Wolfgang Dietrich will die Mitglieder überzeugen, ihn am 9. Oktober an die Spitze des VfB zu wählen. Anschließend möchte er ein entscheidungsstarker Präsident sein. Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Von Sigor Paesler

Stuttgart - Eine Fernsehdebatte muss Wolfgang Dietrich nicht überstehen. Denn er ist der einzige Kandidat für das Präsidentenamt des Fußball-Zweitligisten VfB Stuttgart. Bis zur Wahl bei der Mitgliederversammlung am 9. Oktober aber ist der 68-Jährige fast jeden Tag auf Wahlkampftour. Denn sein Erfolg ist nicht sicher. Dietrich ist in den Augen des VfB-Aufsichtsrates der richtige Kandidat. Doch aufgrund seiner Vergangenheit als Sprecher des Bahnprojektes Stuttgart 21 und seiner - zumeist nicht mehr bestehenden - geschäftlichen Verflechtungen im Fußball-Bereich ist er ein umstrittener Kandidat.

Dietrich braucht den - ehrenamtlichen - Job nicht, betont er. Aber er will ihn. Am liebsten, das merkt man ihm an, würde er gleich loslegen. Noch aber steht er außerhalb des Vereins. „Ich fühle mich wie im Wartezimmer“, sagt er. Ein fliegendes Wartezimmer sozusagen. Es befindet sich bei Funktionärsträgern des VfB, bei Fanclubs, bei Treffen mit Medienvertretern.

Liveübertragung auf VfB.de

Eine Fernsehdebatte gibt es nicht, dennoch sind Bewegtbilder zu sehen: Dietrichs Auftritt heute Abend (20.30 Uhr) im Business-Center der Mercedes-Benz-Arena im Rahmen der Reihe „VfB im Dialog“ wird live über die Internetseite des Vereins übertragen. Auch da wird er wieder erklären, dass er das Kapitel Stuttgart 21 mit seinem Ausstieg vor eineinhalb Jahren abgeschlossen hat („Das Thema ist für mich erledigt“) und dass er vor sechs Jahren entschieden hat, sich „Stück für Stück“ aus seinen Unternehmen zurückzuziehen. Vor allem aber möchte er über die Zukunft des Vereins reden. „Der Zustand des VfB ist nicht gut“, hat Dietrich erkannt - und erntet für diese Aussage kaum Widerspruch.

Es ist durchaus so, dass Dietrich versucht, die Menschen zu umgarnen. Freundlich und verbindlich gibt er sich. Gleichzeitig betont er: „Jemand, der klare Positionen hat, macht sich nicht nur Freunde.“ Er weiß, jetzt muss er werben. Er braucht die Stimmen der Mitglieder. Ihm ist auch bewusst, dass er das mit denselben Themen tut, wie es seine Vorgänger taten: Kontinuität im sportlichen und personellen Bereich. Und vor allem natürlich die Nachwuchsarbeit. Dietrich muss selbst lachen, wenn er darüber spricht: „Ich weiß, das sagt jeder.“ Alle der wechselnden Präsidenten und Manager der vergangenen Jahre haben sich das Thema auf die Fahnen geschrieben. Trotzdem haben andere Clubs den VfB auch in diesem Bereich längst überholt. Ehemalige Stuttgarter Jugendspieler sind erfolgreich in den Top-Ligen Europas unterwegs - das Trikot mit dem Brustring tragen sie schon lange nicht mehr. Als konkreten Punkt nennt Dietrich, dass er die wichtigsten mit der Nachwuchsarbeit befassten Personen in die entscheidenden Vereinsgremien einbinden möchte. „Sie werden die Strukturen in der Jugendarbeit in ein bis zwei Jahren nicht wiedererkennen“, kündigt er an.

Dietrich will als Präsident den VfB ummodeln. „Ich bin in der Lage, Entscheidungen herbeizuführen“, betont er: „Powerpoint-Präsentationen mit Visionen gibt es genug. Entscheidend ist das Liefern, das Machen.“ Zur geplanten Ausgliederung der Fußball-Abteilung in eine Aktiengesellschaft etwa hat Dietrich eine klare Meinung: Er ist dafür. Ebenso wichtig ist ihm jedoch, dass überhaupt eine Entscheidung getroffen wird. Der Schwebezustand lähmt.

Mit dem Verlauf seines bisherigen Wahlkampfs ist Dietrich zufrieden. Es gab kritische Fragen. Es gab Proteste. Viele Fans sehen in ihm einen „Spalter“ und keinen, der den Club einen kann. Es gab Zustimmung. „Ich habe gespürt, welche Kraft in diesem Verein steckt“, sieht er die Diskussionen, auch über seine Person, positiv.

Dietrich weiß, dass es eng wird, wenn am 9. Oktober Punkt 7 der Tagesordnung ansteht: „Neuwahl des Präsidenten.“ Er will nicht verlieren. Mit einem Traumergebnis rechnet der umstrittene Kandidat nicht. Deshalb lautet seine Maxime, die er lächelnd vorträgt: „Mein Ziel ist, bei meiner Entlastung mehr Stimmen zu bekommen als bei meiner Wahl.“

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