Michael Kühner im Polizeimuseum. Besucher können sich über neue Ausstellungstücke und ein Begleitbuch freuen. Foto: Steegmüller - Steegmüller

Das Stuttgart Polizeimuseum ist ein Besuchermagnet: Knapp 20­ 000 Besucher seit der Eröffnung im Jahr 2015, lautet die Bilanz. Michael Kühner, der Vorsitzende des Polizeihistorischen Vereins, hat jetzt ein Begleitbuch zur Ausstellung herausgegeben und diese weiter ausgebaut. Unter anderem wurde der Fall der „Koffermorde“ in die Schau aufgenommen.

Bad CannstattK napp 20 000 Besucher haben das Stuttgarter Polizeimuseum in der Hahnemannstraße seit der Eröffnung im Jahr 2015 besucht. Alleine bei der langen Nacht der Museen kamen zuletzt 1500 Neugierige auf den Pragsattel. Die spektakulärsten Mordfälle und Verbrechen in der Landeshauptstadt ziehen offenbar das Publikum in ihren Bann. Sehr zur Freude von Michael Kühner. Der ehemalige Kripochef und stellvertretende Polizeipräsident hat die Ausstellung mit aufgebaut. Bei den Führungen durch die Schau, die von ehemaligen und aktiven Polizeibeamten angeboten werden, sei immer wieder die Frage aufgekommen, ob es nicht ein Buch gibt, in dem man das Ganze noch einmal nachlesen könne.

Dem Wunsch der Besucher kam der Vorsitzende des Polizeihistorischen Vereins nun nach. Gemeinsam mit der Technikhistorikerin Heidi Debschütz hat er das 160 Seiten starke Buch „Blaulicht im Kessel“ veröffentlicht. Sie war zuvor schon in die Textgestaltung des Polizeimuseums eingebunden. „Wir ergänzen uns sehr gut, da sie den Blick von außen auf die Polizei hat“, sagt Kühner.

Verbrechen seit dem Herzogtum

Während im Museum verschiedene Themeninseln die Besucher von Verbrechen zu Verbrechen führen, ist das Buch chronologisch aufgebaut. Im ersten Kapitel wird beispielsweise der Polizeialltag im Herzogtum und im Königreich Württemberg gezeigt. Dazu zählen auch grausame Foltertechniken, um mögliche Straftäter zu einem Geständnis zu bewegen. Sie wurden dazu beispielsweise in einem Holzkasten zur Schau gestellt und anschließend in den Nesenbach geworfen. Erst 1809 schaffte sie König Friedrich ab. Die Methoden seien unvereinbar mit „den besseren Begriffen von Gerechtigkeit und Menschlichkeit.“

Weiter führt der Zeitstrahl zur Entwicklung der Kriminalpolizei am Ende des 19. Jahrhunderts und endet schließlich 2010 mit dem „Schwarzen Donnerstag“. Die Demonstration gegen Stuttgart 21, bei der „hochemotionalisierte Gegner des Bahnprojekts auf teilweise überforderte Einsatzkräfte trafen, ist auch ein „Stück Stuttgarter Polizeigeschichte“, so Kühner. Im Buch werde das Ereignis nicht bewertet. „Das ist nicht die Aufgabe eines Historikers. Stattdessen werden die Fakten an Hand von Gerichtsurteilen wiedergegeben.“ Herausragend und zugleich das dunkelste Kapitel sei die Rolle der Polizei im Dritten Reich. „Der Abschnitt dokumentiert, wie die Polizei in der Zeit des Nationalsozialismus zum Instrument des Regimes wurde“, sagt Kühner. Im Buch wird auf die Arbeit der Gestapo im Hotel Silber eingegangen, aber auch wie die Einsatzkräfte in der Pogromnacht agierten. „Sie hatten die Anweisung erhalten, beim Brand der Cannstatter Synagoge nicht einzugreifen, sondern nur die angrenzenden Gebäude vor dem Feuer zu schützen.“ Noch grausamer: Die Feuerwehrmänner hatten zuvor auf Befehl das jüdische Gotteshaus angezündet. Das Buch, das reich bebildert ist, beleuchtet das Chaos in der Nachkriegszeit. Eindrucksvoll ist auch die Berichterstattung über die Rote Armee Fraktion.

Rund sechs Monate hat Kühner zusammen mit Heidi Debschütz an seinem jüngsten Werk gearbeitet. Sein Ziel: „Dem breiten Spektrum der Polizeiarbeit in seinem historischen Kontext eine faszinierende Bühne geben.“ Zusätzlich wolle er dem Leser anhand von spektakulären Kriminalfällen, die sich in den jeweiligen Zeiten ereignet haben, die Möglichkeit bieten, unmittelbar in schaurige Tuchfühlung mit der Verbrechensbekämpfung zu treten. Beispielhaft sei etwa das Schicksal der ermordeten Operndiva Anna Sutter im Jahr 1910 oder der Fall des berüchtigten „Hammermörders“ 1985, bei dem Täter handelte es sich um einen Polizeibeamten. Auch dem bestialischen Mord an Yvan Schneider ist ein Kapitel gewidmet. Er wurde 2007 in einen Hinterhalt gelockt und von einem 19-Jährigen erschlagen. Anschließend wurde die Leiche zerstückelt, in Blumenkübel einbetoniert und die Teile wurden im Neckar versenkt. „Ich stand mit den Eltern des Opfers in Kontakt und habe sie in die Ausarbeitung des Abschnitts eingebunden.“ Sie haben sich für die Veröffentlichung ausgesprochen, schließlich sei der schreckliche Tod ihres Sohnes ein mahnendes Beispiel, das nicht in Vergessenheit geraten dürfe.

Nicht mehr in das Buch dafür ins Polizeimuseum hat es jetzt der „Koffermörder“ geschafft. Ein 48-Jähriger hatte im Sommer 2014 einen Mann und eine Frau im Stuttgarter Osten getötet, sie in zwei Rollkoffer gepackt und anschließend am Rande des Schlossgartens abgestellt. „Wir mussten die beiden Gepäckstücke gründlich reinigen, bevor wir sie in die Ausstellung aufnehmen konnten.“ Eine weitere tolle Erweiterung für die Schau sei ein sogenannter Fernlenkmanipulator, der beim Landeskriminalamt aussortiert worden ist. „Ausgehend vom RAF-Terror haben Roboter zur Bombenentschärfung immer mehr an Bedeutung gewonnen.“