Das Weingut der Stadt Stuttgart bewirtschaftet mehrere terrassierte Steillagen, unter anderem an der Neuen Weinsteige.Archiv Foto: Schütze Quelle: Unbekannt

Stuttgart (jps) - Anfang März hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn ein umfassendes Glyphosat-Verbot auf städtischen Flächen erlassen. Doch es gibt eine Ausnahme: Das Weingut der Stadt darf das Unkrautvernichtungsmittel in diesem Jahr noch einmal verwenden.

Für die Verwendung von Glyphosat für seine 17 Hektar Rebflächen hat das städtische Weingut eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Stadtsprecher Sven Matis erklärt, es sei mit dem Weingut vereinbart worden, dass es zumindest in diesem Jahr noch einmal mit Glyphosat spritzen darf - im Gegensatz zur regelmäßigen Anwendung in den vergangenen Jahren. „Zum Ende der Übergangsphase werden wir uns mit dem neuen Leiter des Weinguts zusammensetzen und die weiteren Schritte zum Glyphosatverzicht besprechen“, sagt Matis. Der neue Weingutleiter Timo Saier aus Ulm soll am 15. August die Nachfolge von Bernhard Nanz antreten. Das Gespräch ist am Jahresende geplant.

Für OB Kuhn geht es beim Glyphosat ums Prinzip. Im März hatte er stolz verkündet, dass die Landeshauptstadt das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel nicht mehr einsetzen werde. „Mein Ziel ist es, Stuttgart zu einer glyphosatfreien Stadt zu machen. Daher appelliere ich auch an die Bürgerinnen und Bürger bei ihren Arbeiten im Garten zum Wohle der Gesundheit auf Glyphosat ganz zu verzichten.“ Statt Glyphosat zur Bekämpfung von Unkraut einzusetzen, würden die Mitarbeiter des Garten-, Friedhofs- und Forstamts die städtischen Grünflächen künftig von Hand pflegen, hieß es. Das Mittel der Wahl seien mechanische Verfahren mit Hacken und Freischneidern. Auch alle weiteren Ämter und Eigenbetriebe seien von Kuhn aufgefordert worden, auf den Einsatz von Glyphosat zu verzichten.

Warum die Stadt nun just für ihr Weingut eine Ausnahme macht, kann Sprecher Sven Matis nicht sagen. Dem Vernehmen nach gab es beim Weingut Bedenken, dass ohne Glyphosat verstärkt andere, weniger wirksame Herbizide eingesetzt werden müssten, obwohl das Unkraut in diesem Jahr besonders stark sprieße. Sollte das Weingut auf den Einsatz von Glyphosat künftig ganz verzichten, dürfte dies eine erhebliche Mehrarbeit bedeuten. Das in den vergangenen Jahren zum Teil schwer defizitäre Weingut könnte dann womöglich erneut in die roten Zahlen rutschen.

Professor Günter Neumann von der Uni Hohenheim hält derweil mehr Sachverstand bei der Anwendung von Glyphosat für dringend geboten. Der Agrarwissenschaftler plädiert dafür, den Einsatz auf ein unbedingt nötiges Maß zu reduzieren. Ein komplettes Verbot sei jedoch kontraproduktiv, meint er.

Umstrittenes Herbizid

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Glyphosat im vergangenen Jahr als potenziell krebserregend eingestuft. Über die Gefahren, die von Glyphosat ausgehen, streiten die Experten seit langem. Die Zulassung des Herbizids wurde in der Europäischen Union schließlich Ende Juni dieses Jahres für weitere 18 Monate verlängert. Jedoch gelten künftig schärfere Auflagen für den Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels. So müssen die EU-Staaten den Einsatz glyphosathaltiger Produkte etwa auf Spielplätzen oder in Parks so weit wie möglich einschränken. Bestimmte Beistoffe sind in Zukunft verboten. Bis Ende 2017 soll die europäische Chemikalienagentur Echa ihre Bewertung vorlegen, auf deren Grundlage über die weitere Zulassung entschieden werden soll.