Und ewig lockt das Geld: Michael (Liam Neeson) lässt sich auf ein fragwürdiges Abenteuer ein. Foto: Studiocanal Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Esslingen - Wenn er frühmorgens in den Zug steigt, um aus seinem verschlafenen Vorort Westchester zur Arbeit ins Zentrum von New York zu fahren, ist er nur ein Pendler von vielen. Und wenn er nach getaner Arbeit wieder nach Hause fährt, ist das für den Versicherungsmakler Michael MacCauley dasselbe unspektakuläre Ritual. Doch eines Tages schlägt das Schicksal zu und Michael, dessen Geschichte Regisseur Jaume Collet-Serra in seinem actionreichen Thriller „The Commuter“ erzählt, weiß plötzlich nicht mehr, wie ihm geschieht: Binnen kürzester Zeit wird er vor existenzielle Entscheidungen gestellt. Und die Uhr tickt unbarmherzig, wenn das Geschehen während einer Zugfahrt, die fast in Echtzeit zelebriert wird, seinen Lauf nimmt.

Ein unmoralisches Angebot lockt

Früher war Michael (Liam Neeson) Polizist, doch weil ihm der Job zu nervenaufreibend war, heuerte er vor Jahren bei einer Versicherung an. Obwohl er im Konzern nicht zu den ganz kleinen Lichtern gehört, sind Geldsorgen seine ständigen Begleiter. Michaels Frau (Elizabeth McGovern) ahnt nicht, dass die Familie schon lange über ihre Verhältnisse lebt, und wenn sein Sohn aufs College geht, wird alles noch viel schwieriger. Deshalb trifft es Michael umso härter, als er aus heiterem Himmel die Kündigung erhält. Ratlos trifft er sich mit Murphy (Patrick Wilson), seinem alten Kumpel aus früheren Tagen bei der Polizei, auf ein Bier - dann reiht er sich noch ratloser in den Pendlerstrom nach Westchester ein.

Plötzlich macht ihm eine Fremde (Vera Farmiga) ein ungewöhnliches Angebot: Weil er jeden im Zug kennt, soll er einen Kerl ausfindig machen, der dort nicht hingehört. Dafür winken ihm 100 000 Dollar Belohnung. Als Ex-Cop ist Michael klar, dass die Sache einen Haken hat. Doch das hübsche Sümmchen ist angesichts seiner Kündigung allzu verlockend. Als einstiger Polizist ist er clever genug, den Fahrgästen die eine oder andere Information zu entlocken. Doch je länger er fahndet, desto klarer wird Michael, dass er in eine mörderische Verschwörung verstrickt ist, die für alle im Zug zur tödlichen Gefahr wird. Und dass nur er die Katastrophe noch verhindern kann. Die Sache ist umso heikler, als Michael nicht mal im Entferntesten ahnt, wem im Zug er trauen kann und wer in diesem all sein eigenes perfides Spiel spielt. So beginnt ein Wettlauf gegen die Uhr.

Mit Filmen wie „Unknown Identity“ oder „Non-Stop“ hat sich Regisseur Jaume Collet-Serra einen Namen gemacht. Und er gibt auch in seinem neuen Film Gas. Es ist weniger der Grundgedanke, der „The Commuter“ reizvoll macht: Geschichten von braven Zeitgenossen, die vom Schicksal oder dank ihrer Gier in verhängnisvolle Affären verwickelt werden, sind nicht neu. Der Regisseur und seine Drehbuchautoren geben sich auch nicht allzu viel Mühe, die Figuren besonders differenziert zu zeichnen oder die Hintergründe der Geschichte allzu plausibel erscheinen zu lassen. Stattdessen nimmt die Story mächtig Fahrt auf, und je mehr Passagiere von Station zu Station den Zug verlassen, desto mehr spitzt sich das Geschehen zu und desto härtere Bandagen muss der Protagonist anlegen, um zu überleben - und um das scheinbar Unausweichliche zu verhindern.

Jaume Collet-Serra setzt auf funkensprühende Effekte, grob gezeichnete Figuren und auf einen Hauptdarsteller, der das hohe Tempo scheinbar mühelos mitzugehen vermag. „Ich finde es besonders reizvoll, dass der Zuschauer genau so viel weiß und alles zur selben Zeit erfährt wie die Hauptfigur“, sagt der Regisseur. „Die Kamera bleibt im Zug, so dass dort immer ausreichend spannungssteigernde Faktoren zusammenkommen müssen. Das Sujet ermöglicht es dieses Mal, dass die Zuschauer sich stärker mit Liams Figur identifizieren können, weil ihnen sein geregeltes Berufs- und Familienleben bestens vertraut ist. Die moralische Zwickmühle ist für jeden leicht nachvollziehbar. Die zögerliche Solidarisierung unter den Zugreisenden sendet ein hoffnungsvolles Signal an unsere anonymisierte Gesellschaft.“

Jaume Collet-Serras ebenso actionreicher wie effektvoller Thriller „The Commuter“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der der Not gehorchend einen fragwürdigen Auftrag annimmt und nicht ahnt, dass er damit Teil einer tödlichen Verschwörung wird.