Bei ihrer Ankunft auf Guernsey ahnt Foto: Studiocanal - Studiocanal

Während des Zweiten Weltkriegs war die britische Kanalinsel Guernsey von den Deutschen besetzt, die Menschen dort litten bittere Not. Einige der Inselbewohner gründeten den Verein „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“, um gemeinsam ihren Lebensmut aufrechtzuerhalten. Nach Kriegsende erfährt eine junge Autorin von der Geschichte und reist nach Guernsey – und was sie dort erfährt, wird ihr Leben für immer verändern. Davon erzählt Mike Newells neues Kinodrama „Deine Juliet“.

EsslingenGuernsey stand selten im Fokus des weltpolitischen Interesses, und deshalb wissen auch nur die wenigsten, was sich im Zweiten Weltkrieg auf der britischen Kanalinsel zugetragen hat: 1941 wurde Guernsey von Hitlers Truppen besetzt. Die Bewohner litten bittere Not – Briten, die nicht auf der Insel geboren waren, wurden in einem Lager in Biberach interniert. Es gehört wenig Fantasie dazu, sich vorzustellen, was die damaligen Ereignisse für die Menschen bedeutet haben. Vieles hat bis heute Narben hinterlassen. Davon erzählen Mary Ann Shaffer und Annie Barrows in ihrem Roman „The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society“, der sich so eindrucksvoll liest, dass er 7,5 Millionen Mal in 37 Ländern verkauft wurde. Regisseur Mike Newell bringt die Geschichte nun in seinem historischen Kinodrama „Deine Juliet“ auf die Leinwand.

Die junge Autorin Juliet Ashton (Lily James) zählt zu den hoffnungsvollsten literarischen Talenten im London der späten 40er-Jahre. Eines Tages erhält sie einen Brief, der sie tief berührt: Der literaturbegeisterte Farmer Dawsey Adams (Michiel Huisman), der auf Guernsey lebt, bittet Juliet um Hilfe bei der Suche nach einem besonderen Buch. Dawsey berichtet, dass er während des Krieges mit einigen anderen Inselbewohnern den Verein „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ gegründet hat. Während um sie herum Elend, Not und Unterdrückung herrschten, versuchten diese Menschen, in der Literatur Hoffnung, Lebensmut und Kraft zu finden. Juliet lässt ihren Verlobten zurück und reist nach Guernsey, um über den Buchclub zu schreiben. Sie ist begeistert von der Insel und lernt die Menschen dort lieben. Während sich Buchclub-Gründerin Elizabeth (Jessica Brown Findlay) gar nicht blicken lässt, tut Amelia (Penelope Wilton) alles dafür, dass über die Gruppe nicht geschrieben wird. Dafür findet Juliet in Isola (Katherina Parkinson) eine Freundin, und dass die Chemie zwischen Juliet und Farmer Dawsey mehr als nur stimmt, merkt man sofort. So gelingt es ihr mehr und mehr, die schrecklichen Ereignisse während der deutschen Besetzung von Guernsey zu ergründen und herauszufinden, weshalb die Mitglieder des Buchclubs gar nicht begeistert sind von dem Gedanken, dass alles wieder lebendig wird. Und Juliet wird klar, dass sie eine Entscheidung treffen muss, die ihr ganzes weiteres Leben prägen wird ...

Man merkt Mary Ann Shaffers Roman an, dass sich die amerikanische Autorin intensiv mit Guernsey und seiner Geschichte befasst hat. Ein Besuch auf der Kanalinsel, die weder Teil des Vereinigten Königreiches noch Kronkolonie, sondern als Kronbesitz direkt der britischen Krone unterstellt ist, hatte 1976 ihr Interesse an den dramatischen Erfahrungen der Inselbewohner während des Zweiten Weltkriegs geweckt. „Sie war fasziniert von der Geschichte der Besetzung und den Menschen, die sie durchlebt hatten, und sie verbrachte die nächsten 20 Jahre ihres Lebens damit, das Thema zu erforschen“, erinnert sich ihre Nichte Annie Barrows, die für ihre später schwer erkrankte Tante das Buch vollendet hatte. Mike Newell gelingt es, diesen wundervollen Roman, der ausschließlich in Briefen geschrieben wurde, überzeugend ins Bild zu setzen. Stil- und zielsicher hält er die Balance zwischen den tragischen und den heiteren Momenten. Den schlimmen Erinnerungen der Menschen an ihre Kriegserfahrungen begegnet er mit großer Ernsthaftigkeit, und er zeigt, wie tief die Narben reichen, die sie hinterlassen. Dennoch verliert sich die Geschichte nie in Tristesse – gerade die Gespräche von Juliet und ihrer neuen Freundin Isola setzen immer wieder wohltuende Kontrapunkte.

„Deine Juliet“ ist eine Ode an die Literatur, deren Kraft helfen kann, auch schwere Zeiten zu überwinden – vor allem dann, wenn Menschen erkennen, dass sie gemeinsam viel stärker sind. Beides zu vermitteln, ist die größte Stärke dieses Films voller Herz und Seele, der Mike Newells Talent beweist, auch den schwierigsten Geschichten stets etwas Ermutigendes und Leichtes abzugewinnen.