Quelle: Unbekannt

Andreas Weber sammelt mit seinem Team bis zu 14 Tonnen Sperrmüll am Tag ein.

UntertürkheimPiep. Piep. Piep. Andreas Weber hat soeben den Rückwärtsgang einlegt, es ertönt ein lauter Warnton. Ganz langsam setzt er mit seinem orangefarbenen Ungetüm in der Untertürkheimer Fiechtnerstraße zurück. Über zahlreiche Außenspiegel und eine Rückfahrkamera hat der Mitarbeiter des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) ständig im Blick, was um den 16-Tonner herum geschieht.

Stück für Stück nähert sich das Fahrzeug einem riesigen Haufen Sperrmüll. Zur Sicherheit weisen ihn Josef Henger und Claudio Garbero per Handzeichen ein. „Meinem Team“, sagt der 59-Jährige stolz, „vertraue ich zu 100 Prozent.“ Wenig später kommt das Zeichen, den Lastwagen zu stoppen. Für Webers Kollegen – beide schon über 60 Jahre alt – ist es gleichzeitig der Startschuss, Schränke, Matratzen, Tische und Kommoden so schnell wie möglich in den riesigen Schlund am Heck zu hieven. „Ein Knochenjob“, sagt Weber, der bei großen Möbelstücken das Fahrerhäuschen verlässt und mit anpackt. „Ein Fitnessstudio brauchen wir definitiv nicht“, fügt Garbero mit einem Schmunzeln hinzu.

Die drei AWS-Mitarbeiter, die seit mehr als zehn Jahren zusammenarbeiten, haben schon einiges erlebt. Einmal haben sie ein Klavier einladen müssen. Damit es in die Presse passte, die selbst einen Fahrradrahmen mühelos zermalmt, hatte es der Besitzer immerhin in zwei Hälften zersägt. Bei alten Gussöfen sei jedoch Schluss mit lustig. „Modelle aus der Nachkriegszeit kriegt man einfach nicht über die Ladekante.“ Während man diese in den 1990er-Jahren noch häufig zu Gesicht bekam, würden sie heute aber nur noch sehr selten am Straßenrand stehen.

Neue Couchgarnitur entsorgt

In der Seele wehgetan, habe Weber indes, dass er einmal eine nagelneue, weiße Couchgarnitur einladen musste. „Eine reiche Frau aus Feuerbach hat sie rausgestellt.“ Sie habe nicht zum Rest der Wohnung gepasst. Das Sofa sorgte für Kopfschütteln bei den AWS-Mitarbeitern, Entsetzen hat jedoch eine Handgranate ausgelöst, die ein Kollege von ihm einst zwischen dem Sperrmüll entdeckt habe. „Er hat die Polizei alarmiert, anschließend rückte der Kampfmittelbeseitigungsdienst an. Glücklicherweise stelle sich heraus, dass sie nicht mehr scharf gewesen ist“, so Weber, den gerade die Abwechslung an seinem Job reize. „Man weiß morgens nie, was einen erwartet.“ Auf jeden Fall jede Menge Sperrmüll: Bis zu 14 Tonnen am Tag – zwei volle LKW-Ladungen – bringen die drei Männer zur Verwertungsanlage nach Remseck.

Bis alle 42 Aufträge, die Andreas Weber an diesem Tag in den Oberen Neckarvororten auf seiner Liste hat, abgearbeitet sind, muss er jedoch noch das eine oder andere Hindernis „umschiffen“. Die zwei häufigsten: Falschparker, die eine Kreuzung versperren, und kleinere Baustellen, die dem Koloss die Durchfahrt verwehren. Der 59-Jährige nimmt es jedoch gelassen. Auch als ihn ein Autofahrer mit einem waghalsigen Manöver in der Dietbachstraße überholt, hat er die Ruhe weg. „90 Prozent der Verkehrsteilnehmer haben Verständnis, wenn sie mal kurz warten müssten, die restlichen kann ich nicht ändern, muss es also nehmen, wie es kommt.“ Ganz wichtig sei, sich nicht auf Diskussionen einzulassen und am besten den Blickkontakt zu vermeiden, selbst wenn man angehupt oder auch mal als „Idiot“ bezeichnet werde. „Das hält nur auf.“

Ebenso nach Straßen suchen. „Neulinge schaffen ihre Tour regelmäßig nicht“, sagt Weber. Er dagegen immer. Ein Navi brauche er dafür nicht. „Ich kenne jede Straße.“ Kein Wunder: Vor knapp 30 Jahren wechselte der Fernfahrer zur AWS. Die Autobahn und Themen wie Lenkzeiten vermisse er nicht mehr. „Die Stadt ist der ideale Arbeitgeber, wenn man Familie hat. Ich habe geregelte Arbeitszeiten, fange früh an und bin früh daheim.“

Los geht’s jeden Morgen um 6.30 Uhr in der Türlenstraße. Dann wuseln rund 60 Personen in ihren orangefarbenen Anzügen über den Betriebshof und erhalten letzte Instruktionen von Axel Tadix. Er ist der stellvertretende Betriebsstellenleiter und für die Disposition von 23 Fahrzeugen zuständig. Zehn davon sind im Bereich der Sperrmüllabfuhr im Einsatz, vier Lastwagen holen Elektroschrott und neun Wertstoffe von großen Firmen und Krankenhäusern ab.

Besonders auf Trab hält die Mitarbeiter des städtischen Eigenbetriebs, dass immer mehr Sperrmüll viel zu früh – teilweise zwei Wochen vor dem Termin – oder eben gänzlich unangemeldet rausgestellt wird. Gerne auch auf Grünanlagen wie vor dem Untertürkheimer Rathaus. Die Krux an der Sache: „Die Leute wissen, dass wir es früher oder später abholen müssen“, sagt Tadix, der sich für noch mehr Müllsheriffs ausspricht. „Wer beispielsweise seinen Hausrat einfach an der Egelseer Heide ablegt, gehört hart bestraft.“

Ein weiteres Problem sei, dass die AWS-Mitarbeiter immer wieder auf riesige Sperrmüllberge treffen. Maximal drei Kubikmeter pro Auftrag – zwei Schränke und eine Kommode beispielsweise – sind erlaubt, oftmals sind es jedoch zehn oder noch mehr. Entweder stellen Nachbarn einfach noch ihre Sachen dazu oder es werde einfach ein kompletter Haushalt aufgelöst. „Dann ist die Obergrenze schnell mal um ein Vielfaches überschritten. Ein Teufelskreis, weil wir eben nicht mit solchen großen Mengen planen“, sagt Tadix. Oft könne dann nur ein Teil mitgenommen werden. „Wer mehr als drei Kubikmeter Sperrmüll hat, soll sich beim Kundencenter der AWS melden, dann ist das auch kein Problem.“

Derzeit muss Tadix die Abholung von so manchen Möbelbergen und auch „wildem“ Sperrmüll immer wieder mit in den Regelbetrieb einplanen. „Dadurch kommt es zu Verzögerungen. Normalerweise sind wir alle sechs Wochen in einem Stadtteil, derzeit nur alle acht bis zehn. Mit bis zu 300 Aufträgen am Tag sind wir ausgelastet, mehr geht nicht. Wir haben zwar einen richtig guten Stamm“, sagt Tadix. Es fehle jedoch an Fahrern und Ladern. „Gutes Personal zu finden, ist schwierig. Wenn wir mal einen von einer Zeitarbeitsfirma bekommen, der etwas taugt, wird er übernommen.“ Dass Andreas Weber, Claudio Garbero und Josef Henger, der sogar mehr als 41 Jahre bei der AWS ist, ihm nicht mehr allzu lange zur Verfügung stehen, mache die Situation nicht besser.