Stuttgarts Julian Green erzielt das Tor zum 2:0. Foto: dpa

Von Sigor Paesler

Stuttgart – Mitchell Langerak machte das HB-Männchen und faltete seine Vorderleute verbal zusammen. Es war die 82. Minute im Spiel des Fußball-Zweitligisten VfB Stuttgart gegen Fortuna Düsseldorf. Der Torhüter hatte kurz zuvor mit Bangen zugeschaut, wie ein Flachschuss von Düsseldorfs Emmanuel Iyoha knapp an seinem Gehäuse vorbeistrich. Es war die einzige Situation, in der die Stuttgarter Hintermannschaft unaufmerksam war. Kurz darauf war die Partie zu Ende, der VfB hatte mit 2:0 gewonnen und die Tabellenführung übernommen. Die Szene aber zeigte: Gut ist den Stuttgartern noch nicht gut genug.

Für viele auch der Konkurrenten ist das momentane Tabellenbild stimmig: Stuttgart eins, Hannover 96 zwei, Eintracht Braunschweig drei. Und so gratulierte Fortunas Trainer-Routinier Friedhelm Funkel seinem Stuttgarter Kollegen Hannes Wolf wenig enttäuscht zum „hoch verdienten Sieg“ und ergänzte: „Ich wünsche dem VfB, dass er weiter siegt – damit ich mit meiner Prognose Recht behalte, dass Stuttgart und Hannover aufsteigen.“

Nicht über das Ergebnis definieren

Auf dem Wasen aber lässt sich niemand einlullen. Zumindest niemand von den Verantwortlichen auf und neben dem Platz. Spieler und Betreuer umarmten sich nach dem Schlusspfiff kurz und holten sich den Applaus von den Rängen ab. Von Überschwang keine Spur. Weiterhin volle Konzentration ist angesagt. Der VfB steht auf der Poleposition, aber das Rennen bis zum Aufstieg ist noch lang. Noch 15 Spiele.

Auch von Selbstzufriedenheit ist bei den Stuttgartern überhaupt nichts zu spüren. Vielleicht ist das der größte Trumpf im Aufstiegsrennen. Neben der Offensivkraft. Und der Abwehrstärke. „Wir hätten mehr Tore machen müssen“, ärgerte sich Simon Terodde gar, der nach seinem Kopfballtreffer zum 1:0 mit nun zwölf Toren die Nummer zwei der Zweitliga-Schützenliste ist – hinter Guido Burgstaller, der mittlerweile beim FC Schalke 04 eins höher spielt. „Wir spielen nicht für die Galerie“, ergänzte Terodde noch. Eine erstaunliche Aussage, denn in der ersten Hälfte war es streckenweise hohe Fußball-Kunst, was die Stuttgarter zeigten: Schnelle Spielzüge, Flügelläufe, starke Flanken, sehenswerte Tore – und einige Kabinettstückchen, vor allem Carlos Mané zauberte vielleicht das eine oder andere zu viel. Im zweiten Durchgang zeigte der VfB, dass er abgezockt ein Spiel verwalten kann. Wolf gefallen Aussagen wie die von Terodde. „Klar, dieser Hunger, die Leistung zu verbessern und sich nicht über das Ergebnis zu definieren, ist ganz entscheidend“, sagte der Trainer. „Da ist Simon ein Vorbild für die ganze Mannschaft.“

Seit Jahren hat bei den Schwaben die Balance aus Torgefahr und Stabilität in der Abwehr, aus spielerischer Klasse und Einsatzwillen nicht mehr so gestimmt wie zurzeit. In fünf Vorbereitungs- und zwei Pflichtspielen in Folge ist der VfB nun ohne Gegentor. „Wir haben ein paar Mal Glück gehabt. Aber wir sind in den defensiven Abläufen gefestigter“, erklärte Wolf. Und: „Wir haben auch individuell Schritte nach vorne gemacht.“

Weniger Gegentore

Die Zeiten scheinen vorbei, in denen die VfB-Fans den Atem anhalten, wenn der Ball in Richtung Stuttgarter Innenverteidigung kommt. Der Pole Marcin Kaminski machte dort ein ebenso starkes Spiel wie der gesetzte Timo Baumgartl. Das Vertrauen in die eigene Stärke und in die des Nebenmanns macht die Abwehrarbeit leichter. „Man merkt, dass wir uns als Mannschaft weiterentwickelt haben“, sagte Baumgartl. „Wir haben uns als Team vorgenommen, dass wir weniger Gegentore bekommen wollen.“ 21 waren es in der Hinrunde, nur der zehntbeste Wert der Liga. Es kam keins mehr dazu. Vorne hat die Mannschaft jetzt 33 Mal getroffen, gemeinsam mit Hannover ist das die Bestmarke. Auch das erleichtert die Arbeit der Abwehrkollegen. „Dass wir vorne Tore machen können, wissen wir“, sagte Baumgartl und grinste breit.

Beim VfB sieht es zurzeit richtig gut aus. Die Frage ist, wie stabil das Gefüge ist, wenn wieder eine Schwächephase kommt. Oder wenn die Mannschaft auf Gegner trifft, die nicht wie die Düsseldorfer zumindest den Willen zeigen, sich an der Spielgestaltung zu beteiligen. „Wir müssen uns das immer wieder erarbeiten“, sagte Wolf. „Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen.“

Gut ist noch nicht gut genug.