Martin Schäfer trägt beim VfB Verantwortung. Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Stuttgart - Nach dem Abstieg des VfB Stuttgart in die 2. Fußball-Bundesliga und den anschließenden Rücktritten auf der Führungsebene ist der Aufsichtsratsvorsitzende Martin Schäfer einer der entscheidenden Männer im schwäbischen Traditionsverein. Der 59-Jährige ist als Vertriebsvorstand bei Würth einer der höchsten Entscheider bei dem Weltmarktführer aus Künzelsau. Er ist es gewohnt, unkonventionell und erfolgreich zu entscheiden. „Wir müssen und werden als Verein gestärkt aus dieser Krise herauskommen“, sagt Schäfer wenige Tage vor dem Trainingsstart des VfB am kommenden Mittwoch im Interview.

Welche Philosophie kann man als erfolgreicher Würth-Manager auf einen zuletzt erfolglosen Fußballklub übertragen?

Schäfer: Es gilt immer, die richtigen Leute an den richtigen Platz zu bringen. So wie man bei Würth geeignete Führungskräfte braucht, zu denen die Mitarbeiter hochschauen und die bereit sind, Höchstleistungen zu bringen, so muss man auch als VfB-Trainer oder Manager Spieler und Mitglieder begeistern.

Als Aufsichtsratschef sind sie zunächst wenig in Erscheinung getreten. In den letzten zwei Monaten hat sich das schlagartig verändert. Wie verläuft Ihr Tag seither?

Schäfer: Ich bin im Prinzip jeden Tag zwölf Stunden für Würth tätig und nochmals drei bis vier für den VfB - und das sieben Tage die Woche. Nachdem fast über Nacht Trainer, Sportvorstand und Präsident beim VfB weg waren, musste der Aufsichtsrat, anders als sonst üblich, auch operativ tätig werden. Was ich da teilweise erlebt habe, das hätte ich mir vorher nicht vorstellen können.

Was meinen Sie damit? Welches sind denn die größten Baustellen beim VfB?

Schäfer: Der VfB leidet unter einer Vertrauenskrise. Wir sind abgestiegen, und die Fans und Mitglieder sind zu Recht verärgert. Der VfB hat wirklich geile Fans, die alles für den Verein tun. Es tut weh, was wir denen angetan haben. Jetzt müssen wir wieder eine ehrliche Kultur in den Verein reinbringen. Wer nicht zu 100 Prozent zum VfB steht hat keine Daseinsberechtigung.

Was heißt das konkret?

Schäfer: Jeder Stein wird umgedreht. Alles wird hinterfragt. Wir müssen und werden als Verein gestärkt aus dieser Krise herauskommen.

Hinterfragen Sie sich auch selbst? Welche Fehler wurden gemacht? Was kann man daraus lernen?

Schäfer: Natürlich ist man hinterher immer schlauer. Robin Dutt hat sicher viele Dinge gut, aber eben auch einige schlecht gemacht. Und ja: Im Nachhinein hätte man vor einem halben Jahr eingreifen müssen. Aber ich weiß ja auch bei Würth nicht mit Sicherheit, ob eine Führungskraft nach ihrer Ernennung erfolgreich sein wird. Je nach Situation muss man dann reagieren.

Viele waren verwundert, dass Sie Thomas Hitzlsperger verpflichtet haben. Was versprechen Sie sich von ihm?

Schäfer: Wir wollten die Führungsebene im sportlichen Bereich breiter aufstellen. Thomas ist sehr intelligent, hat VfB-Wurzeln und er ist nicht zu lange weg von der aktiven Zeit. Wir haben ihn schon länger auf dem Radar. Er hat den Puls am Markt und kann sehr viel bewegen.

Ist es nicht zu spät, erst jetzt einen Sportdirektor zu verpflichten? Wann kommt er denn?

Schäfer: Das Leben ist kein Wunschkonzert. Wir mussten nach dem Abstieg schnell entscheiden. Aber seien Sie versichert, dass wir auch dieses Thema mit höchster Priorität bearbeiten.

Die Mitgliederversammlung wurde auf 9. Oktober verschoben. Kommt die Ausgliederung der Fußballabteilung trotz des Abstiegs?

Schäfer: Wir müssen jetzt erst einmal liefern. Die Mitglieder brauchen Vertrauen in die Führung. Dann wird auch die Ausgliederung wieder ein Thema.

Alles andere als der Aufstieg würden die Fans wohl nicht als Ziel akzeptieren.

Schäfer: Stimmt. Das Ziel ist klar definiert, zum Wiederaufstieg gibt es keine Alternative, obwohl es kein Selbstläufer wird. Aber diesem Ziel ordnen sich alle unter. Ich spüre, dass ein Ruck durch den Verein geht. Es ist wie bei Würth: Der Kunde steht im Vordergrund. Beim VfB sind es die Fans und Mitglieder, die im Mittelpunkt stehen. Da muss sich jeder unterordnen.

Blick nach vorn: Was erwarten sie vom VfB in den nächsten fünf Jahren?

Schäfer: Der VfB ist weiterhin eine gute Marke und ein Stück Kulturgut. Der Aufstieg ist zunächst Pflicht, danach wird man weiter sehen.

Was hat Sie in den letzten Wochen am meisten geärgert?

Schäfer: Als mal im Fernsehen behauptet wurde, ich würde mitten in der VfB-Krise in Mallorca auf einer Palme sitzen. Dabei habe ich zu der Zeit ständig für den VfB gearbeitet. Da wird einfach etwas behauptet, und man kann sich nicht wehren.

Ist man bei Würth eigentlich glücklich über Ihren „Nebenjob“?

Schäfer: Absolut. Reinhold und Bettina Würth unterstützen mich total. Die haben beim Abstieg genauso gelitten wie ich. Und dass Würth zum ersten Mal auch einen Verein in der 2. Liga unterstützt, das ist auch ein Vertrauensbeweis für mich und meine Arbeit.

Was ist der Unterschied zwischen Ihrem Job bei Würth und beim VfB?

Schäfer: Bei Würth vertrauen mir die Leute, da bin ich lange verwurzelt, die wissen, was ich mache. Das muss beim VfB natürlich erst noch wachsen.

Sind Sie absolut überzeugt, dass dem VfB die Wende zum Besseren gelingt?

Schäfer: Ja total. Der VfB hat ein ungeheures Potenzial. Deshalb wollen und müssen wir jetzt liefern. Und wir müssen begeistern, in dem wir einen guten und ehrlichen Job machen.

Das Interview führte Uwe Ralf Heer.