Angelika Moser, die Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbands Württemberg tastet das Modell der Grabkapelle ab. Sie ist begeistert. Foto: Sebastian Steegmüller - Sebastian Steegmüller

Am Priesterhaus wurde ein 35 000 Euro teures Blindenmodell aufgestellt. Die Kosten hat die Margarete Müller-Bull Stiftung übernommen.

RotenbergAngelika Mosers Sichtfeld ist eingeschränkt. „Es ist, wie wenn man durch den Schlitz eines zugeknöpften Herrenhemdes blickt. Außerdem sehe ich alles nur verschwommen“, beschreibt die Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbands Württemberg (BSVW) ihre Sehkraft. „Es gibt viele Abstufungen, ich gelte aber als blind.“ Die Grabkapelle als Ganzes wahrzunehmen, sei für sie bislang nicht möglich gewesen. „Umso schöner ist es, dass ich sie jetzt ertasten kann“, sagt Moser, während sie ihre Finger über das Modell gleiten lässt. Vom Priesterhaus aus fährt sie langsam den Weg zur Grabkapelle ab. „Dadurch entsteht in meinem Kopf ein räumliches Bild.“ Es sei ein tolles Angebot, das sie unter den Mitgliedern des BSVW jetzt bekanntmachen wolle.

Auch Jörg Krauss, Ministerialdirektor im Finanzministerium, war bei der Enthüllung am Freitag voll des Lobes für das bronzene Tast-Modell, das rechts am Aufgang zur Grabkapelle steht. „Es ist ein wichtiger Schritt, um dieses wunderbare Kleinod für alle erfahrbar zu machen. Die historischen Monumente des Landes sollen für möglichst viele Menschen erreichbar, zugänglich und ein Erlebnis sein können.“ Krauss erinnerte daran, dass Königin Katharina von Württemberg berühmt ist für ihr soziales Engagement. Ihr verdanke das Land bis heute Einrichtungen wie das Stuttgarter Katharinenhospital. „Dass wir heute, am Geburtstag dieser Wohltäterin, ein Modell für blinde und sehbehinderte Menschen vorstellen, könnte passender kaum sein“, so der Ministerialdirektor, der die Gäste daran erinnerte, dass der 10. Mai nach dem damals in Russland gültigen julianischen Kalender der Geburtstag von Königin Katharina (1788–1819) ist. Nach ihrem frühen Tod ließ König Wilhelm I. das Mausoleum auf dem Württemberg für sie errichten.

Das quadratische Relief aus Bronze, das eine Seitenlänge von einem Meter hat, wurde indes von Egbert Broerken erschaffen. Der Bildhauer hat schon viele solcher Tast-Modelle entwickelt. Die Kosten, immerhin 35 000 Euro, wurden von der Margarete Müller-Bull Stiftung übernommen. Dementsprechend wurde auf dem Württemberg nicht nur an das Wirken der Zarentochter erinnert, sondern auch an die Unternehmerin aus Ostfildern. „Sie war schon zu Lebzeiten sozial engagiert, durch die Stiftung wirkt sie weiter“, sagte Christoph Zalder, der stellvertretende Stiftungsratsvorsitzende. Ziel sei es, humanitäre Projekte, Vereine und Institutionen auf der ganzen Welt zu fördern. Die Stiftung engagiert sich zudem für Forschungsprojekte in der Medizin sowie in den Ingenieurwissenschaften und setzt sich für den Tierschutz und den Erhalt der Artenvielfalt ein. „Ich bin wirklich zufrieden, das Modell der Grabkapelle ist toll geworden.“ Als Vertreter der Stiftung freue es ihn sehr, dass „unsere Idee zur Schaffung eines Blindenmodells der Grabkapelle Wirklichkeit geworden ist“, so Zalder. Es sei ganz im Sinne von Margarete Müller-Bull, „dieses ortsprägende Monument unserer Region nach fast 200 Jahren der Fertigstellung auch für Blinde erlebbar zu machen“.