Mountbatten (Hugh Bonneville) und seine Frau (Gillian Anderson, rechts) erleben einen Kulturschock. Foto: Tobis Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Esslingen - Die Geburt einer neuen Nation geht selten ohne Verletzungen ab. Und wenn aus einem Kolonialgebiet voller religiöser Gegensätze zwei eigenständige Staaten werden, ist alles noch viel komplizierter. Vieles, was uns heute am gespannten Verhältnis zwischen Indien und Pakistan befremden mag, lässt sich nach einem Blick in die Geschichtsbücher besser erklären. Denn der Weg der Kronkolonie Britisch-Indien in die Unabhängigkeit war 1947 Ergebnis eines schmerzvollen Prozesses, an dessen Ende eine folgenschwere Teilung stand. Wie damals alles kam, wer im Hintergrund die Fäden zog und wie die große Weltpolitik in das Leben unzähliger Menschen eingriff, erzählt Gurinder Chadha in ihrem Historien-Drama „Der Stern von Indien“.

Trügerischer Glanz der Krone

Lord Mountbatten (Hugh Bonneville) geht 1947 mit seiner Frau Edwina (Gillian Anderson) und seiner Tochter Pamela (Lily Travers) nach Delhi, um als Vizekönig den Weg Indiens in die Unabhängigkeit zu begleiten. Anders als ihre Vorgänger interessieren sich die Mountbattens für das Land und seine Menschen. Und während er versucht, den Hintergründen der indischen Politik auf die Spur zu kommen, geht Edwina bewusst auf die Menschen zu. Zuhause in England erwarten alle, dass der neue Vizekönig Indiens Übergang in die Unabhängigkeit möglichst geräuschlos über die Bühne bringt. Ihm wird jedoch rasch klar, dass ein sofortiger Rückzug der Briten unsinnig wäre, weil die Inder viel zu zerstritten sind - vor allem wegen der religiösen Gegensätze zwischen Hindus und Muslimen. Wie schwierig es ist, beide zu versöhnen, zeigt der Film am Beispiel zweier Bediensteter: Der Diener Jeet (Manish Dayal), ein Hindu, und die muslimische Lehrerin Aalia (Huma Qureshi) lieben einander von Herzen, doch sie ist ihrem Glaubensbruder Asif (Arunoday Singh) versprochen. Und Aalias Liebe zu Jeet verstößt ob der religiösen Gegensätze gegen alle Konventionen.

Unterdessen versucht Mountbatten, die wichtigsten indischen Politiker für eine friedliche Lösung zu gewinnen: Muhammad Ali Jinnah (Denzil Smith), der Führer der Muslime, will jedoch die Teilung des Landes und die Gründung eines muslimischen Pakistan, während sein Gegenspieler Mahatma Gandhi (Neeraj Kabi) für die Einheit des Landes kämpft - ein Konflikt, der sich in Jeet und Asif widerspiegelt. Schließlich brechen überall im Land Unruhen aus und Mountbatten spürt, dass nur eine Teilung der Kronkolonie in ein hinduistisches Indien und ein muslimisches Pakistan verhindern kann, dass alles im Chaos endet. So wird auseinandergerissen, was bis dahin zusammengehört hat - im Großen und im ganz privaten Kleinen ...

Gurinder Chadha wurde erst 13 Jahre nach der Abspaltung Pakistans geboren, doch die indische Teilung hat tief in ihre Familie hineingewirkt. Vieles hatte sie über die Ereignisse von 1947 gehört und gelesen, und die Vorstellung, einen Film über dieses schwierige Thema zu drehen, hat ihr zunächst Kopfzerbrechen bereitet. Doch je tiefer sie eintauchte, desto klarer ist ihr geworden, dass manche Legenden einer näheren Überprüfung nicht standhalten. Vor allem die historische Figur des Lord Mountbatten sah sie plötzlich in einem neuen Licht: „Er war für uns nicht mehr der machiavellistische Architekt der indischen Teilung, sondern ein Mann, der unwissentlich zum Spielball versteckt agierender politischer Mächte wurde.“ Chadha zeigt, welch sonderbare Blüten der Widerstreit unterschiedlichster Interessen trieb, mit welcher Skrupellosigkeit auch seine eigenen Leute hinter dem Rücken des Vizekönigs egoistische Interessen durchsetzten und wie viele einfache Menschen darunter zu leiden hatten und bis heute leiden, dass diejenigen, die in ihren jeweiligen Lagern das Sagen hatten, konsequent den Weg der Vernunft verweigerten. Wie wohltuend wirken da zwei Menschen wie Lord Mountbatten und seine Edwina, die das Herz am rechten Fleck hatten und die Hugh Bonneville und Gillian Anderson als echte Sympathieträger zeigen.

Gurinder Chadha zeigt in diesem opulent bebilderten Historien-Drama, wie Indien und Pakistan nach dem Ende der britischen Kolonialherrschaft getrennte Wege gingen und wie die damalige Teilung bis heute das Leben unzähliger Menschen bestimmt.