Quelle: Unbekannt

Sie erinnern ein wenig an den verhüllten Reichstag: Die Bäume im Feuerbachtal zwischen Mühlhausen und Zazenhausen, die von Hunderten kleinen Raupen befallen sind. Bis zum Sommer tobt sich die Gespinstmotte auf den Pflanzen aus und legt ein weißes Netz über die Äste. Die Bäume überstehen den Kahlfraß jedoch in der Regel unbeschadet, auch für Menschen besteht keine Gefahr.

MühlhausenWanderer, die durch das untere Feuerbachtal von Mühlhausen nach Zazenhausen spazieren, reiben sich auf halber Strecke verwundert die Augen. Ihnen bietet sich ein gespenstisches Bild: Mehrere Bäume sind mit einem dünnen Netz überzogen. Es handelt sich jedoch nicht um eine riesige Spinne, die ihr Unwesen getrieben hat. Bei näherer Betrachtung erkennt man leicht, dass Hunderte von gefräßiger Raupen an den Ästen entlang krabbeln und sich auch schon auf umliegende Gräser ausgebreitet haben.

Es handelt sich um die heimische Gespinstmotte, die aufgrund ihrer Verhüllungskünste auch als „Christo unter den Insekten“ bezeichnet wird. Sie hat einen gelb-grauen Körper mit schwarzen Flecken und einen schwarzen Kopf. Ihre Eier überwintern an den Bäumen unter einer Schutzschicht, sobald sich die Blätter im Frühjahr entwickelt haben, schlüpfen die Larven. Bis Mitte Juni fressen die Raupen den befallenen Baum entlang, bis sie sich im Sommer zu Faltern entwickeln. Die Schmetterlinge steigen von Anfang Juni bis Mitte August in die Lüfte und haben silbrig-weiße Flügel, die mit schwarzen Punkten gemustert sind.

Die Gespinstmotten sind in unserer Region keine Seltenheit, normalerweise besiedeln sie jedoch Hecken oder heimische Sträucher wie Pfaffenhütchen oder Traubenkirsche. Sie sind eigentlich auf diese Pflanzen spezialisiert, andere Baumarten werden nur ausnahmsweise befallen. „Sie sind meist an Weichhölzer in Flussauen und entlang von Gewässern zu finden“, sagt Gerhard Pfeifer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Den seidigen Schleier spinnen die kleinen Raupen, um sich vor Fressfeinden wie Vögeln oder Witterungseinflüssen wie Regen zu schützen.“

Baum erholt sich von Befall

Während im Herbst ein Befall wie im Feuerbachtal wohl den Tod der Bäume bedeuten würde, geht der Geschäftsführer des Regionalverbands Stuttgart davon aus, dass sie ihn dieses Mal überstehen. „Die Gehölze erholen sich in der Regel wieder mit dem sogenannten Johannis-Trieb, also dem Neuaustrieb im Juni.“ Da die Schmetterlinge nur eine Generation im Jahr ausbilden, würden die Bäume nach dem Kahlfraß unbehelligt bleiben, fügt Stefan Kress vom Naturschutz (Nabu) in Stuttgart hinzu. „Beim Büsnauer Wiesental waren letztes Jahr wegen des Befalls von der Verwaltung extra Schilder aufgestellt worden, um die Bevölkerung zu informieren, da die Bäume schon ziemlich gespenstisch aussahen. Als ich im Hochsommer dort wieder vorbeigeschaut habe, waren die Traubenkirschen wieder belaubt, als wäre nichts gewesen.“

Gerhard Pfeifer erfreut der Blick auf die Werke der tierischen Künstler. „Hurra, es gibt noch Insekten“, so seine Einschätzung. „Ansonsten sieht es relativ mau aus. Trotz des guten Wetters habe ich noch nie so wenige Insekten in einem Frühjahr beobachtet.“ Die beiden Experten raten dringend davor ab, die Gespinstmotte zu bekämpfen. „Wollte man den Befall verhindern, müsste man mit chemischen Insektenvernichtungsmitteln vorgehen“, sagt Kress. „Angesichts der Tatsache, dass die Bäume den Befall in der Regel gut wegstecken und die Gespinste und die Raupen für Menschen komplett harmlos sind, wäre solch eine Maßnahme unverhältnismäßig.“ Im Gegensatz zum Eichenprozessionsspinner besitzen die Motten keine Brennhaare und können somit keine Allergien auslösen.

Pfeifer gibt zu bedenken, dass von der chemischen Keule nicht nur die Gespinstmotte betroffen wäre, sondern auch weitere Tiere im Garten. „Der Einsatz ist gefährlich für die Umwelt.“ Zumal die Raupen sowieso kaum noch zu bekämpfen seien, sobald das Gespinst ausgebildet ist. „Bei befallenen Obstbäumen sollte man daher rechtzeitig mit dem Absammeln der Tiere beginnen.“