Von Torsten Streib

Bad Cannstatt - In der Niederlage sind Sportler häufig einsam - heißt es oftmals. Obwohl keine Niederlage kassiert, kennt sie Kathleen Kirchhoff, die Einsamkeit - vor allem in den vergangenen Wochen. Und zwar im Training. Oft ist sie alleine im in die Jahre gekommenen Kraftraum des Stuttgart-Cannstatter Ruderclubs. Auf ihrem Ruderergometer zieht sie dann am Seil und es zurrt - immer und immer wieder. Um sie herum Stille und weitere, verwaiste Ergos - wie sie kurz genannt werden. Im Rücken befinden sich Kraftmaschinen verschiedener Arten. „Da muss ich durch, immerhin habe ich den Ausblick auf den Parkplatz. Das ist attraktiver als früher im Leistungszentrum in Magdeburg, da starrte man unentwegt auf eine weiße Wand.“ Doch sie sei nicht immer alleine und habe vor allem ein Ziel: die Ergometer-Weltmeisterschaft im US-amerikanischen Boston. Und morgen geht die Athletin aus Cannstatt in der Altersklasse 30 bis 39 Jahren eben bei besagter WM an den Start - mit Chancen auf einen Podestplatz. Schaue man sich die Zeiten der vergangenen Titelkämpfe an, könne sie mithalten. Außer: Die Konkurrenz explodiere plötzlich oder Olympioniken von Rio würden an den Start gehen.

36. Ergometer-WM

Die Ergometer-WM findet bereits zum 36. Mal statt. Ergo-Training „ist zwar hart, kann eintönig und zermürbend sein“, so Kirchhoff, „jedoch werden im Winter im Kraftraum Ruderer beziehungsweise Sieger gemacht“. Kraft und Ausdauer werden damit hauptsächlich trainiert.

Bei ihren Übungseinheiten absolviert die 30-Jährige unterschiedliche Distanzen mit unterschiedlichen Intensitäten. In Boston geht es über 2000 Meter. Eine Distanz, die einfach nur fies sei und alles von einem abverlange. „Am Anfang läuft alles easy, denkt man, das packt man locker. Doch dann wird es härter und härter, ab 1000 Meter schmerzt es gewaltig, man kämpft gegen sich und wenn die 2000 Meter dann endlich vorbei sind, kann man keinen Meter mehr weiter.“ Fühle man sich so, habe man alles richtig gemacht und dürfe auf eine gute Zeit hoffen. Dies bedeutet für Kirchhoff 7:05 oder 7:06 Minuten. „Schaffe ich das in Boston, müsste eine Medaille drin sein.“ Übrigens: Für die 2000 Meter muss sie rund 240 Züge auf dem Ergometer absolvieren.

Kathleen Kirchhof stammt eigentlich aus der Nähe von Magdeburg, besuchte dort ein Sportgymnasium und gehörte dem Leistungszentrum an - mit Erfolg. Mit dem deutschen U-23-Frauen-Vierer holte sie unter anderem WM-Bronze und 2008 WM-Silber. Kurz nach letzterem Erfolg zog sie nach Stuttgart um und begann eine Ausbildung. Heute ist sie Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse.

Nachdem sie in die Schwabenmetropole kam, schraubte sie das Rudern zurück. Aus Gesundheitsgründen habe sie ihr Engagement aber wieder verstärkt und ist dann auch wieder bei Rennen an den Start gegangen. Ebenfalls mit Erfolge. Zuletzt gewann sie dreimal in Folge die Landesmeisterschaft, 2016 gar die deutsche Vizemeisterschaft im Einer-Sprint. Um diese Leistungen zu bringen - Erfolge werden ja wie gesagt im Winter im Kraftraum gemacht - musste Kirchhoff auf den Ergometer steigen und erzielte sehr gute Zeiten. Zur Freude von Trainer Steffen Jakob. Dieser sprach „immer und immer wieder davon, ich solle in Boston an der WM teilnehmen. Doch das kam aus finanziellen Gründen für mich eigentlich nicht in Frage, weil ich dieses Jahr auch noch heirate“. Doch der Coach ließ sich nicht beirren und habe ihr mitgeteilt, der Vereine übernehme nahezu die gesamten Kosten. „Das hat mich riesig gefreut und mir gezeigt, wie meine Leistungen vom Club anerkannt werden.“