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Von Hannes Kern

Stuttgart – Nach den Turbulenzen, die der Abstieg aus der Fußball-Bundesliga nach sich zog, hat sich die Lage beim VfB Stuttgart weitgehend beruhigt. Der Verein hat einen neuen Präsidenten, wieder mal einen neuen Trainer, die Sponsoren halten die Treue und die Fans strömen in Scharen ins Stadion. Das Wichtigste aber ist: Die Mannschaft hat sich gefangen und steht derzeit auf einem Aufstiegsplatz. Sind Verein und Mannschaft reif für die Rückkehr in die Bundesliga? Hier ein kleiner Leistungscheck:

Die Abwehr: Zwischendurch war dieser Mannschaftsteil das Sorgenkind. Nach dem 0:5 in Dresden hat sich die Defensive jedoch stabilisiert. Trainer Hannes Wolf hat um den Abwehrchef Timo Baumgartl herum verschiedene Varianten ausprobiert. Neben Baumgartl hat in der Mitte derzeit Marcin Kaminski die besten Karten. Doch Toni Sunjic und Stephen Sama sind je nach Gegner und Anforderung durchaus Alternativen. Auch Benjamin Pavard kann in der Innenverteidigung spielen, zuletzt agierte er auf der rechten Seite. Dort hat Wolf in Kevin Großkreutz und Florian Klein hochwertige Alternativen. Auf der linken Abwehrseite ist Emiliano Insua derzeit die Nummer eins. Das Abwehrgefüge hat sich gefestigt und ist in der Lage, verschiedene Systeme zu spielen. Dabei belebt der Konkurrenzdruck wie in keinem anderen Mannschaftsteil das Geschäft und steigert die Qualität.
Fazit: Die Tendenz ist positiv, die Abwehr ist zu 60 Prozent aufstiegsreif.

Das Mittelfeld: Dieser Mannschaftsteil hat sich noch nicht so richtig gefunden. Um die defensiven Christian Gentner und Matthias Zimmermann herrscht ein permanenter Wechsel, auch bedingt durch zahlreiche Verletzungen. Tobias Werner hat zuletzt ebenso gefehlt wie Hajime Hosogai. Der junge Berkay Özcan hat durchaus vielversprechende Ansätze, ihm fehlt aber noch die Konstanz. An Alexandru Maxim werden hohe Ansprüche gestellt, denen der Rumäne bisher nicht gerecht werden konnte.
Derzeit ist das Mittelfeld zu 50 Prozent aufstiegsreif. Wenn alle fit sind, dürfte sich dieser Wert um mindestens 10 Prozentpunkte steigern.

Der Angriff: Das Prunkstück der Mannschaft. Simon Terodde hat bereits zehn Mal getroffen und alle Erwartungen erfüllt. Gleichwohl ist der Mittelstürmer von seinen Nebenleuten und deren Vorarbeit abhängig. Wenn es so läuft wie gegen den 1. FC Nürnberg, als Carlos Mané und Takuma Asano Teroddes Tore mustergültig vorbereiteten, ist die Offensive des VfB eine Bank. Und es gibt ja auch noch Daniel Ginczek, der sich nach seiner langen Verletzungspause langsam wieder heranarbeitet.
Fazit: Die Aufstiegsreife liegt bei guten 80 Prozent.

Der Trainer: Hannes Wolf hat die Mannschaft nach turbulenten Wochen und dem überraschenden Abgang von Jos Luhukay übernommen und binnen zwei Monaten schon vieles erreicht. Der 35-jährige Bundesliga-Novize überzeugt die Spieler durch intensive Kommunikation, fördert den Konkurrenzdruck und scheut sich auch nicht vor Experimenten. Ihm ist es nach dem 0:5 gegen Dresden gelungen, die Mannschaft zu stabilisieren. Der VfB hat vier der vergangenen fünf Spiele gewonnen und steht auf Platz zwei. Gleichzeitig versteht es Wolf, aufkommende Euphorie zu dämpfen und darauf hinzuweisen, dass noch lange nichts gewonnen ist.
Fazit: Wolf versteht es, die Spieler zu überzeugen. Der Erfolg in den vergangenen Spielen gibt ihm recht. Aufstiegstreife: 70 Prozent.

Die Vereinsführung: Nach dem Abstieg herrschte im und um den Verein das Chaos. Präsident weg, Sportvorstand weg, Trainer weg. Der Aufsichtsrat stand urplötzlich in der Verantwortung und musste schleunigst den Karren wieder aus dem Dreck ziehen, was nur mühsam gelang. Die Quittung: Bei der Mitgliederversammlung wurde das Gremium nicht entlastet. Zum neuen Präsidenten wurde der nicht unumstrittene Wolfgang Dietrich gewählt, der bisher in der Öffentlichkeit selten zu sehen war, aber intern die ersten Weichen gestellt hat. Der neue Sportvorstand Jan Schindelmeiser hat bisher eine solide Arbeit abgeliefert.
Für eine Bewertung des Präsidenten und des Sportvorstands ist es noch zu früh. Jedenfalls herrscht auf dieser Ebene wieder Ruhe.

Das Umfeld: So chaotisch es nach dem Sturz in die 2. Bundesliga auch zuging, zwei Dinge blieben konstant: Die meisten Sponsoren hielten dem Verein die Stange, und die Fans blieben dem VfB trotz aller Befürchtungen di Treue. Die Zuschauer strömen ins Stadion, als ob nichts passiert wäre. Allerdings sind die Ansprüche nach wie vor sehr hoch, und das Bruddeln kann der schwäbische Fan einfach nicht lassen. Ein bisschen mehr Toleranz bei misslungen Aktionen wäre hilfreich.
Fazit: Aufstiegsreife 90 Prozent.

Die Konkurrenz: Bisher ist in der 2. Bundesliga kein Überflieger auszumachen. Tabellenführer Eintracht Braunschweig (30 Punkte) und der VfB (29) haben sich etwas abgesetzt. Es folgen Hannover 96, der1. FC Heidenheim und der 1. FC Union Berlin (24). Bisher hatte jeder dieser Teams seine Schwächephasen. Alle suchen noch nach Stabilität und Konstanz.

Gesamtfazit: Der VfB hat durchaus das Zeug, den direkten Wiederaufstieg zu schaffen. Die Formkurve geht nach einem holprigen Saisonbeginn zweifelsohne nach oben. Wenn die Mannschaft weiter an Stabilität und Konstanz gewinnt, von größeren Verletzungen verschont bliebt und in der Winterpause auf dem Transfermarkt die eine oder andere Verstärkung nach Stuttgart holt, dürfte der Sprung ins Oberhaus gelingen.
Die Aufstiegsreife liegt insgesamt bei 75 Prozent. Doch im Fußball gibt es keine Garantie.