Nürnberg im Zweitligaspiel gegen Hannover 96.

Die Anfeindungen in deutschen Fußballstadien haben am Freitag in Franken eine neue Dimension erreicht. Nach der Partie machten die Verantwortlichen des FCN publik, dass es am Morgen im Umfeld des Max-Morlock-Stadions und des FCN-Trainingsgeländes Droh-Plakate in DIN-A-4-Größe gegen „Club“-Profis gegeben hatte. Der Verein schaltete umgehend die Polizei ein. Die Ermittlungen gegen Unbekannt laufen.

Im Internet tauchte später eines der Plakate auf. Mehrere Medien berichteten auch über den Inhalt, der eine unfassbare kriminelle Botschaft enthielt. Wann trenne sich der Verein endlich „von solchen Anti-Fußballern“ wie Lukas Mühl, Hanno Behrens und so weiter, hieß es dort. Die Anfeindungen gipfeln in dem alarmierenden Schlusssatz: „Muss es denn einen zweiten Fall Escobar geben“? Damit wurde auf die Ermordung des kolumbianischen Nationalspielers Andres Escobar nach einem Eigentor bei der Weltmeisterschaft 1994 in den USA angespielt.

„Das ist ein Fall, der überschreitet Grenzen“

„Das ist ein Fall, der überschreitet Grenzen“, sagte Nürnbergs Sportvorstand Robert Palikuca. Er sprach von „sehr eindeutigen Drohungen“ und bezeichnete die Aktion des oder der Verursacher als „widerlich und geschmacklos“. Palikuca nannte sie „Vollidioten“. Der Verein machte selbst aus „ermittlungstaktischen Gründen“ keine konkreten Angaben zur Anzahl der Aufkleber oder den Inhalten.

Die betroffenen Akteure seien vor dem Spiel informiert gewesen, berichtete der „Club“. Kapitän Behrens lief gegen Hannover trotzdem auf, Abwehrspieler Mühl fehlte wegen einer Verletzung. Palikuca hätte Verständnis gehabt, „wenn sie nicht Fußball spielen hätten wollen“.

Der Verein teilte zudem mit, dass ab sofort alle Trainingseinheiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden würden. Spieler des FCN würden vorerst auch keine Sponsoren- oder PR-Termine wahrnehmen. Begründet wurden diese Maßnahmen jedoch mit dem neuen Coronavirus.

Der Leistungseinbruch der Mannschaft nach dem frühen 0:1 durch Timo Hübers, dem später noch Treffer von Linton Maina und Hendrik Weydandt folgten, erschien jedenfalls nach dem Abpfiff in einem anderen Licht, auch wenn Keller ihn nicht allein auf die Drohungen zurückführen wollte. „Ich weiß nicht, ob es einen Zusammenhang gibt“, sagte er.

„Wenn du dich vor dem Spiel mehr mit so etwas beschäftigst als mit dem Spiel, dann ist das einfach traurig“, bemerkte der 49 Jahre alte Coach aber auch: „Wir machen die schönste Nebensache der Welt, das ist Fußball. Aber da wird Fußball eine ganz kleine Nebensache.“

Keller setzte den Vorfall auch in den Kontext „der aktuellen Zeit, was mit (Dietmar) Hopp alles passiert ist, und mit den Fadenkreuzen - und dann passiert so etwas“. Er sprach von einer „geplanten, großflächigen Aktion“, die angesichts des Aufwärtstrends seiner Mannschaft in der Rückrunde umso unverständlicher sei. „Das kann ja nicht sein. Wir haben die letzten Wochen relativ gut performt. Mir fehlen da die Worte und es nimmt einem den Spaß an dem Spiel.“