Alex (Yaniss Lespert, rechts) beobachtet leicht befremdet, was ein Internet-Flirt mit dem alten Pierre (Pierre Richard) anstellt. Foto: Neue Visionen Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Esslingen - Ältere Zeitgenossen tun sich bisweilen schwer mit dem Internet: Die neue Technik bietet ungeahnte Herausforderungen, die virtuelle Welt birgt zahlreiche Fußangeln, und wer nicht aufpasst, der kann sich ganz böse im Dschungel der Bits und Bytes verirren. Kein Wunder, dass mancher Senior bisweilen entnervt stöhnt: „Kann denn nicht mal jemand dieses Internet abschalten ...?“ So weit will es der Titelheld in Stéphane Robelins charmanter Komödie „Monsieur Pierre geht online“ gar nicht erst kommen lassen. Er macht einen weiten Bogen um all die multimedialen „Teufelsmaschinen“ und vergräbt sich lieber in seiner Wohnung, umgeben von alten Erinnerungen. Doch die digitale Welt lässt sich nicht ewig aussperren, und als sich der alte Pierre in die Geheimnisse der Computerwelt einführen lässt, findet er mehr und mehr Gefallen an deren Möglichkeiten - und das soll nicht nur für ihn selbst ungeahnte Folgen haben.

Zwei Männer raufen sich zusammen

Witwer Pierre (Pierre Richard) ist ein notorischer Miesepeter, dem jegliche Veränderungen fremd sind. Er schaut sich lieber zuhause alte Urlaubsfilme an, die ihn an seine verstorbene Frau erinnern. Die Wohnung ist ein Desaster, im Kühlschrank schimmelt verdorbenes Essen vor sich hin, und mit jedem Tag wird Pierre ein bisschen wunderlicher. Das bereitet seiner Tochter Sylvie (Stéphane Bissot) zunehmend Sorgen. Mit allen Mitteln versucht sie, den alten Herrn zurück ins Leben zu bringen. Doch der zeigt sich halsstarrig, und so beschließt Sylvie: Wenn ihr Vater sich der Welt verweigert, dann muss die Welt eben zu ihm kommen - und zwar auf virtuellen Wegen. Ein Computer ist schnell gekauft, doch Pierre sieht sich bereits überfordert, wenn er das seltsame Gerät nur einschalten soll. Deshalb braucht er einen Nachhilfekurs in moderner Kommunikationstechnik. Ein Lehrer ist dann rasch gefunden: Alex (Yaniss Lespert), der Freund von Sylvies Tochter, der als erfolgloser Schriftsteller ständig klamm ist und viel Zeit für Nachhilfestunden hat.

Anfangs tun sich die beiden miteinander schwer, weil Pierre nicht die geringste Lust hat, etwas zu lernen, das er im Grunde seines Herzens zutiefst verachtet. Dann gerät der Alte zufällig an ein Datingportal, das sein gesteigertes Interesse weckt. Eigentlich hatte Pierre, dessen Charme ihm in jungen Jahren manche Tür geöffnet hatte, mit dem anderen Geschlecht abgeschlossen, doch die beruhigende Anonymität des Internets ermuntert ihn zu einem Flirt. Und im Überschwang der Gefühle verabredet er sich sogar mit der attraktiven und deutlich jüngeren Flora (Fanny Valette), die überhaupt nicht ahnt, mit wem sie in Wahrheit angebändelt hat.

Und ewig lockt die Liebe

Als ihm klar wird, worauf er sich da eingelassen hat, bekommt Pierre Angst vor der eigenen Courage und schickt Alex vor. Der zickt anfangs etwas rum, doch auf Dauer kann er dem unmoralischen (und gut bezahlten) Angebot nicht widerstehen. Es kommt, wie es kommen muss: Flora verliebt sich Hals über Kopf in Alex - nicht ahnend, dass hinter dem verführerischen Flirt in Wahrheit Pierre steckt. Plötzlich wird aus dem vermeintlichen Spiel mit den Gefühlen einer jungen und vom Leben nicht immer gut behandelten Frau Ernst, weil weder Alex noch Pierre dem jeweils anderen den Vortritt lassen wollen ...

„Ich mag es, für ältere Menschen Geschichten zu erfinden“, verrät Regisseur Stéphane Robelin. „Wenn man älter ist, wird alles komplizierter. Man muss seine Grenzen überschreiten, Lösungen finden und kämpfen. Für mich zeichnet genau dies einen Helden aus.“ Man spürt die Sympathie, die der Regisseur nicht nur für den alten Pierre, sondern auch für die anderen Figuren empfindet. Und man verfolgt mit viel Vergnügen all die Verwicklungen, die sich im Laufe der Geschichte auftun. Beachtlich ist, wie Robelin zunächst diverse Fährten auslegt, um sie am Ende überraschend sicher wieder zu einem stimmigen Ganzen zusammenzuführen, das im Nachhinein auch die eine oder andere etwas gewagtere Wendung doch wieder stimmig erscheinen lässt. Dafür, dass diese Geschichte so charmant wirkt, sorgen freilich auch die beiden Hauptdarsteller: Dass Pierre Richard sein Schauspielerhandwerk versteht, weiß man hierzulande. Und mit Yaniss Lespert hat er einen Kollegen an seiner Seite, der in Frankreich als Fernsehdarsteller eine große Nummer ist, und der nun auch beim deutschen Publikum sein Potenzial unter Beweis stellt.

Wie einst Cyrano de Bergerac erobert ein alter Mann für einen anderen das Herz einer jungen Frau. Als er sich seiner eigenen Gefühle bewusst wird, kämpft auch der Alte um die Sympathie der Frau. Stéphane Robelin hat dieses alte Motiv mit Charme und Witz ins Internetzeitalter übertragen.