Probefahrt für die Internationale Gartenbauausstellung 2017 in Berlin: Im September 2016 schwebten die Gondeln schon mal über die Wiesen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Anika von Greve-Dierfeld

Stuttgart/Karlsruhe - Schatz, nehmen wir das Auto oder doch lieber die Seilbahn? Wer in Berlin, Konstanz oder Stuttgart lebt, hat in einigen Jahren vielleicht eine dauerhafte Alternative für die Fahrt zum Bahnhof, in die Innenstadt oder zwischen Stadtteilen. „Luftseilbahnen sind technisch ausgereifte Systeme“, sagt die Forscherin Maike Puhe vom Karlsruher Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS). „Jeder kennt sie und in Städten würde das technisch gesehen auch funktionieren.“ Puhe leitet in Zusammenarbeit mit dem Institut für Verkehrswesen (IfV) ein Forschungsprojekt zur „Praxis urbaner Luftseilbahnen“. „Die Akzeptanz solcher Projekte nimmt deutlich an Fahrt auf“, erklärt sie. Stadt- und Verkehrsplaner legten seit einigen Jahren öfter Vorschläge für Seilbahnen als öffentliches Verkehrsmittel auf den Tisch.

Vieles spricht für diese Idee, das hat sich bundesweit in abgasgeplagten Städten herumgesprochen. Luftseilbahnen können über Hindernisse schweben oder große Gefälle überwinden. Sie können dazu beitragen, den Ausstoß von CO2 zu senken. Stau ist bei diesem Verkehrsmittel unmöglich. Ihre Errichtung gilt als kostengünstig und sie sind leicht wieder rückbaubar. Zahlreiche Stadtseilbahn-Projekte wurden in den vergangenen Jahren bundesweit diskutiert, die wenigsten allerdings umgesetzt. Eine Einbindung in den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) ist noch nirgends gelungen.

Koblenzer lieben ihre Seilbahn

Breit debattiert wird ein solches Szenario in Konstanz. Dort könnten die drängenden Verkehrsprobleme der Kommune am schnellsten mit einer Stadtseilbahn gelöst werden. Gespräche zur Machbarkeit sind in vollem Gange. In Ulm, Trier und Hamburg wurden Seilbahn-Pläne verworfen, in Wuppertal wird intensiv diskutiert. Ein erster Arbeitsbericht zur ITAS-Studie listet von Aachen bis Wolfsburg etwa ein Dutzend weitere nicht umgesetzte Seilschwebebahn-Projekte auf. In Betrieb dagegen - auch wenn nur von Ende März bis November - und recht bekannt ist die Kölner Seilbahn über den Rhein.Vor allem aber die 2011 im Rahmen der Bundesgartenschau in Betrieb genommene Seilbahn in Koblenz hat der Idee bundesweit Schub gegeben, wie Puhe sagt. Die Bahn verbindet die Altstadt mit der Festung Ehrenbreitstein. Die Bürger lieben sie inzwischen so sehr, dass sie die eigentlich nur auf Zeit gebaute Bahn am liebsten behalten möchten, sagt ein Stadtsprecher. Da der Flussabschnitt, über den sie führt, Unesco-Weltkulturerbe ist, ist das aber unsicher. „Wir hoffen, dass sie noch lange läuft“, sagt der Sprecher.

Auch in Stuttgart gibt es Überlegungen: Seit die denkmalgeschützte und seit Jahren leerstehende frühere IBM-Zentrale einen Käufer gefunden hat, liebäugelt dieser mit einer Seilbahn. Damit könnten die Bewohner der rund 2000 dort geplanten Wohnungen zwischen ihrem Zuhause und dem Bahnhof Vaihingen hin und her fahren, hatte Investor Mathias Düsterdick gesagt. „Eine charmante Idee“, erklärt dazu die Stadt. Arne Seyboth vom Amt für Stadtentwicklung findet aber auch viele Gegenargumente. „Natürlich wäre die Bahn ein Hingucker“, sagt er. Ob sie wirtschaftlich betrieben werden könnte, müsse aber erst ermittelt werden. Außerdem: Klagen von Grundstücksbesitzern, über denen die Gondeln schweben würden, wären vermutlich programmiert. Und die Strecke sei auch mit einem Gelenkbus problemlos zu bewältigen.

Berlin legt gerade letzte Hand an eine Seilbahn anlässlich der Internationalen Gartenausstellung IGA, die Probefahrt war vergangenen September. Die Kosten trägt die Südtiroler Firma Leitner ropeways, einer der beiden weltweit größten Anbieter für Seilbahnen. Die IGA-Seilbahn, die zwei Stadtteile verbindet, sei ein vorbildliches Projekt zur Lösung von Verkehrsproblemen in Metropolen, heißt es von dort. Wie lange sie nach der IGA betrieben wird, ist noch offen. In den ÖPNV ist in Baden-Württemberg zum Beispiel bisher nur eine Seilbahn in Künzelsau eingebunden. Allerdings handelt es sich dabei um eine sogenannte Standseilbahn auf Schienen, die Bürger zwischen dem Wohngebiet Taläcker und der Kernstadt transportiert. „Hat sich enorm bewährt“, erzählt eine Stadtsprecherin.

Der Deutsche Städtetag begrüßt solche Konzepte jedenfalls ausdrücklich, sagt Verkehrsreferent Thomas Kiel. Und Umweltschützer finden Seilbahnen als Ergänzung zu Bus und Bahn ohnehin eine prima Idee. Ein solches Massenverkehrsmittel sei immer erste Wahl in Ballungsräumen, sagt Gerhard Pfeifer, Geschäftsführer des BUND Regionalverbands Stuttgart. Die angedachten Strecken seien nicht besonders lang, es wären wenige Masten nötig, der Eingriff in die Natur sei eher gering. „Und wenn sich eine Strecke nicht rentieren sollte, dann nimmt man einen Schraubenschlüssel und baut die Seilbahn wieder ab“, so der Verkehrsreferent.

Luftseilbahnen

Seilbahnen können aus Sicht von Stadtplanern und Umweltschützern eine attraktive Alternative zu verstopften Straßen und vollen Bussen in Städten sein. Weltweit wachse die Nachfrage nach nachhaltigen Verkehrskonzepten, schreibt der italienische Hersteller Leitner ropeways. Das Unternehmen ist neben Doppelmayr aus Österreich einer der beiden weltweit größten Anbieter von Seilbahnen.

International gibt es bereits in einigen Metropolen Stadtseilbahnen. Sie sind in Südamerika ein beliebtes Verkehrsmittel angesichts langer Staus in chaotischem Verkehr. In der bolivianischen Hauptstadt La Paz gibt es schon mehrere Seilbahnlinien. Es ist laut Doppelmayr das größte städtische Seilbahnnetz der Welt. In der türkischen Hauptstadt Ankara hat Leitner das nach eigenen Angaben „größte urbane Seilbahnprojekt auf dem eurasischen Kontinent“ gebaut.