Was der Android Walter (Michael Fassbender) im Schilde führt, können Karine (Carmen Ejogo) und der Rest der Crew nicht ahnen. Foto: Fox Quelle: Unbekannt

Von Fabian May

Esslingen - Wenn in Ridley Scotts Alien-Filmen ein fast unbesiegbares Überwesen eine Raumschiffbesatzung dezimiert, geht es niemals bloß um Grusel und Schauwerte. Es geht auch um die Aussichten der Menschheit. Dem sechsten Teil der Filmreihe zufolge waren die noch nie so schlecht wie heute. Sind wir es wert, gerettet zu werden - das ist der philosophische Subtext manchen Horrorfilms. „Alien: Covenant“ antwortet: Nein, wir haben uns unseren Untergang redlich verdient. Kronzeuge dafür ist der Android David (Michael Fassbender). Der Prolog beginnt mit seinem wissenden Auge. In einem weißen Raum vor einem Seepanorama fragt er seinen Bioingenieur Peter Weyland (Guy Pearce) ganz direkt: „Wenn Sie mich erschaffen haben, wer hat dann Sie erschaffen?“ Der künstliche Mensch sieht die Schwächen und Erkenntnisschranken seines Schöpfers sofort, weil er sie selbst nicht hat. Trotzdem dient der unsterbliche Android seinem Meister bis zu dessen Tod.

Androiden kennen kein Erbarmen

Nicht immer lässt Mutter Natur menschliche Schwächen so ungestraft. Das wird zehn Jahre nach dem Unglück der „Prometheus“ am Beispiel des Kolonistenschiffs Covenant durchgespielt. Wie einst die Siedler in Nordamerika soll das Schiff mit 2000 tiefgefrorenen Pionieren und dem Androiden Walter (ebenfalls dargestellt von Michael Fassbender) an Bord eine neue Welt urbar machen. Der Funkspruch einer Frau lenkt die Crew auf einen viel näheren Planeten, der sich als Paradies darstellt. Sie treffen dort nicht nur den mit der „Prometheus“ verschollenen David, der zum Flöte spielenden Renaissance-Androiden geworden ist. Es gibt dort auch Vorformen des Aliens aus dem später angesiedelten Originalfilm von 1979 sowie eine Art Protomenschen. Der Android lässt eine deutliche Sympathie erkennen für die seines Erachtens perfekte Spezies mit der gepanzerten Haut, der zahnbewehrten Zunge und dem Blut, das sich durch Stein und Metall ätzt. Wie die Crew um den autoritätsschwachen Kapitän Oram (Billy Crudup) über ein gigantisches Forum mit Knäueln verkohlter Menschen- und Alienleichen stolpert, wie David vor einer Toteninsel-artigen Kulisse um die Androidenseele seines Nachfolgers Walter ringt, all das ist höchst ikonisch. Obwohl es weitgehend aus dem Computer kommt, der Abspann listet viele hundert Effektspezialisten.

Gefragt wird ganz grundsätzlich: Was ist menschlich? Einen Teil der Antwort gibt der Android. Als die überlebende Daniels ihn nach seiner Meinung über den neuen Planeten fragt, sagt er vieldeutig: „Ich denke, wenn wir gütig sind, wird es eine gütige Welt sein.“ Michael Fassbender ist die perfekte Besetzung für die undurchsichtigen Androiden. Ihre Neugier, ihre Erkenntnisse, ihre androiden Empfindungen - alles verfolgt man darin aufs Feinste. Ebenso intensiv verkörpert Katherine Waterston die mitleidsvolle und mitleiderregende Daniels, die mit ihrem instinktiven Argwohn gegenüber jener neuen Welt völlig recht behält und in deren großen wässrigen Augen sich jeder Trauerfall vielfach vergrößert spiegelt.

Der sechste „Alien“-Film ist sehr gut und gibt der Reihe einen interessanten Weiterdreh. Dabei ist er natürlich schlau genug, sich nicht selbst auszuerzählen. Offen lässt er zum Beispiel die Frage, was es mit den Vormenschen auf jenem Planeten auf sich hat. Und mit seiner Frage, ob auf zu eigenständig denkende Androiden dümmere folgen werden, weist er thematisch bereits auf „Blade Runner 2049“ hin. Das wird nämlich im Herbst der zweite große Scott-Film in diesem Jahr.

„Alien“-Filme sind Abrechnungen mit der Menschheit. Im sechsten Teil erscheinen wir als diejenigen, die wegmüssen - eine Maschine ist der Richter.