Von Alexander Maier

Esslingen - Die nationalsozialistische Kulturpolitik war geprägt von Gleichschaltung, Arisierung und Zensur. Da war es umso überraschender, dass deutsche Kinos bis in die späten 30er-Jahre Hollywood-Produktionen zeigen durften. Doch die amerikanische Traumfabrik musste dafür große Zugeständnisse machen, an die man sich heute in den USA nur noch ungern erinnert. Der Historiker Ben Urwand hat in Archiven geforscht und nachvollzogen, wie Hollywoods Geschäfte mit Hitler funktionierten. Nun ist sein vorzügliches Buch „Der Pakt“ (Theiss-Verlag, 23.99 Euro) auch bei uns erhältlich.

Gute Geschäfte oder Moral?

Vordergründig geißelten Hitler und sein Propagandaminister Joseph Goebbels die amerikanischen Einflüsse in der Kultur - ganz privat hatten sie viel Vergnügen an US-Produktionen: Hitler soll begeistert „Micky Maus“-Filme angeschaut haben, selbst „King Kong“ fand offenbar Gnade vor des Führers strengem Blick. Man tröstete sich damit, dass die Geschichte der blonden, blauäugigen Frau, die in die Gewalt eines Affen gerät, zu unwirklich sei, um das Volk vom Pfad der ideologischen Tugend abzubringen. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wie die geheimen Verbindungen zwischen Hollywood und dem NS-Regime wirklich funktionierten, beschreibt Ben Urwand kenntnisreich und spannend. Dass ihm Kritiker vorwarfen, der Begriff der Kollaboration, mit dem er das Verhalten der US-Studios beschreibt, sei übertrieben scharf, kontert der Autor: „Der Begriff Kollaboration wurde von Anfang an benutzt. Niemand dachte, dass Hollywood in den 30er-Jahren mit Deutschland Geschäfte machte, außer einige Historiker vielleicht, die aber nicht danach forschten. Aber die Studios arrangierten sich mit den Nazis für Filme, die weltweit gezeigt wurden, die ganzen 30er-Jahre hindurch.“

Das lässt sich anhand zahlreicher Beispiele belegen - etwa dem Anti-Kriegs-Film „Im Westen nichts Neues“, dessen Aufführungen Goebbels 1930 durch seine braunen Horden so lange stören ließ, dass er aus dem Programm genommen wurde. Doch Universal-Studioboss Carl Laemmle gab nicht auf und ließ den Film für den deutschen Markt so weit entschärfen, dass er wieder gespielt wurde. Was schon drei Jahre vor der Machtübernahme durch die Nazis funktionierte, wurde nach 1933 perfektioniert. Als die deutschen Filmfirmen viele ihrer jüdischen Mitarbeiter entließen, gab es keine Kritik aus Hollywood, manche der Entlassenen suchten in den USA vergeblich eine neue Beschäftigung, kritische Filmprojekte blieben in den Schubladen, andere wurden konsequent entschärft. Und warum das alles? „Wir haben fantastische Einkünfte aus Deutschland“, notierte damals ein Produzent. Und um die nicht zu gefährden, war Hollywood zu Kompromissen bereit - auch solchen, an die man sich nur ungern erinnert. Schon deshalb ist Ben Urwands Buch so wichtig, weil es den Leser zwischen den Zeilen mit der Frage konfrontiert, was heute mehr zählt: gute Geschäfte oder Moral?