Simon Terrode: Freude über das erste Tor im Spiel gegen Sandhausen. Foto: Rudel - Rudel

Stuttgart – Manchmal ist es eine Fußball-Floskel, die trotz ihrer Abgedroschenheit das Geschehene am besten beschreibt. Als „glücklich, aber nicht unverdient“ bezeichnete Trainer Hannes Wolf den 2:1 (1:0)-Sieg des VfB Stuttgart gegen den SV Sandhausen. Durch den Erfolg in einem hochklassigen Zweitligaspiel hat der Tabellenführer den Vorsprung auf den Relegationsplatz zumindest bis heute Abend auf sechs Punkte ausgebaut.

Von Sigor Paesler
Verfolger Hannover 96 kann heute mit einem Sieg gegen den VfL Bochum wieder Zweiter werden, hat dann mit 38 Zählern aber noch drei Punkte weniger als der VfB (41). Der momentane Zweite Eintracht Braunschweig hat nach dem 1:1 beim 1. FC Nürnberg 36 Punkte.
Für VfB-Trainer Hannes Wolf aber ist der Blick auf die Tabelle zweitrangig. „Wir dürfen nicht nur auf die Ergebnisse schauen, sondern müssen in den Inhalten weiterkommen“, erklärte er. Das ist freilich leichter, wenn die Ergebnisse stimmen. Drei Spiele haben die Stuttgarter im Jahr 2017 absolviert und alle drei gewonnen. Sie haben dabei gegen unterschiedliche Gegner spielerisch und kämpferisch überzeugt – aber auch Schwachpunkte offenbart. Doch damit umzugehen und trotzdem zu gewinnen, das ist die neue Stärke des VfB. „Diese Kraft, dieser Wille in der gesamten Mannschaft, darauf können wir stolz sein“, sagte Wolf nach einer Begegnung, die die Stuttgarter verdient gewonnen hatten, in der aber auch die Sandhausener etwas Zählbares verdient gehabt hätten.
Die Luft war raus, aber nur in der 43. Minute, und zwar aus dem Ball. Der war schnell ausgetauscht und so sahen die Zuschauer ein von der ersten bis zur letzten Minute packendes, laufintensives und spannendes Spiel. Wolf schickte dabei zum ersten Mal als VfB-Coach die gleiche Elf auf den Platz, die auch im Spiel zuvor begonnen hatte – nach dem 2:0 gegen Fortuna Düsseldorf hatte er auch keinen Grund zum Wechseln gehabt. Es zeichnete sich schnell ab, dass die Stuttgarter an die Leistung vom Spiel gegen die Fortuna anknüpfen wollten, die Sandhausener aber eine harte Nuss werden würden. Die Kurpfälzer verteidigten hoch und gut und schalteten schnell auf Konter um.
Die Stuttgarter mussten für jede Torgelegenheit hart arbeiten. In der 12. Minute rettete Sandhausens Daniel Gordon nach einer Flanke von Christian Gentner in höchster Not vor dem heranstürmenden Simon Terodde, zehn Minuten später leitete SVS-Torhüter Marco Knaller einen Knaller von Julian Green gerade noch zur Ecke. Der VfB war spielbestimmend, aber man bekam einen Eindruck davon, warum die Sandhausener zuvor in der Liga vier Mal ohne Gegentor geblieben und fünf Mal nicht verloren hatten.

Günstiger Zeitpunkt

Das 1:0 fiel zu einem für den VfB günstigen Zeitpunkt: 45 Minuten waren schon vorbei, da ließ Carlos Mané mit einem schnellen Antritt drei Sandhausener stehen und wurde im Strafraum von Leart Paquarada von den Beinen geholt. Terodde verwandelte den Elfmeter trocken zu seinem 13. Saisontor.
Nach dem Wechsel zunächst ein anderes Bild: Die Sandhausener drängten auf den Ausgleich, die Stuttgarter ließen sich zu weit zurückdrängen. Nach einer Stunde der verdiente Ausgleich: Die VfB-Defensive lies Thomas Pledl unbedrängt passen und Richard Sukuta-Pasu schloss wenige Sekunden nach seiner Einwechslung ab. „Wir haben uns in viele Zweikämpfe verwickeln lassen und davon zu viele verloren“, bemängelte Wolf.
Die Stuttgarter brauchten einige Minuten, um sich zu berappeln, legten dann aber wieder den Vorwärtsgang ein. Terodde und der eingewechselte Daniel Ginczek agierten mittlerweile als Doppelspitze. Nach Vorarbeit von Mané traf Kevin Großkreutz die Latte (68.). In der 74. Minute scheiterte der ebenfalls eingewechselte Jean Zimmer an Knaller. Wenig später vergab Sukuta-Pasu zwei Großchancen. Es ging hin und her, niemandem im Stadion wurde langweilig.
In der 85. Minute dann Manés und Teroddes zweiter Geniestreich: Der Portugiese nahm eine Flanke von Zimmer auf und bediente Terodde, der volley und unhaltbar vollendete. Das war ganz stark gemacht – und bedeutete, nachdem die Schwaben die letzten Sturmläufe der Sandhausener überstanden hatten, den glücklichen, aber nicht unverdienten Sieg.

Immer wieder Terodde

Für Simon Terodde war es ein Tag voller Emotionen – und am Ende hätte er sich beinahe noch verletzt. „Ich wollte schön elegant da hinrutschen. Das ist leider komplett schiefgegangen“, sagte der Stürmer des VfB Stuttgart zu seinem Torjubel nach dem befreienden Siegtreffer zum 2:1 gegen den SV Sandhausen. Nachdem er in der 85. Spielminute eine Flanke von Carlos Mané akrobatisch über die Linie befördert hatte, rannte er in Richtung Ecke, schlitterte mit den Knien voraus, fiel dann jedoch nach vorne und knallte gegen die Fahne. „Danach hat er gesagt, dass er nicht mehr kann – klar, bei dem Sprint“, berichtete später Trainer Hannes Wolf.
Auch den Treffer zum 1:0 kurz vor der Pause hatte Terodde erzielt. Nach seinem erfolgreichen Strafstoß steckte er den Daumen in den Mund. Ob seine Tochter die Geste verstanden hat, konnte der 28-Jährige noch nicht sagen, aber gesehen hat sie es, denn an ihrem ersten Geburtstag saß sie im Terodde-Trikot vor dem Fernseher und sah ihrem Papa bei der Arbeit zu.

„Jedes Tor eine Teamleistung“

Terodde ist der Stuttgarter Torgarant. Gestern schloss er mit seinen Saisontreffern Nummer 13 und 14 – zwölf davon in den vergangenen elf Spielen – zum bisher alleinigen Top-Scorer Guido Burgstaller auf. Der Österreicher spielt mittlerweile allerdings nicht mehr für den 1. FC Nürnberg, sondern für den FC Schalke 04 in der Bundesliga und ist damit aus dem Rennen um die Zweitliga-Torschützenkrone. Terodde ist somit auf dem besten Weg, zum zweiten Mal in Folge am Ende der Saison in der Liste ganz oben zu stehen. In der vergangenen Spielzeit hatte er im Trikot des VfL Bochum 25 Mal getroffen und landete damit – nicht nur – beim VfB auf der Einkaufsliste.
Terodde aber blieb sich treu und betonte, dass ihm nur der Aufstieg mit dem VfB in die Bundesliga wichtig sei. Und er lobte seine Vorlagengeber, gestern zum wiederholten Male Mané: „Ich profitiere von der Mannschaft.“ Und so dürfte er auch Wolfs Einschätzung uneingeschränkt zustimmen, der erklärte: „Er ist für uns ein wichtiger Spieler. Trotzdem ist jedes Tor, das er schießt, eine Teamleistung.“ Dann fügte der Coach noch mit einem breiten Grinsen hinzu: „Wir sind natürlich trotzdem froh, dass er bei uns ist.“
Daneben saß sein Sandhausener Gegenüber Kenan Kocak und musste wie viele seiner Kollegen zuvor erkennen, dass der Stuttgarter Top-Stürmer wieder einmal den Unterschied gemacht hatte. Das ist das Los der VfB-Gegner: Sie wissen um Teroddes Gefährlichkeit – und müssen ihm trotzdem immer wieder beim Toreschießen zuschauen