FC Erzgebirge Aue - VfB Stuttgart am 4.12.2016 im Sparkassen-Erzgebirgsstadion in Aue (Sachsen). Stuttgarts Spieler jubeln nach dem Spiel mit den Fans. Foto: dpa

Von Hannes Kern

Aue – Der Ausflug des Fußball-Zweitligisten VfB Stuttgart nach Sachsen glich einem Ausflug in eine andere Welt. Das Erzgebirgestadion in Aue ist eine Baustelle. Nur zwei Tribünen sind funktionsfähig, die beiden neuen sind noch meilenweit von ihrer Fertigstellung entfernt. Die Mannschaften müssen sich in den Kabinen einer alten Sporthalle umziehen, Improvisation ist alles. Das Ganze hat durchaus einen gewissen provinziellen Charme und ist Kontrastprogramm etwa zur schicken Münchner Arena, in der die Schwaben noch vor Jahresfrist spielten. Der VfB hat den Rahmenbedingungen im Erzgebirge getrotzt, die Partie mit 4:0 gewonnen und ist auf dem besten Wege, in der kommenden Saison wieder in Erstliga-Stadien anzutreten. Zumindest spricht die Serie von 16 Punkten aus sechs Spielen eine deutliche Sprache.

Bemerkenswert war allerdings, dass Spieler und Trainer nach dem Erfolg über den Tabellenvorletzten erstaunlich kritisch mit der Leistung umgingen. Wohl wissend, dass noch lange nicht alles Gold ist, was glänzt und es noch jede Menge Verbesserungspotenzial gibt. Trainer Hannes Wolf kritisierte zurecht, dass die Bälle beim Spielaufbau zu schnell verloren gingen. „Das hat mit der Drucksituation zu tun. Aue hat das auch richtig gut gemacht“, sagte der 35-Jährige, der gleichzeitig bemängelte, dass die Abwehr in bestimmten Phasen „zu wenig Zugriff“ auf den Gegner hatte. „Wir hatten ein paar Mal Glück, dass wir kein Gegentor bekommen haben“, erklärte Wolf.

Es gibt noch jede Menge Baustellen. Etwa in der Defensive, die sich nach dem 0:5-Debakel in Dresden zwar gefangen und stabilisiert hat, jedoch in Aue das eine oder andere Mal erhebliche Lücken aufwies. Wolf entschloss sich, nach dem Wechsel von Vierer- auf eine Kombination aus Dreier- und Fünferkette umzustellen. „Es ging darum, die Schnittstellen zu schließen, und das ist uns mit dieser Veränderung gelungen. Wir standen danach besser“, sagte der Trainer.

Durch diese Umstellung kam auch Kevin Großkreutz wieder zu einem 45-minütigen Einsatz, nachdem er zuletzt auf der Bank schmoren musste. Das Reservistendasein behagt dem Weltmeister ganz und gar nicht, was er auch freimütig einräumt. „Aber ich akzeptiere es“, sagte er nach der Partie in Aue zähneknirschend.

„Es gibt auch positive Dinge“

Eine weitere Baustelle ist das Mittelfeld. „Zu schlampig“ waren nach Auffassung von Christian Gentner viele Zuspiele im Spielaufbau. Dabei schloss sich der Kapitän selbst mit ein. „Wir müssen uns im sauberen Passspiel weiterentwickeln und ein noch höheres Tempo gehen“, sagte Gentner und formulierte ein anspruchsvolles Ziel: „Wir wollen uns von anderen Mannschaften abheben.“

Gentners Nebenmann Matthias Zimmermann hat seine Stärken in der Defensive, ist aber kein Mann für die Kreativabteilung. Dort sind normalerweise Alexandru Maxim und Berkay Özcan angesiedelt, doch das Spiel lief zuletzt an beiden vorbei.

Den kreativen Teil übernahmen in Aue die Außenspieler Takuma Asano, Carlos Mané und Emiliano Insua, die die Abwehr der Sachsen mit weiten Diagonalpässen auseinanderrissen.

Die Mängel in der Abwehr und beim Spielaufbau werden derzeit durch die erstaunliche Effizienz im Torabschluss kaschiert. In Aue ging zwar Mittelstürmer Simon Terodde leer aus, dafür traf Mané doppelt. „Es gibt auch viele positive Dinge“, wollte Wolf nach dem 4:0 in Aue nicht nur die Rolle des Nörglers spielen. „Beispielsweise erarbeiten wir uns viele klare Chancen und machen viele Tore.“

In den beiden Spielen bis zur Winterpause – am Montag (20.15 Uhr) zu Hause gegen Hannover 96 und am 18. Dezember (13.30 Uhr) bei den Würzburger Kickers – will der VfB laut Wolf „noch einmal alles rausholen“, um sich eine gute Ausgangsbasis für die Rückrunde zu erarbeiten. „Wir wollen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass es im Mai gut wird“, drückte sich der Trainer etwas verklausuliert aus. Gemeint war: In der nächsten Saison will der VfB nicht im Erzgebirgestadion spielen, sondern wieder in der Allianz-Arena.